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Von Sachsen nach Afrika: Kunstrasen für die Fußball-WM

Forscher der TU Chemnitz waren an der Entwicklung eines Einstreugranulats für Kunstrasenbeläge in Sportstadien beteiligt, das auch bei der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika zum Einsatz kommen soll

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Dezente Optik, große Wirkung: Sandra Gelbrich präsentiert das Granulat, das die Spieleigenschaften des Kunstrasens verbessert. Foto: Christina Wagenbreth

11. Juni 2010: Anpfiff des Eröffnungsspiels der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Es beginnt die erste Fußball-WM auf afrikanischem Boden und zum ersten Mal bei einer WM könnten die 22 Spieler auf einer Kunstrasenfläche dem Ball hinterher jagen. Mit dabei sein soll ein Produkt aus Sachsen: ein Kunstrasensystem, in dem Einstreugranulat eingesetzt wird, das mit wissenschaftlicher Betreuung durch die Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung der TU Chemnitz in Zusammenarbeit mit der Mülsener Recycling- und Handelsgesellschaft (MRH) entstand. Erste Anwendung fand das Granulat bei der Firma Polytan GmbH, die es in ihrem Kunstrasensystem einsetzt. Vom Weltfußballverband FIFA wurde dieses System mit der begehrten FIFA 2-Star Zertifizierung ausgezeichnet. Einsatz findet es heute schon in mehreren Fußballstadien - unter anderem im Red Bull Stadion in Salzburg, im Stade de Suisse in Bern sowie auf dem Platz der Einheit im sächsischen Freiberg.

Der Einsatz von Kunstrasen ist sinnvoll in Klimagebieten, in denen natürlicher Rasen aus wirtschaftlichen oder ökologischen Gründen ungeeignet ist. Das Klima hat auch in Freiberg den Ausschlag dazu gegeben, dass im Oktober 2006 das Nebenfeld des Platzes der Einheit mit Kunstrasen ausgestattet wurde. "Freiberg ist ein gutes Stück höher gelegen als zum Beispiel Chemnitz, deshalb ist es hier im Winter noch mal rund fünf Grad kälter. Der Naturrasen auf dem Hauptplatz ist von November bis April und bei schlechter Wetterlage gesperrt. Dann kommt nur der belastbarere Kunstrasen zum Einsatz und der echte Rasen wird geschont", erklärt Kai Dittrich, Spieler des BSC Freiberg. Außerdem hätten die geringeren Pflegekosten eine Rolle gespielt, als in Freiberg die Entscheidung für den Kunstrasenplatz fiel, der vor allem für Trainings- aber auch für Wettkampfspiele genutzt wird.

Erst seit 2005 lässt die FIFA Kunstrasenbeläge in Fußballstadien zu. Um Schwingungen und Stöße abzufedern, wird in Kunstrasen Gummigranulat eingestreut. Bisher wurde dafür neues Kunststoffgranulat verwendet - durch eine Entwicklung der Forscher der TU Chemnitz und des Mülsener Unternehmens MRH kommt jetzt immer häufiger Recyclinggummi zum Einsatz, das schon ein Leben als Auto- oder LKW-Reifen hinter sich hat. Dieses Verfahren ist nicht nur eine umweltfreundliche, sondern auch eine wirtschaftliche Alternative zu den bisher üblichen Neugummigranulaten: Je nach System kommen 40 bis 90 Tonnen Granulat auf einem standardmäßigen Fußballfeld zum Einsatz. Wird das Recyclinggranulat eingesetzt, so sinken die Kosten auf die Hälfte im Vergleich zur Neuware. Durch das Granulat wird versucht, die Spieleigenschaften eines natürlichen Rasens bestmöglich nachzubilden, so dass der Ball möglichst optimal rollt bzw. springt. Das Reibungsverhalten des Einstreugranulats und das Nachgeben beim natürlichen Drehmoment vermeiden zudem Verletzungen. "Als Spieler nimmt man das Granulat kaum wahr. Es dämpft etwas und ist dadurch besser für die Gelenke", erzählt Dittrich, der mit den Spieleigenschaften des Kunstrasens auf dem Freiberger Platz sehr zufrieden ist.

Alleine in Deutschland werden Jahr für Jahr mehr als 600.000 Tonnen Reifen ausgemustert. Deren Recycling gestaltet sich jedoch aufgrund der Materialeigenschaften schwierig. Deshalb stapelten sich in der Vergangenheit alte Reifen auf Deponien oder sie wurden verbrannt. Eine Alternative ist, die Gummireifen zu granulieren bzw. zu mahlen. Dadurch entstehen kleine Partikel mit einer großen Oberfläche. Bisher wurden diese in der Regel in gebundener Form als Laufbahnen oder Fallschutzmatten eingesetzt. Werden sie jedoch in loser Form genutzt - etwa als Einstreugranulat in Kunstrasen - so bleibt ihre große Oberfläche erhalten. Das Problem dabei ist, dass sich durch die große Oberfläche die Gefahr verstärkt, dass Schadstoffe - zum Beispiel Zink - ausgewaschen werden. Daraus ergibt sich der Hintergrund des Forschungsprojekts der TU Chemnitz und der Mülsener Recycling- und Handelsgesellschaft. Gesucht war eine Beschichtung für die Granulatpartikel. Sie soll den Austrag von Schadstoffen vermindern. "Vor allem die gesundheitliche Unbedenklichkeit ist wichtig, da die Spieler das Granulat häufig nach dem Spiel in Kleidung und Schuhen vom Platz tragen", berichtet Dittrich. Es gab aber noch weitere Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt: Es sollte umweltfreundlich und seinerseits recyclingfähig sein, musste langzeitbeständig und dauerelastisch sowie weitgehend wasser- und gasundurchlässig sein. Außerdem sollte der typische Gummigeruch reduziert werden. Ferner durften die einzelnen Partikel nicht verkleben, sondern mussten rieselfähig bleiben und sollten je nach Kundenwunsch farblich gestaltet werden.

Gefördert wurde das Projekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Das Ergebnis der Forschung ist eine Beschichtung aus einem Bindemittel auf der Basis des Kunststoffs Polyurethan. Sie umhüllt jeden einzelnen Partikel fünf bis 35 Mikrometer dick. Diese Beschichtung entspricht allen Anforderungen und erfüllt alle relevanten DIN-Normen, sowohl zu den Umweltanforderungen als auch die Ansprüche an entflammbare Baustoffe. Außerdem konnten die thermischen Eigenschaften so verbessert werden, dass die Aufheizung der Partikel durch Sonneneinstrahlung gering ist. Das neue Material ist weitgehend dauerhaft elastisch, abriebfest, hält der Witterung stand und die Beschichtung haftet gut an der Granulatoberfläche. Zudem kann es je nach Wunsch eingefärbt werden und ist zu hundert Prozent recyclingfähig. Als Patent angemeldet, trägt es jetzt den Namen SOCCgran PG 0520/1525. SOCC steht dabei für Soccer, gran für Granulat, P für Polyurethan, G für die gewünschte Farbe (in diesem Fall Grün) und die Zahlen 0520/1525 bezeichnen die Körnung.

Weitere Informationen erteilt Sandra Gelbrich, Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung, Telefon 0371 531-32192, E-Mail sandra.gelbrich@mb.tu-chemnitz.de.

(Quelle: TU-Spektrum 1/2008)

Katharina Thehos
28.04.2008

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