Im Kampf gegen reale und gefühlte Grenzkriminalität
Workshop der Sächsisch-Tschechischen Hochschulinitiative zog 30 deutsche und tschechische Studierende ins Grenzgebiet
Vom 14. bis zum 17. Januar 2011 fand im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet ein gemeinsamer Workshop 30 deutscher und tschechischer Studierender zur Aufarbeitung eines brisanten Themas statt: Grenzkriminalität steht zunehmend im Fokus des öffentlichen Interesses. "Im Vorfeld des Workshops haben wir die themenbezogene Presselandschaft in der Region beobachtet. Das Bild, das dabei entstand, war ernüchternd", sagt der Chemnitzer Student der Europa-Studien Manuel Haag. Die Medienerzeugnisse suggerierten einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erweiterung des Schengen-Raumes auf die Tschechische Republik, einem Abbau der Sicherheitsorgane auf beiden Seiten und dem Anstieg der Kriminalität im grenznahen Raum. Da dies Auswirkungen auf das interkulturelle Zusammenleben der Bewohner der Region hätte, galt es, diesen Trend kritisch zu hinterfragen.
"Der thematische Impuls erreichte die Sächsisch-Tschechische Hochschulinitiative diesmal aus dem Sächsischen Landtag", erläutert Ilona Scherm (Sächsisch-Tschechische Hochschulinitiative). Es war schließlich die studentische Initiative Europa-Studien e.V., die eine Auseinandersetzung in Form einer Begegnungsveranstaltung mit tschechischen Studierenden vorschlug. In der Konzeption des Workshops hat sich Tagungsleiter Marcus Hornung (Institut für Europäische Studien) daher bemüht, Grenzkriminalität nicht als einseitig-deutsches Problem zu behandeln, sondern interdisziplinär und beidseitig zu analysieren. In Kooperation mit Dr. Milan Jeřábek (UJEP Ústí nad Labem) entstand ein anspruchsvolles Programm, das sowohl deutsche als auch tschechische Gesprächspartner umfasste.
Im ersten Abschnitt des Workshops begaben sich die Studierenden in Dolní Poustevna und Bautzen auf die Suche nach Antworten auf die Frage nach einem realen Anstieg der Grenzkriminalität nach dem Schengen-Beitritt der Tschechischen Republik. Dazu galt es vorerst, sich in Gesprächen mit dem Präsidenten des Landeskriminalamts Sachsen und dem Leiter der Polizei Děčin die Zuständigkeitsabgrenzungen in Fragen der Grenzkriminalität auf beiden Seiten zu vergegenwärtigen. In Folge informierten sich die Studierenden bei Sächsischer Landespolizei, Bundespolizei, Zoll und tschechischer Polizei aus erster Hand über die Kriminalitätsentwicklung im grenznahen Raum. Das dabei entstandene Bild spiegelte den vermuteten Zusammenhang zwischen Schengen-Erweiterung und Anstieg der Kriminalitätsrate nicht bedingungslos wider, interpretierten die verschiedenen Behörden die jeweiligen Statistiken und Tatbestände doch stets unterschiedlich.
Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich dem gefühlten Anstieg der Grenzkriminalität im Raum. Der beiderseitig der deutsch-tschechischen Grenze tätige Journalist Dr. Jaroslav Šonka diskutierte mit den Studierenden grundlegende Probleme der deutsch-tschechischen Berichtserstattung, da in der Hand der Medien ein erheblicher Anteil an der Prägung der Kriminalitätswahrnehmung vermutet wurde. Schließlich führten die Studierenden eine Befragungsübung in Šluknov, Sohland/Sp. und Schirgiswalde durch. Tatsächlich gaben 72 Prozent der Befragten an, Grenzkriminalität sei ein "sehr großes" oder "eher großes" Problem für sie.
Erste Ergebnisse des Workshops wurden schließlich in einer Abschlussdiskussion den Bürgermeistern der Gemeinden Sohland/Sp. und Šluknov, der Landtagsabgeordneten Patricia Wissel und Dr. Christian Kretschmar von der örtlichen Bürgerinitiative Grenzsicherheit vorgestellt. Die angeregte Diskussion zeigte weiteren Handlungsbedarf, etwa in der grenzüberschreitenden Polizeizusammenarbeit, auf. Die Studierenden wurden eingeladen, die Problematik in der Region im Auge zu behalten: "Kommen Sie in einem Jahr wieder und urteilen Sie selbst, ob sich an der realen und gefühlten Grenzkriminalität etwas verändert hat oder nicht", so Matthias Pilz, der Bürgermeister der Gemeinde Sohland/Sp.
Weitere Informationen erteilen Marcus Hornung, Telefon 0371 531- 39253, E-Mail marcus.hornung@phil.tu-chemnitz.de, und Ilona Scherm, Telefon 0371 531- 34503, E-Mail ilona.scherm@phil.tu-chemnitz.de.
(Autor: Marcus Hornung)
Katharina Thehos
18.01.2011