Aktuelle Forschungsprojekte

Aneca: „Angesprochen Chemnitz – Ausgesprochen Europa!"
Projekt im Rahmen der TUCculture 2025

Leitung: Prof.in Dr. Ulrike Deppe
Wissenschaftliche Hilfskraft: Heidi Hupfer
Europa schaut auf Chemnitz als Kulturhauptstadt – aber wie blickt Chemnitz auf Europa? Das Projekt „Angesprochen Chemnitz – Ausgesprochen Europa!“ eröffnet eine Multiperspektive auf die Erfahrungen ehemaliger Schüler:innen, Lehrer:innen und Bildungspolitiker:innen, um zu zeigen, wie sich das schulisch vermittelte Europa seit der Wendezeit verändert hat. In Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden und dem Chemnitzer Geschichtsverein werden Zeitzeug:inneninterviews illustriert und am 3. Dezember in der Universitätsbibliothek präsentiert. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Chemnitzer Kulturschaffenden zu fördern und zur Aufarbeitung der (Post-)Wendezeit anzuregen.
Europe looks to Chemnitz as European Capital of Culture - but how does Chemnitz see Europe? The project "Chemnitz Addressed – Europe Expressed!" creates a multi-perspective on the experiences of former students, teachers, and education policymakers to showcase how the concept of Europe taught in schools has changed since the post-reunification era. In collaboration with local artists and the Chemnitz History Association, interviews with contemporary witnesses will be illustrated and presented on December 3rd at the University Library. The aim is to promote cooperation between academia and cultural creators in academia and to encourage a reappraisal on the (post-)reunification era.
Abschlussveranstaltung
2.png)
Beiträge zur Abschlussveranstaltung
Alles ändert sich, man wollte ja och nicht sozusachen was verpassen, ne? … dass man sacht: „Oh Gott, das geht jetzt alles an mir vorbei!“ Natürlich unglaublich viele neue Bands, die man sehen konnte, neue Musik, die man hören konnte, für mich neues Gebiet, ’ne Riesenkultur, die man neu gelernt hat, ne? Wo immer so getan wird, wenn jetzt Leute zum Beispiel aus Westdeutschland kommen, die so kommen und sagen, man erzählt irgendwas über die DDR-Kultur, Frank Schöbel oder irgend so nen Schnulli, ne? Wo die dann so tun wie als wär’ das sozusagen … so „Extra-Nerdwissen“. Nee, für die Leute, grade ’89, war das das Kulturwissen, was se hatten und die ham sozusachen alles andere dazu gelernt, ne? Ton Steine Scherben und das und dies und jenes und was man in der DDR-Zeit ne so mitgekriegt hat. Und die ham das dazu gelernt und das ist total interessant, dass im Grunde die westliche, westeuropäische, angloamerikanische Kultur der Kern ist der Popkultur, alles andere is dann irgendwie exotisches Extrawissen. Diese Perspektive einzunehmen, gerade die der Älteren, das was sie halt kennen. Und diese kulturelle Umpolung war, glob ich, die Hauptbeschäftigung, die man so hatte.
Und wie Kultur eben is, in ganz vielen Bereichen, es geht um Esskultur, da geht’s um Nahrungsmittel – wie machen wir das, wie machen wir das, wie machen wir das? Och an vielen Stellen gemerkt, dass Demokratie theoretisch total gut funktioniert, aber praktisch es eben och im Westen ganz viele Leute gibt: „Ich hätt’s gern ohne Demokratie.“ Und die eben sagen, wie es lof’n soll und dass das an vielen Stellen och erkämpft werden muss und manchmal och … man verliert bei sowas, ne? Dass es dann am Ende doch jemanden gibt, der Macht durchsetzt, ne? Dieser Lernprozess und dieses Machen, das is tatsächlich unglaublich, unglaublich schwierig, ne? Und aufwändig und man probiert Sachen aus, wie gesagt, wir ham am Gymnasium die Zeitung gemacht und da ham wir halt Artikel geschrieben, satirische ganz viel, ganz viel Zeug über die Lehrer och, ne? Und ich globe, das Problem mit Europa, ne? Dass man sagt: „Europa war da ganz weit weg.“ Weil man an sich dann ganz viele Sachen hatte, die sich geändert haben, die sich völlig geändert haben.
