Solar unterstütztes Nahwärmesystems im Chemnitzer Technologie- und Gewerbeparpark solaris


Einführung

Soll neben der Brauchwassererwärmung auch die Raumheizung mit solar gewonnener Wärme versorgt werden, tritt folgende Relation zwischen Angebot und Verbrauch auf: Während sich die meteorologischen Verhältnisse im Sommerhalbjahr in Mitteleuropa durch eine hohe solare Einstrahlung auszeichnen, ist der Heizenergiebedarf hinsichtlich einer direkten Anwendung der Sonnenenergie gering. Im Winterhalbjahr liegt der umgekehrte Fall vor. Dann wäre eine hohe solare Einstrahlung zur Versorgung der Raumheizung nützlich. Das Problem des zeitlichen Auseinanderfalls von Angebot und Bedarf kann durch einen saisonalen Speicher gelöst werden. Diese thermische Speicher benötigen eine große Kapazität, d.h. eine große Speichermasse, um die im Sommer gewonnene Sonnenenergie in der Winterperiode bereitstellen zu können. Aufgrund ihrer Größe sind derartige Langzeitspeicher die zentralen Bauteile in Wärmeversorgungssystemen. Im Falle der Sonnenenergienutzung werden diese Speicher in sogenannten solar unterstützten Nahwärmesystemen integriert. Der in Chemnitz gebaute und hier vorgestellte Kies-Wasser-Speicher ist eine von vielen Bauformen für saisonale Speicher.
Motiviert durch die Umweltproblematik, die wesentlich durch die Nutzung fossiler Energieträger verursacht wird, und die begrenzten Ressourcen besteht in der Versorgung der Raumheizung mit alternativen Energiequellen ein großes Potential. Aus diesem Grund ist die Entwicklung der entsprechenden Technik und der Bau von Pilotanlagen ein Schwerpunkt im Forschungs- und Demonstrationsprogramm SOLARTHERMIE 2000 des BMWi.
 

Historische Entwicklung

Bereits 1982 wurde das Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart mit der Planung, dem Bau und der Erprobung eines künstlich angelegten oberflächennahen Aquiferwärmespeichers vom Bundesministerium für Forschung und Technologie beauftragt. Nach umfangreichen Voruntersuchungen wurde der 1000 m³ Kies-Wasser-Speicher 1985 gebaut und in Betrieb genommen. Seit Inbetriebnahme funktioniert dieser Speicher zuverlässig !
Mit großem Aufwand wurde das Speicherverhalten vermessen und ausgewertet. Nach dem Bau des Stuttgarter Kies-Wasser-Speichers war es notwendig, das gewonnene Wissen auf die Planung von größeren Pilotspeichern zu übertragen. Unter anderem wurde die Weiterentwicklung der Kies-Wasser-Speicher durch das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg entscheidend vorangetrieben, wo man die Konzeption und die Planung für den Chemnitzer Kies-Wasser-Speicher erarbeitete. Der Speicher in Chemnitz ist für einen Temperaturbereich von 85 bis 30°C ausgelegt. Die Be- und Entladung des Speichers erfolgt über einen Wasseraustausch zwischen einem hydraulischen Kreislauf und dem Speicher.
Mit der Bodensanierung des "Fettchemie"-Geländes 1996 in Chemnitz lagen günstige Randbedingungen für die Errichtung eines unterirdischen Wärmespeichers vor. Ein notwendiger Erdaushub seitens der Bodensanierung schuf eine große Baugrube, die für den Bau eines derartigen Speichertypes notwendig ist. Diesen Kostenvorteil nutzte der Bauherr für die Errichtung eines solar unterstützten Nahwärmesystems mit einem 8000 m³ großen Kies-Wasser-Speicher.

