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BEPE-Studie
Behandlerinformationen
BEPE-Studie 

Behandlerinformationen

  1. Vorstellung der Studie
  2. Was heißt BEPE?
  3. Ziele der Studie
  4. Ablauf der Studie
  5. Was ist Patientenorientierung?
  6. Zielgruppe dieser Studie
  7. Abschlussergebnisse
  8. Fazit

Vorstellung der Studie

Bis zum jetzigen Zeitpunkt basieren Therapieleitlinien für psychische Störungen allein auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien. Als erfolgreich gilt dabei eine Therapie, die den von Experten gesetzten Zielen möglichst nah kommt - ohne zu beachten, welche Behandlungsziele für die Patienten selbst wichtig sind. Die Betroffenen haben allerdings oftmals ganz andere Prioritäten als die behandelnden Ärzte. Das Projekt  BEPE möchte gerade diese Interessen, Bedürfnisse und Wünsche der Patienten zum Gegenstand der Untersuchungen machen.

 

Was heißt BEPE?

Entwicklung eines Verfahrens zur

Beurteilung der

Evidenzlage unter systematischer Einbeziehung gewichteter

patientenrelevanter

Endpunkte 

kurz BEPE

Das Projekt soll dazu dienen, die Präferenzen der Patienten in Gewichtungsfaktoren umzurechnen, mit denen wissenschaftliche Studien nach Kriterien aus der Patientenperspektive bewertet werden können. Denn bislang erfolgt die Bewertung von Therapieergebnissen und die Gewichtung einzelner RCT-Studien fast ausschließlich anhand expertendefinierter Endpunkte bzw. rein methodischer Qualitätskriterien. Es existiert – im Rahmen der relativen Gewichtung verschiedener Therapieoutcome-Parameter – noch keine ausgearbeitete methodische Vorgehensweise für die Einbeziehung patientenrelevanter Endpunkte zur Gesamtbeurteilung der empirischen Evidenz bzgl. der Wirksamkeit von Therapieverfahren. Mit Hilfe des BEPE- Projekts soll am Beispiel der Bipolaren Störungen ein möglichst praktikables und valides Gewichtungsverfahren auf Basis von Patientenurteilen entwickelt und getestet werden.

 

Ziele der Studie:

Das Nahziel des Projektes stellt die Ermittlung von patientennahen Therapiezielen innerhalb der Behandlung von bipolaren Störungen dar. Dabei sollen die Wünsche, Interessen und Bedürfnisse von bipolaren Patienten im Vordergrund stehen, damit im Sinne einer stärkeren Patientenorientierung, patientennahe Erfahrungen mehr Berücksichtigung in der Ausrichtung von Therapiemaßnahmen finden.
Zudem möchten wir auf konkrete und praktische Behandlungserfahrungen von Patienten und Angehörigen zurückgreifen und ergründen, worin Schwierigkeiten oder Probleme in der Behandlung bestehen sowie welche Angebote als hilfreich und stützend erachtet werden.

Fernziel unseres Projektes ist es, die relative Bedeutung von Behandlungszielen aus Betroffenensicht systematisch zu untersuchen.

Mittels Patienten-/Expertenbefragung soll

a)    eine mehrstufige Priorisierung

b)    eine komparative Bewertung

der Bedeutsamkeit expertendefinierter und patientenrelevanter Therapieziele in der Therapie bipolarer Störungen vorgenommen werden.

Die Ergebnisse des Projektes werden zu einer wesentlichen Erweiterung der Beurteilungsdimensionen der empirischen Evidenzlage um die Perspektive des Patienten beitragen. Diese ermöglicht eine adäquatere Evidenzbeurteilung in Systematic Reviews und erleichtert die Patientenpartizipation bei Therapiezielentscheidungen in der Routineversorgung.

 

Ablauf der Studie:

Die BEPE-Studie erfolgt in mehreren Phasen:

Phase 1:

  • Zusammenstellung eines Kataloges relevanter Therapieziele und Endpunkte auf Basis der Auswertung von 111 RCT’s, die für die S3-Leitlinienentwicklung „Bipolare Störungen“ ausgewählt wurden.

Phase 2:

  • Prüfung und Erweiterung des Kataloges mittels Expertenbefragung von n=10 erfahrenen Klinikern.

Phase 3:

  • Ermittlung von patientenrelevanten Endpunkten mittels Gruppendiskussion und Brainstormingverfahren in Fokusgruppen mit n=50 Patienten
  • Abgleich der Therapiezielpriorisierungen zwischen Experten und Patientenvertretern.

Phase 4:

  • Online-Befragung (Delphi-Methode) unter n=300-500 Patienten aus dem Selbsthilfenetzwerk der DGBS und dem Bipolar-Forum mit dem Ziel eines häufigkeitsbasierten Ratings der katalogisierten Endpunkte nach persönlicher Bedeutsamkeit.