Ich denke, je größer die Perspektive – Europa is ne ziemlich große Perspektive – desto mehr Ruhe braucht man in der Basis, im eigentlichen Leben, ne? […] Es ging jetzt nicht immer um Leben und Tod die ganze Zeit, aber schon immer Sachen wie: „Das is, das is, das is, dort is, dort woll’n die das machen, dort wollen die das machen! Was bedeutet denn das? Was is mit den Nazis? Was is ’n jetzt das? Was is ’n dort los? Das Gymnasium will sich umbenenn’ – was könnte ’n das für ’n cooler Name sein? Oder dort wird das gemacht, dort gibt’s neue Pläne für de Innenstadt, die woll’n das alles wegreißen, ne?“ Tolle Ausstellungen! Natürlich ham die Galerien erst mal Künstler eingeladen, wo se gesacht ham, die will ich seit 30 Jahren einladen, kann ich ne einladen, weil dazwischen halt ne Mauer war, jetzt lad’ ich die mal alle ein, Bands sozusagen … Wir ham viel, viel och diese, diese anderen Bands, es gab ja eine alternative Bandszene in der DDR, die hieß ‚Die anderen Bands‘: Die Arts, Skeptiker, AG Geige mit ’m Kummer, das war’n so verschiedene Bands. [...]
Es gibt ’n Liedtext und da hab ich damals lange drüber nachgedacht. […] Es gibt bei AG Geige, gibt’s off der LP Trickbeat en Lied, ich überleg grad, wie das … ähm … es geht immer darum, dass die was finden, ne? Die finden halt en Mammut, die finden och ne Mumie off ’n Dachboden. Und diese Mumie, es kommt im Text vor, beherrscht zwölf außereuro- päische Fremdsprachen. Und tatsächlich weeß ich noch, dass mich das damals, wo ich ’s erste Mal dieses Lied gehört hab, das muss so ’87/’88 gewesen sein, dass ich das absolut faszinierend fande, weil mir das Wort ‚außereuropäisch‘ wirklich extrem offgefall’n is. Also das war wirklich so, wo ich sache, da kann ich so zurückdenken, dort hab ich ’s erste Mal wirklich diese Differenz zwischen Nicht-Europa und Europa wirklich mal richtig wahrgenomm’, weil das so ungewöhnlich war … weil man so sagt: „außereuro- päische Fremdsprachen“!? Wenn wir von Fremdsprachen geredet haben, dann haben wir über Russisch, Englisch, Französisch, äh, vielleicht noch Spanisch oder Tschechisch viel- leicht noch drüber geredet, aber sozusagen außereuropäisch – das hat mich damals sehr … Da dacht’ ich: „Hm? Gibt’s denn innereuropäische Fremdsprachen? Gibt’s da ’nen Unter- schied?“ Also außereuropäisch und so. Das wees’ch noch! Da hab ich sozusachen damals drüber nachgedacht
Holm Krieger 1:14:44–1:22:27
[Der vormilitärische Unterricht] war einfach die Fortführung vom Staatsbürgerunterricht. Ich sach’s mal so drastisch. Und die ham dann da vorne gestanden mit ihren langen Zei- gestäben. Ich weiß noch, da war’n die Kugelschreiber so hochmodern geworden, die man so auseinanderziehen konnte und ’nen Zeigestab draus machen konnte und da standen die in ihren Uniformen nun dort vorn und haben uns da nun versucht Europa zu erklär’n, wer wie viele Panzer hat usw., dann wer uns wann überfallen könnte und dass wir doch alle mit der Armee irgendwie was machen könnten, wir Jungs, äh ja. Wir ham’s damals einfach so zur Kenntnis genomm’, aber eigentlich ham wir se ausgelacht. Und das ham die och gemerkt.
Das ham die och gemerkt. Aber das war eben trotzdem en sehr gefährliches Unterfang’, wenn man dann irgendwie mal was andres dazu gesagt … hätten. Wir ham uns ganz bewusst dann och off de Zunge gebiss’n. Es war einfach so. […] Die wollten mir, uns, den Westteil Europas als Feindesland zu verstehen geben. Und dagegen hab ich mich gewehrt. Ich hab’s aber ne öffentlich gesagt, [wegen meines familiären Hintergrunds]. Da hätte es sonst Stress gegeben ohne Ende. […] Wir war’n sehr, sehr offen zuhause mit solchen Sachen. [Mir wurde immer gesagt]: „Bitte, bitte tu uns das nicht an, tu dir das selber nich an, wegen der Ausbildung später och, aber tu’s auch uns nich an!“ […]
Es [Europa] waren zwei Blöcke. Zwei Blöcke! Es waren einfach zwei Blöcke. Und man hat da damals uns … gerade hier in der vormilitärischen Ausbildung … ‚Waffenbrüder- schaft‘. Diesen Begriff werden viele meiner Generation bis heute hassen, ich hasse ihn auch heute noch. Es gab diesen Oberbegriff ‚Waffenbrüderschaft‘ und das bedeutete kom- plett Osteuropa. Es wurden dann immer große Manöver in einzelnen Ländern gemacht dann, dann och noch wechselnd gemacht dann, so ham die uns das eingeimpft. Es wurden zwei Blöcke gebildet und die durften nur zwei Blöcke sein, niemals zusamm’.