Bau des Speichers

Der Speicher befindet sich ca. 3,5 m unter der Geländeoberkante und wird zur Zeit mit Versorgungstrassen und einer Straße überbaut. Der Speicher besitzt die Form eines Quaders (Länge 58 m, Breite 20m, Höhe 7m).
Begonnen wurde mit dem Aushub des kontaminierten Erdreiches. Mit dem Fortschritt des Aushubes konnte der Berliner Verbau (Stahlprofile mit eingelegten Holzbalken) montiert werden, der in diesem Fall eine verlorene Schalung ist. Aus geologischen und sicherheitstechnischen Gründen mußte die Baugrube auf diese Art und Weise hergestellt werden.
Nach Fertigstellung der Baugrube montierte eine Baufirma den Schichtenaufbau Schutzvlies, Drainagegitter, Wärmedämmung. Die HDPE-Folie als Dichtungsschicht wurde von einer kunststoffverarbeitenden Firma verschweißt und eingebracht.
Die Speicherbefüllung mit Kies, der Einbau von Be- und Entladetechnik sowie der Meßtechnik-Einbau verliefen außerordentlich schnell. Bei einer durchschnittlichen Transportleistung von 26 t Kies pro LKW wurde bei ca. 523 Ladungen innerhalb von 10 Arbeitstagen ein 9-Minuten-Takt für Anfahrt und Befüllung erzielt. Parallel fand das Befüllen mit Wasser aus einem betreibereigenen Brunnen statt.
Nach dem vollständigen Füllen der Baugrube wurde auf die geglättete Kiesoberfläche nach gleichem Schema des Wandschichtenaufbaues der Deckenaufbau aufgelegt.
Die Anwendung erprobter Technologien zur Schaffung eines "neuartigen" Bauwerkes erwies sich als Erfolg.
Die Projektgruppe Solarthermie 2000 produzierte ein 15-Minuten-Video zur Baudokumentation des Kies-Wasser-Speicher, welches zum Unkostenpreis zu erwerben ist.

Aufbau des Chemnitzer Kies-Wasser-Speichers
Bild 1: Aufbau des Chemnitzer Kies-Wasser-Speichers.

Im folgenden können die einzelnen Bauabschnitte im Bild betrachtet werden:
 


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Stand des Bauvorhabens

Der Betreiber des solar unterstützten Nahwärmesystem ist die solarisVerwaltungs-GmbH (09116 Chemnitz, Neefestraße 88, Ansprechpartner Herr Voigtländer). Die wissenschaftliche Begleitung vor Ort hat die Technische Universität Chemnitz mit ihrer Projektgruppe SOLARTHERMIE 2000 übernommen. Sie arbeitet mit dem Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart (ITW) und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) zusammen.
1998 wurde der Bau und der Überbau des Kies-Wasser-Speichers abgeschlossen. Der Einsatz von effektiven Vakuum-Röhrenkollektoren in Verbindung mit einem saisonalen Speicher stellt eine Besonderheit dar, weil bisher vorwiegend Flachkollektoren verschiedenster Bauformen eingesetzt wurden. Die gesamte Absorberfläche von 540 m² ist in Kollektorfelder auf einem Gebäudedach und auf einer Parkplatzüberdachung aufgeteilt.
Im Frühjahr 1999 wurde die Verrohrung des Kollektorfeldes, der Aufbau der Übergabestation und die Installation der MSR-Technik vorgenommen.
Der gesamte Komplex solarisPark ist als Außenobjekt der EXPO 2000 bestätigt. Auf dem Gelände des solarisParks sollen dann neben vielen anderen Veranstaltungen die Revitalisierung einer Industriebrache demonstriert werden.

Solar unterstütztes Nahwärmesystem

Die ursprüngliche Planung sah die Versorgung der Raumheizung von drei großen Gebäuden sowie die Versorgung einer großen Warmwasserbereitung für ein Hotel vor. Das entspricht ungefähr einem Bedarf von 1200 MWh/a. Entsprechend dieser Vorgaben sollten 2000 m²  Flachkollektorfläche den Speicher beladen bzw. die Verbraucher direkt versorgen.
Die Änderung der Randbedingungen erforderte einen neuen Ansatz für die Einbindung des Speichers in die vorhandene Wärmeversorgungsstruktur. In der ersten Ausbaustufe wurde ein großes Bürogebäude als Verbraucher angeschlossen. Gleichzeitig dienen die Dachfläche und eine daneben liegende überdachte Parkfläche als Ort zur Aufstellung der Kollektoren.