Phase 5:

  • Auswahl der Endpunkte; Bestimmung von komparativen Gesamtpräferenzurteilen mittels eines mehrstufigen Conjoint-Verfahrens in Form
    • eines Gruppenexperimentes (Discrete Choice Experiment – DCE) sowie
    • einer Gruppendiskussion (informelle Gruppenmeinung) mit n=50 Patienten in möglichst repräsentativer Zusammensetzung (Alter, Geschlecht, Morbidität)

Phase 6:

  • Abschließend soll aus der Conjoint-Analyse ein empirisch und statistisch fundiertes Gewichtungsverfahren für Therapieangebote unter expliziter Einbeziehung der ermittelten Hierarchie patientennaher Endpunkte berechnet werden.

 

Was ist Patientenorientierung?

„Patientenorientierung bezeichnet die Ausrichtung von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen des Systems der gesundheitlichen Versorgung auf die Interessen, Bedürfnisse und Wünsche des individuellen Patienten.

Die Patientenorientierung äußert sich u. a. darin, dass der Patient im Gesundheitssystem mit seinen Interessen, Bedürfnissen und Wünschen wahrgenommen und respektiert wird, ihm mit Empathie und Takt begegnet wird, er die Leistungen erhält, die nutzbringend und von ihm erwünscht sind und er über verbriefte Rechte und Pflichten verfügt.“ (Klemperer, 2000: Patientenorientierung im Gesundheitssystem).

 

Zielgruppe dieser Studie

Das Projekt BEPE möchte zur verstärkten Patientenorientierung im Gesundheitssystem beitragen.

Deshalb bewerten in der BEPE-Studie bipolare Patienten aus dem Selbsthilfenetzwerk der DGBS bzw. dem Bipolar-Forum

  • den Nutzen
  • die Zweckmäßigkeit
  • die Angemessenheit

von Behandlungszielen, die in vorherigen Phasen des Projekts mit Hilfe von erfahrenen Behandlern und Patienten ermittelt wurden.

Sie als erfahrene Behandler und Kliniker sind daher zu einer aktiven Mitarbeit und Kooperation im BEPE-Projekt aufgerufen. Es ist uns wichtig, die Beurteilung von Therapiezielen aus Expertensicht zu ergründen und kennenzulernen.

 

Abschlussergebnisse

Die nachfolgenden Therapieziele spielen für die befragten bipolar Betroffenen eine wichtige Rolle:

 

Therapieziele Mittelwert SD 95% KI stand. Gewichtungs-faktoren
Wirksamkeit: Akut bzgl. depressiver Episoden 54.77 31.09 [47.89; 61.64] -0.23
Wirksamkeit: Akut bzgl. manischer Episoden 48.21 28.47 [41.91; 54.51] -0.48
Wirksamkeit: Erhaltung und Rückfälligkeit bzgl. depressiver Episoden 57.01 28.26 [50.76; 63.26] -0.18
Wirksamkeit: Erhaltung und Rückfälligkeit bzgl. manischer Episoden 53.83 27.58 [47.73; 59.93] -0.30
Funktionsniveau 71.28 25.65 [65.51; 76.96] 0.36
Coping 71.44 25.68 [65.77; 77.12] 0.37
Therapeuteneinstellung 70.28 27.06 [64.30; 76.27] 0.31

 

Dabei kristallisieren sich drei Zieldimensionen einer Psychotherapie als besonders wichtig heraus: Funktionsniveau, Coping und Therapeuteneinstellung.

 

Dimension Therapieziel GF Ausprägungen Einzelziel-ausprägungen
Funktions-niveau 1 Gesunder Lebensrhythmus im Alltag 0.80 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.08/-0.37/1.45
Lebensqualität 0.32 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.25/0.09/1.16
Paarbeziehungen/Sexualität -1.12 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.04/0.40/0.64
Funktions-niveau 2 Soziale Beziehungen (Freundeskreis) 1.14 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.36/0.23/1.13
Berufliche Leistungsfähigkeit -0.73 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.00/-0.09/1.08
Familiäre/Elterliche Rollenerfüllung -0.41 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.28/0.33/0.95
Coping Emotionsregulation (Fähigkeit, mit Gefühlen umzugehen) 1.13 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.17/0.02/1.16
Stressbewältigung (Fähigkeit, mit Stress umzugehen) -0.38 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.29/0.39/0.90
Exekutive Kontrolle (Fähigkeit, eigene Impulse und Wünsche zu kontrollieren) -0.75 Aufrechterhaltung/Wiederherstellung in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.24/0.21/1.03
Therapeuten-einstellung Mitsprache des Patienten bei der Zielbestimmung der Therapie 0.25 Mitsprache in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -1.25/0.22/1.03
Unmittelbare Verfügbarkeit des Therapeuten -0.13 Therapeut ist in niedrigem, mittlerem und hohem Maße zeitnah verfügbar -1.27/0.54/0.73
Individualisierte Therapie 1.15 Therapie wird in geringem, mittlerem und hohem Maße individuell abgestimmt -1.05/-0.80/1.85
Einbezug wichtiger Bezugspersonen -1.26 Einbezug wichtiger Bezugspersonen in niedrigem, mittlerem und hohem Maße -0.70/0.33/0.36