Also ganz einfach: Ich bin Europäer gewesen, ohne dass ich das schon so … dass ich mich als so einer begriffen habe, durfte das aber so nie sagen. […]
Karsten Beiling 00:54:37–00:59:52
Da haben wir uns dann och e bissl en Schlachtplan als Kinder, ’nen Schlachtplan schon, schon ausgefertigt, wenn’s um den Unterricht ging, sprich Geschichte, später auch StaBü, Staatsbürgerkunde, äh, so dass wir gewisse Sachen auch umschifft haben, wie das in der DDR auch üblich war. Es gab diese Elefanten – das hat man bei uns damals so bezeichnet, dass man eine Sache umschreibt. Manche haben das sofort begriffen, manche noch nicht. Und gerade die politischen Kader ham drei Mal gebraucht, um das zu verstehen. Es war auch im … im Kabarett-Bereich zum Beispiel richtig extrem, dass man wirklich Sachen umschrieben hat. Das haben wir schon in der Schule gelernt, eigentlich im Privaten schon untereinander auch ausgetauscht, das haben wir im Geschichtsunterricht, vor allem aber im Staatsbürgerkundeunterricht genauso angewandt dann och.
Also ich kann Ihnen verraten, also unsere Staatsbürgerkundelehrerin hatte mit uns nich viel zu lachen. Äh, sie wollte uns zwar diesen Staat zwar näher bringen, wir haben – wie alle in der DDR – och das alles so mitgemacht, aber wir wussten, wenn man dann offiziell so Nein sagt, gibt’s richtig Stress. Aus dem Grund haben wir uns dann Nischen gesucht, wo wir das dann … bissl umschreiben kann, och den Unterricht so so gestalten kann. Kann ich dann später auch noch was dazu erzähl’n, für mich war eigentlich so das ein- schneidende Jahr nicht 1989, sondern schon ’88 und zwar, äh, nach den Sommerferien ’88. Es gab zwei große Ereignisse ’88 im Sommer, einmal war das große Flugschauunglück in Ramstein, meines Wissens war das Ende August ’88 und das neue Schuljahr ging immer am 1. September los. Und da hatten wir gleich am 1. September Staatsbürgerkundeunter- richt in der 10. Klasse. Und da kam unsere Staatsbürgerkundelehrerin rein und hat nun schon triumphierend auf uns geschaut und wollte uns nun so briefen: „Was war euer schönstes Erlebnis oder euer einschneidendes Erlebnis, äh, im gesamten Sommer, nicht nur Sommerferien, sondern im gesamten Sommer?“ So! Mein bester Kumpel, der saß hin- ter mir, der hat gesagt, vor drei oder vier Tagen das Unglück in Ramstein. Und da ist ihr die Kinnlade nach unten gefallen, weil sie was völlig anderes hören wollte..
Ich hab mich dann gemeldet: Für mich war das einschneidende Erlebnis, äh, das große Rockkonzert oder die großen Rockkonzerte in Berlin am Weißen See auf der Radrenn- bahn, äh, da hat damals die DDR auch viele Größen aus dem Westteil der Hemisphäre mit reingeholt. Bruce Springsteen war hier mit fast 200 000 Zuschauern, ich weiß das noch, weil ich mich damals en bissl dafür interessiert habe, auch damals schon, wurden damals die Karten für 20 Mark verkauft, damals gab’s noch ’n Kultur, äh, Cent oder was es da noch gegeben hat. Die wurden aber dort nur in Berlin verkauft. Das hab … das hing damals mit der 750-Jahr-Feier mit Berlin zusammen. Und da hat man große Rockgrößen aus aus der westlichen Hemisphäre hier mit reingebracht, Jo Cocker ist da gewesen zum Beispiel, paar Jahre vorher war schon Depeche Mode hier, da gab’s auch nur unterm La- dentisch bei der FDJ die Karten zu kaufen. Das war wie ein Fünfer im Lotto, wenn man da eine bekommen hat. Und das ist mir im Kopf so so geblieben..
