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Pressemitteilung vom 11.01.2002

Chemnitzer Politologe unterstützt Bundesverfassungsgericht

Chemnitzer Politologe unterstützt Bundesverfassungsgericht
Sachverständiger Eckhard Jesse erwartet gespannt den NPD-Verteidiger Horst Mahler

Der im Jahr 2000 von Bundeskanzler Gerhard Schröder propagierte "Aufstand der Anständigen" gegen rechte Gewalt ist nun eine Sache des Bundesverfassungsgerichtes. Vom 5. bis 7. Februar und vom 19. bis 20. Februar 2002 wird in Karlsruhe über das Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) verhandelt. Als Sachverständigen hat das Gericht dazu den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Eckhard Jesse von der TU Chemnitz eingeladen. "Meine Aufgabe wird sein, gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftlern über die Glaubwürdigkeit der von der NPD vorgebrachten Aussagen zu befinden", so der deutschlandweit führende Experte auf dem Gebiet der Extremismusforschung. Nach der Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wäre die NPD die dritte Partei in der deutschen Nachkriegsgeschichte, die verboten würde.

Wegen der Bedeutungslosigkeit der NPD hält Jesse einen Parteiverbotsantrag für unzweckmäßig, wie er soeben in einem Aufsatz der von der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft herausgegebenen "Politischen Vierteljahresschrift" dargelegt hat (Literaturhinweis siehe unten). Gleichwohl sieht er ein Verbot dieser aggressiv-verfassungsfeindlichen Partei als rechtmäßig an. Ihr strategisches Konzept propagiere seit einigen Jahren auch den "Kampf um die Straße".

Besonderes Augenmerk legt der Chemnitzer Politologe als Sachverständiger auf den Hauptverteidiger der NPD, den Berliner Rechtsanwalt Horst Mahler, "ein hochintelligenter Hardliner, ein irrlichternder Wanderer zwischen den Welten mit übersteigertem Geltungsbedürfnis". Eckhard Jesse hat als erster Wissenschaftler ein Porträt über den "Universalextremisten" verfasst, das im aktuellen Jahrbuch "Extremismus & Demokratie" (Literaturhinweis siehe unten) erschienen ist.

Begonnen hatte die politische Karriere Horst Mahlers 1956 in der SPD, aus der er Anfang der sechziger Jahre wegen seines anhaltenden Engagements im kommunistisch unterwanderten Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) ausgeschlossen wurde. Er lernte Andreas Baader und Gudrun Ensslin kennen und wurde 1970 zum Mitbegründer der Roten Armee Fraktion (RAF). Mahler, bis dahin erfolgreich als Wirtschaftsanwalt tätig, ging in den Untergrund und wurde noch im gleichen Jahr nach einem Banküberfall verhaftet. Seine 1971 verfasste Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa" gehörte zum ideologischen Rüstzeug der RAF, bis sich die terroristischen Mitstreiter 1974 von Mahler distanzierten und er sich der maoistischen KPD zuwandte. Nach knapp zehnjähriger Haft wurde Horst Mahler 1980 freigelassen und blieb politisch unauffällig - bis er Ende der neunziger Jahre am anderen Ende des ideologischen Spektrums als Rechtsextremist mit stark antisemitischem Einschlag wieder auftauchte. Während der Verbotsdiskussion trat Mahler im Jahr 2000 in die NPD ein und vertritt dort äußerst militante Positionen. Nach dem terroristischen Anschlag auf das World Trade Center verbreitete er am 12. September 2001 folgende Einschätzung über das Internet: "Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind - weil sie vermittelt durch die Medien den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten - eminent wirksam und deshalb rechtens."

Obwohl die NPD den islamistischen Terror offiziell verurteilte, hielt sie an Horst Mahler als ihrem Prozessvertreter fest. Das könnte sich nach Ansicht Professor Jesses als krasse Fehlentscheidung erweisen: "Vielleicht trägt Mahler durch seine Rabulistik gerade zum juristischen Sieg der Bundesregierung bei. Wieso sich die NPD den scharfmacherischen Mahler als Verteidiger auserkoren hat, ist ein Rätsel. Sie muss damit rechnen, dass sich die als Entlastung gedachten Stellungnahmen zu den Verbotsanträgen als Belastung entpuppen." Jesse erwartet den Abschluss des Verfahrens gegen die NPD noch im ersten Halbjahr 2002.

(Autor: Alexander Friebel)

Weitere Informationen gibt Prof. Dr. Eckhard Jesse, Professur Politikwissenschaft II der TU Chemnitz, unter Telefon (03 71) 531 39 24 oder E-Mail eckhard.jesse@phil.tu-chemnitz.de

Literaturhinweise:

Das Horst Mahler-Porträt ist erschienen in

Uwe Backes, Eckhard Jesse: Jahrbuch Extremismus & Demokratie. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, Band 13 (2001), S. 183-199. ISBN 3-7890-7550-7 ("Biographisches Porträt: Horst Mahler").

Die Einschätzung zur Frage nach dem NPD-Verbot ist erschienen in

Politische Vierteljahresschrift. Zeitschrift der deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 42. Jahrgang (2001), Heft 4, S. 683-697. ISSN 0032-3470 ("Soll die Nationaldemokratische Partei Deutschlands verboten werden? Der Parteiverbotsantrag war unzweckmäßig, ein Parteiverbot ist rechtmäßig").