Schema des solar unterstützten Nahwärmesystems, erste Ausbaustufe
Bild 2:  Schema des solar unterstützten Nahwärmesystems, erste Ausbaustufe
 
Tabelle 1:
Vergleich der Ausbaustufen auf der Basis von Berechnungen mittels dynamischer Simulationen mit TRNSYS
erste, realisierte Ausbaustufe 
mit Vakuum-Röhrenkollektoren
2. Betriebsjahr
 
ursprünglich geplante Endausbaustufe 
mit Flachkollektoren
3. Betriebsjahr
 
Kollektorfläche 540 m² 2000 m²
spezifischer Kollektorfeldertrag 621 kWh/m² 377 kWh/m²
Speichervolumen 8000 m³ Kies-Wasser-Gemisch 8000 m³ Kies-Wasser-Gemisch
Speichernutzungsgrad 45 % 71 %
Wärmeverbrauch 573 MWh/a 1200 MWh/a
solarer Deckungsanteil 30 % 42 %
maximale Speichertemperatur 60°C 85°C


Bild 3: Energieflußdiagramm für die ursprünglich geplante Endausbaustufe

Mit Hilfe der dynamischen Anlagensimulation ist es möglich, die Anlagenzustände und den Ertrag zuverlässig zu berechnen. Es wird deutlich, daß die Anlagenkonfiguration der ersten Ausbaustufe die zur Verfügung stehende Speicherkapazität nicht vollständig nutzt, weil nur ein Teil der geplanten Kollektorfläche installiert ist. Weiterhin kann aus dem Speicher nur ein relativ kleiner Teil der eingespeisten Wärme genutzt werden, da die Temperaturen im Speicher und im Speicherrandgebiet in den ersten Betriebsjahren erst auf ein bestimmtes, von der Jahreszeit abhängiges Niveau gehoben werden müssen. In diesem Zeitabschnitt arbeitet das installierte Kollektorfeld effektiver im Vergleich zur Endausbaustufe. Unter den Bedingungen eines vollständigen Ausbaues treten die genannten Effekte nicht auf. Die angestrebten Ergebnisse für die Endausbaustufe sind in der rechten Spalte dokumentiert. Das Simulationsergebnis spiegelt eine Vielzahl von Randbedingungen wider, die im einzelnen nicht aufgeführt werden. Allgemein kann allerdings festgestellt werden: In einem solar unterstützten Nahwärmesystem mit saisonalem Speicher ist ein solarer Deckungsanteil von ungefähr 50 % erreichbar und gleichzeitig wirtschaftlich vertretbar.
Für den Nachweis der Funktionsweise des Systems und insbesondere des Speichers ist vorerst die Konfiguration der ersten Ausbaustufe ausreichend. Im Zuge einer weiteren Bebauung des Gewerbe- und Technologieparks solaris wird die Integration zusätzlicher Kollektorflächen und Niedertemperatur-Verbraucher angestrebt.
Die Projektgruppe SOLARTHERMIE 2000 der TU Chemnitz führt projektbegleitend die Vermessung des solar unterstützten Nahwärmesystems durch, um den Nachweis über die Funktionsweise und die vorausberechneten Ergebnisse zu bringen.

Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Forschung und Technologie bzw. des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unter dem Förderkennzeichen 0329606 G/F/O/P gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor. Besonderer Dank gilt auch dem Projektträger BEO für die Unterstützung des Vorhabens.

Die Projektgruppe SOLARTHERMIE 2000 ist Mitglied im EUROPEAN LARGE-SCALE SOLAR HEATING NETWORK. Auf der Homepage der Organisation kann man sich unter dem Punkt EUROTOP die Hitliste der größten Solaranlagen in Europa  anzeigen lassen.
Thorsten.Urbaneck@MB3.TU-Chemnitz.de