Da hab ich mich gefragt: Moment! Dieses, äh, Bruce-Springsteen-Konzert wurde auch live übertragen. Äh und da hat’s auch en paar Sachen von Bruce Springsteen selber gege- ben, äh, wo er von der Mauer gesprochen hat. Äh, es ist ihm damals offenbar quasi, äh, nahe gelegt worden, da nichts zu sagen. Er hat’s genauso umschrieben. Also er hat bissl mitgedacht und da ist für viele von uns der Groschen gefallen – Moment! Hier ändert sich gerade was. So! Weil der Dampf ist so sehr unterm Deckel gewesen in der DDR, die Wirtschaft war marode bis zum Geht-nicht-mehr, die Leute wollten einfach och, äh, och mal in den Urlaub fahren, wo se noch nicht gewesen sind. Solche einfachen Sachen! Die wollten auch alle wieder kommen. So war das nicht. Bloß die politisch verfolgten, die wären dann woanders geblieben. Aber wir wollten einfach mehr Freiheit. Und diese Frei- heit haben wir ’88 bei diesen Konzerten schon gespürt. Es wurde sehr viel im Fernsehen übertragen. Ich bin ein sehr großer Fan gewesen, bin ich bis heute, ich war auch sehr viel engagiert für DT64, das Jugendradio, was wir dann nach der Wende auch gerettet haben, äh, das sollte ja kaputt gemacht werden, das hat heute en andren Namen, fliegt heute als ‚Sputnik‘ durch den Orbit, ja. So!.
Und da ist uns bewusst geworden, den meisten von uns bewusst geworden, hier ändert sich was. Wir konnten das als … als Zehntklässler [nicht] beschreiben, was jetzt hier pas- siert in unserem Land, aber hier passiert irgendwas. So! Und da ham wir auch gemerkt, äh äh, dass selbst auch von Politikerseite bei uns hier hier in der Stadt, aber auch hier im Bezirk, dass da auch en bissl anders auch mit uns geredet worden ist, mit der Bevölkerung umgegangen worden ist, als das vielleicht noch zwei, drei oder vier Jahre vorher gewesen ist. Hier hat sich irgendwas getan, es konnte noch keiner so richtig beschreiben..
Erst so richtig erlebt haben wir’s dann erst richtig ’89 im Sommer schon, äh, die … die Botschaftsbesetzung in Prag dann zum Beispiel. Es hat hier Szenen gegeben hier in Karl-Marx-Stadt, an der Eisenbahnstrecke, als die Leute dann hier aus Dresden mit dem Zug hier durchgefahren sind bis nach Hof, also das werd ich auch nie wieder erleben, äh, ich hatte mein’ Ausbildungsbetrieb direkt an der Eisenbahnstrecke dort, ich hab meine Ausbildung als Energieelektroniker dort begonnen und ich werd das niemals vergessen, das muss ein Freitag gewesen sein, da flogen aus dem Zug die DDR-Geldscheine heraus, als die hier durchgefahren sind. Äh, das vergisst man nicht und die ham uns, äh, damals auch zurückgedrängt, diese Geldscheine aufzuheben..
Karsten Beiling 00:05:40–00:11:06
Also Europa hat es so als Begriff gar nicht gegeben. Es gab die RGW-Länder und es gab den … sozusagen den Eisernen Vorhang. Deswegen eisernen, weil undurchdringlich, weil feststehend, in Stein gemeißelt, nicht in Frage zu stellen. Und dann gab es alles westlich davon. Als ganz Großes oder als ganz großes Vorbild … oder in jeder Hinsicht, egal ob es um Ernährung, Mode, Geschichte, irgendwelche kulturellen Bezüge ging, ging der Blick komplett nach Osten. Also das große Mütterchen Russland, also die Sowjetunion – das war das große Ziel.
Die waren schon sozusagen schon einen Schritt weiter als wir. Da musste man hin- gucken, wenn man wissen wollte, wo man hin will, und das war das Vorbild und das wurde zu allen … in allen Themenbereichen wurde das als Beispiel herangezogen. Gleich danach kam sozusagen, man würde heute sagen der Ostblock. Ja, also ich glaube, dass … dass in meiner Generation ohne Weiteres, äh, dass die immer noch alle Hauptstädte, von Rumänien und Bulgarien und von allen Sowjetrepubliken, Tadschikistan, Kirgisien, äh … das kann man immer noch alles vorbeten.