 

Funktionsniveau

Ein sehr wichtiges Ziel für die bipolar Betroffenen ist, die eigene Lebensqualität zu erhöhen, sich einen gesunden Lebensrhythmus im Alltag anzueignen und sich mit den Themen Paarbeziehung bzw. Sexualität auseinanderzusetzen. Zusätzlich ist ihnen die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen sehr wichtig. Während bei den Frauen die familiäre bzw. elterliche Rollenerfüllung einen hochrangige Bedeutung hat, ist den Männern der Erhalt beruflicher Leistungsfähigkeit wichtiger.

 

Coping

Den bipolar Betroffenen geht es vor allem um einen optimalen Umgang mit emotionalen Problemen, ein angemessenes Konfliktmanagement, Stressbewältigung sowie um die Förderung ihrer sozialen Kompetenzen.

 

Therapeuteneinstellung

Wichtig ist den bipolar Betroffenen die Mitsprache bei der Zielbestimmung. Zudem sollten die Therapie individualisiert und der Therapeut unmittelbar verfügbar sein. Einige Patienten wünschten explizit den Einbezug von wichtigen Bezugspersonen in die Therapie.

 

In der medikamentösen Behandlung stellten sich drei Zieldimensionen als für bipolar Betroffene bedeutsam heraus: Wirksamkeit in der Erhaltungsphase, Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit in depressiven Phasen.

 

Dimension Therapieziel GF Ausprägungen Einzelziel-ausprägungen
Wirksamkeit Akutphase Depression Symptomreduktion 0.07 schwache, mittlere und starke Wirkung -0.61/0.54/1.15
Wirklatenz -0.21 langsame, schnelle und sehr schnelle Wirkung -0.87/0.20/0.67
Wirksamkeit Akutphase 0.14 schwache, mittlere und starke Wirkung -1.61/0.14/1.47

Wirksamkeit Akutphase Manie

Reduktion von Symptomen -0.20 schwache, mittlere und starke Wirkung -1.32/0.03/1.29
Wirklatenz Akutphase Manie -0.88 langsame, schnelle und sehr schnelle Wirkung -1.11/0.42/0.69
Anhaltende Wirkung auf Akutsymptomatik innerhalb der manischen Episode 1.09 schwache, mittlere und starke Wirkung -1.22/0.11/1.11
Wirksamkeit Erhaltung Depression Langfristige Reduktion von Symptombreite (Spektrum, Anzahl) -0.72 schwache, mittlere und starke Wirkung -0.61/-0.01/0.62
Reduktion von Symptomschwere 0.18 schwache, mittlere und starke Wirkung -1.18/0.18/1.00
Reduktion Episodenlänge (Dauer) -0.80 schwache, mittlere und starke Wirkung -0.30/-0.51/0.82
Langzeitwirkung: Länge der symptomfreien (euthymen) Intervalle 1.34 kurz-, mittel- und langfristige Stabilität -1.61/-0.41/2.01
Wirksamkeit Erhaltung Manie Langfristige Reduktion von Symptombreite (Spektrum, Anzahl) -0.83 schwache, mittlere und starke Wirkung -0.23/-0.35/0.58
Reduktion von Symptomschwere 0.24 schwache, mittlere und starke Wirkung -1.33/-0.16/1.49
Reduktion Episodenlänge (Dauer) -0.73 schwache, mittlere und starke Wirkung -0.02/-0.15/0.18
Langzeitwirkung: Länge der symptomfreien (euthymen) Intervalle 1.31 kurz-, mittel- und langfristige Stabilität -1.71/-0.16/1.87

 

In erster Linie geht es den Patienten um eine Reduktion der Symptomatik und um die akute Wirksamkeit der Therapie. Eine eher untergeordnete Rolle spielt für sie die Wirklatenz. Zudem sehen sie wichtige Therapieziele in einer anhaltenden medikamentösen Wirkung auf Akutsymptome innerhalb manischer und depressiver Episoden, sowie der langfristigen Erhaltung symptomfreier Intervalle.

 

Fazit

Durch Einbeziehung der Patientenperspektive in die Therapieentscheidung wird den Therapiezielkriterien und Bedürfnissen der Patienten erstmals explizit Rechnung getragen. Die neu gewonnenen Gewichtungsfaktoren können so als Maßstab zur Beurteilung der Patientenorientiertheit von Wirksamkeitsstudien herangezogen werden.

Wir hoffen, dass diese Ergebnisse in Zukunft in Behandlungsempfehlungen, -leitlinien und -manualen stärker integriert und in Folge Arzt-Patient-Beziehungen patientennäher gestaltet werden.