"Kein Spielraum mehr beim Stellenabbau"
Der Rektor der TU Chemnitz, Prof. Dr. Arnold van Zyl, fordert mehr Weitsicht der Politik im Wettbewerb der Hochschulen um Drittmittel und kluge Köpfe
"Wer die aktuelle hochschulpolitische Debatte im Freistaat Sachsen verfolgt, stellt schnell fest, dass widersprüchliche Betrachtungsweisen überwiegen", sagt Prof. Dr. Arnold van Zyl, Rektor der Technischen Universität Chemnitz. "Da wird auf der einen Seite gern die bundesweite Spitzenposition der sächsischen Universitätsprofessoren beim Einwerben von Drittmitteln betont, auf der anderen Seite steht Sachsen laut Information des Statistischen Bundesamtes bei den Ausgaben pro Uni-Professor im Bundesländervergleich auf dem vorletzten Platz", so der Rektor.
Die TU Chemnitz hat im vergangenen Jahr etwa 75,6 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben, das sind 12,8 Millionen mehr als im Vorjahr. Dieser hohe Wert entspricht nahezu dem vom Freistaat der TU Chemnitz zugewiesenen Jahresbudget von 75,9 Millionen Euro. Drittmittel ermöglichen es der Universität, Forschung auf hohem wissenschaftlichen Niveau und mit breitem Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft zu betreiben. "Doch was nützt es uns, wenn wir die Drittmitteleinnahmen enorm steigern und damit mehr kluge Köpfe an unsere Universität und in die Stadt holen, wenn die Mehrkosten für räumliche Unterbringung und Drittmittelverwaltung nicht ausgeglichen werden", so der Rektor. Immer größer werde zudem die Herausforderung, die Ergebnisse der Drittmittelforschungsprojekte möglichst schnell in die Lehre zu integrieren. "Wir müssen die Zielerreichung und Drittmittelakquise an den Hochschulen mit einem Bonussystem koppeln, das den Hochschulen mehr Spielräume für ihre Weiterentwicklung in einem immer stärker werdenden Wettbewerb um Gelder und Köpfe eröffnet", fordert Prof. van Zyl.
Hinzu komme der von der Staatsregierung auferlegte Stellenabbau an den sächsischen Hochschulen. "Auch wenn es der TU Chemnitz in den Jahren 2014 und 2015 noch gelingt, den vom Land geforderten Abbau von insgesamt 28 Stellen ohne eingreifende Strukturenmaßnahmen im akademischen Bereich zu vollziehen, ist in anderen Bereichen wie der Universitätsverwaltung und Ausbildung die Schmerzgrenze längst erreicht", sagt Prof. van Zyl und ergänzt: "Unsere Fähigkeit, Drittmittel zu akquirieren beziehungsweise auf hohem Niveau zu halten, wird drastisch eingeschränkt." Die Hochschulen in Sachsen hätten keinen Spielraum mehr beim Stellenabbau. "Bereits ein Blick an die Universität Leipzig, wo es schwere Einschnitte in der Pharmazie, Theaterwissenschaft und Archäologie geben wird, zeigt, welche verheerenden Folgen die Sparvorgaben aus Dresden bereits jetzt haben", fügt der Chemnitzer Rektor hinzu.
Auch der Blick in die jüngste Geschichte der TU Chemnitz macht deutlich, wie fatal derartige Entwicklungen sein können. Trotz großer Proteste in der Region hat der Freistaat Sachsen ab 1997 die Lehrerausbildung an der TU Chemnitz komplett eingestellt. 16 Jahre später wurde hier die Grundschullehrerausbildung nahezu aus dem Nichts heraus wieder völlig neu aufgebaut. "Derartige Wege sind sehr teuer und dem Steuerzahler schwer zu vermitteln", so der Rektor.
Noch ein Problem kommt auf die Hochschulen zu - auch in Sachsen: Mit einer größer werdenden Welle von Bachelorabsolventen wächst die Nachfrage nach Masterplätzen - und mit ihr die Sorge, keinen zu bekommen. "Vor diesem Hintergrund müssen attraktive Masterstudienangebote und die dafür bestehenden Kapazitäten an unseren sächsischen Hochschulen aufrechterhalten werden", fordert Prof. van Zyl. Dies müsse auch vor dem demografischen Hintergrund geschehen, um Wanderungsgewinne bei Studierenden innerhalb Deutschlands und eine Zunahme von Studienanfängern aus dem Ausland zu erreichen.
Mario Steinebach
04.02.2014