Aber wenn man überlegen muss, was die Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen ist, dann kommt man ins Grübeln. Das ist einfach nicht im Gehirn verankert worden. Also das heißt also, in meinem Unterricht ist es komplett nicht vorgekommen. Das ist erst ganz spät, in meiner Schullaufbahn haben wir zum Beispiel die Bundesländer behandelt. Das war in der elften Klasse. Vorher hatte ich damit nichts zu tun. Es war für mich genauso weit weg wie Portugal oder Südamerika.
Und man hat, wenn man über die … über … also über Westdeutschland gesprochen hat, dann ging es vor allem um die Industrien. Also man hat das sozusagen (lacht) von der Seite her gesehen, also man hat zum Beispiel … das Ruhrgebiet haben wir ausdrücklich behandelt im Unterricht. Das war Teil des Lehrplans. Und man hat dann eben auch dazu gesagt, dass diese Konzerne das dort bestimmen und dass eben das in der Hand von rei- chen Privatleuten gewesen ist, diese ganze Industrie. Und dieser Unterschied, der wurde sehr betont, also: „Dort private Exfaschisten, die sozusagen nur ihre Lage noch nicht kon- kret im Kopf realisieren und deswegen halt sozusagen dem Kapitalismus anheim gefallen sind. Und auf der anderen Seite der neue Mensch, der aus der Asche des Krieges empor- gestiegen ist, nach sowjetischem Vorbild, strahlend, der Zukunft zugewandt. Die Macht beim Volk. Arbeiter und Bauern bestimmen darüber selbst, wie sie ihr Land gestalten wollen. Sonnenlicht. Alles toll. Alles strahlend. Alles großartig.“ Das ist das Bild. Das ist das Bild, ganz konkret, was uns vermittelt worden ist. Also, wir haben sozusagen den Kapitalismus überwunden. Wir sind einen Schritt weiter. Wir sind auf dem Weg zum Kommunismus.
Das ist das Ziel, der Kommunismus, und der Sozialismus ist sozusagen der Weg dahin. Also dass man die … die absolute Macht wegnimmt von Einzelpersonen und hingibt in die Masse. Und aus der Masse werden sozusagen Vertreter gewählt, die dann stellvertretend die Entscheidungen repräsentieren in verschiedenen Gremien. So, das ist das Bild, was uns vermittelt worden ist.
Und das betraf, wie gesagt nicht nur uns, sondern es wurde auch immer von unseren Bruderländern gesprochen, also Jugoslawien und Polen und Bulgarien usw. – das waren unsere Bruderländer. Also wir waren praktisch nicht nur ideologisch verbunden, sondern das sollte sozusagen ein familiäres, einen familiären Anstrich haben. Also … Brüder und Schwestern, wir sollten uns denen nah fühlen. Und darin liegt vielleicht auch der Grund, warum … warum Ostdeutsche ein Europa anders bewerten. Weil die eine trotzdem, ob anerzogen oder oder gebildet oder … also auf jeden Fall ist das Teil der Entwicklung ge- wesen, dass man … dass man diese große Nähe zu diesen Staaten hat in Osteuropa, im heutigen Osteuropa und dass man … man hat sich zum Beispiel auch mit der Kultur be- schäftigt. Also jemand, der normal in die Schule gegangen ist, zehnte Klasse in der DDR, der wusste, dass es in Rumänien, dass es da in Siebenbürgen eine deutsche Exklave gab. Man wusste, wie die Trachten aussehen, man wusste, was die für Tänze haben, was die für Sprachen sprechen, wie das sozusagen gewachsen ist.
Also man kannte sich im Ostblock fast so gut aus wie in der DDR selber. Deswegen hat man auch dort eine große Nähe gespürt zu den Leuten. Das ist bis heute so und … und das andere, das war ein anderer Planet. Also das war noch nicht mal im Denken in der gleichen Welt. Das war wirklich außen, so weit weg wie der Mond.
Manuela Klitzsch 00:30:46–00:36:08

Unbekannte Nachbarn?
Vietnamesische Diaspora in Chemnitz und der Region - Teil II
Projekt im Rahmen der TUCculture 2025

Leitung: Theo Döppers, M.A.
Studentische/Wissenschaftliche Hilfskräfte: Quỳnh Nhu Đinh, Quỳnh Lê Nguyễn


Mehrsprachigkeit in narrativ-biographischen Interviews
Leitung: Dr. Susanne Siebholz
Studentische/Wissenschaftliche Hilfskräfte: Heidi Hupfer, N.N.
Das Projekt wird durch die TU Chemnitz im Rahmen des zentralen Zusatzbudgets Projektakquise gefördert.
Ziel und Gegenstand
Das Projekt „Mehrsprachigkeit in narrativ-biographischen Interviews“ dient der Vorbereitung der professionellen Sprachmittlung (Dolmetschen, Übersetzen), die in einem geplanten Forschungsvorhaben zum Thema „ Bildungsbezogene Haltungen und Strategien von geflüchteten und immigrierten Jugendlichen in Hilfen zur Erziehung “ erforderlich sein wird.
Gegenstand des Projekts ist die reflexive Auseinandersetzung mit mehrsprachiger Forschungspraxis mit besonderem Fokus auf narrativ-biographischen Interviews. Zu diesem Zweck werden folgende Arbeitspakete umgesetzt:
- die Recherche und Aufbereitung des aktuellen Forschungs- und Arbeitsstandes zum Thema Mehrsprachigkeit innerhalb der qualitativen Sozialforschung,
- eine vorbereitende, inhaltliche Konsultation von lokalen Sprachmittler*innen,
- die Durchführung, Transkription und Übersetzung eines mehrsprachigen Probeinterviews mit Unterstützung durch eine:n Sprachmittler:in sowie
- ein Workshop mit einer:einem Forscherin:Forscher mit Erfahrungen in mehrsprachiger Interviewforschung.
Mit dem Workshop sollen neben Input und Beratung für das geplante Forschungsprojekt auch der Austausch und die Vernetzung innerhalb der Fakultät zum Thema Mehrsprachigkeit in der Sozialforschung ermöglicht werden.
Hintergrund
Die mehrschrittige Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit im Kontext qualitativer, sozialwissenschaftlicher Forschung dient der Vorbereitung eines Forschungsvorhabens zu bildungsbezogenen Haltungen und Strategien von geflüchteten und immigrierten Jugendlichen in Hilfen zur Erziehung . Ausgangspunkt dieses Vorhabens ist die Beobachtung, dass das Bildungssystem wie auch die Kinder- und Jugendhilfe vor großen Herausforderungen bezüglich der Integration und gesellschaftlichen Teilhabe von zugewanderten und geflüchteten Jugendlichen stehen. Die Herausforderungen beziehen sich sowohl auf die Beratung, Begleitung und Gestaltung der Bildungsverläufe der Jugendlichen, als auch auf die Identifizierung und Veränderung von diskriminierenden, benachteiligenden Strukturen.
Zu diesem Forschungsthema habe ich gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrike Deppe (Leitung), Jun.-Prof. Dr. Barbara Gross und Vertret.-Prof. Dr. Ulf Bohmann im April 2024 einen Vollantrag beim BMBF (Förderlinie „Integration durch Bildung“) eingereicht. Das Verbundvorhaben steht unter dem Titel „Integration durch Bildung für immigrierte und geflüchtete Jugendliche in den Hilfen zur Erziehung“ (ImmEr).
Während die anderen Teilprojekte dieses Projektverbunds den Blick auf Schule, Verwaltung sowie außerunterrichtliche und -schulische Bildungsangebote richten, steht in meinem geplanten Teilprojekt 2 die eigene Perspektive der migrierten Jugendlichen in Erziehungshilfen im Mittelpunkt. Die Fragestellung richtet sich darauf, anhand von biographischen Erzählungen die bildungsbezogenen Stärken und Ressourcen der Jugendlichen zu identifizieren und entsprechende Handlungsbedarfe und -optionen abzuleiten. Als empirische Basis sollen narrativ-biographische Interviews mit Jugendlichen mit Flucht- und Migrationserfahrungen in Hilfen zur Erziehung durchgeführt werden. Das Ziel der Vorarbeiten im Projekt „Mehrsprachigkeit in narrativ-biographischen Interviews“ ist es daher, die Herausforderungen der Mehrsprachigkeit angemessen zu antizipieren, die sich insbesondere in diesem Teilprojekt 2 zu den Biographien migrierter Jugendlicher in Hilfen zu Erziehung stellen werden.


