Springe zum Hauptinhalt
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
TUCaktuell
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion 
TUCaktuell Forschung

Ist das Wahlrecht verfassungskonform?

Ab 5. Juni verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die im Herbst 2011 eingeführten Änderungen des Bundeswahlgesetzes - Prof. Gerd Strohmeier bezeichnet das Reformmodell als "beste Alternative"

  • Zu den Forschungsschwerpunkten von Prof. Dr. Gerd Strohmeier gehören Wahlrecht und Wahlsysteme. Foto: privat

Die Partei, die die meisten Stimmen erhält, bekommt die meisten Mandate - so einfach ist das Wahlrecht in Deutschland nicht. Durch den Effekt des sogenannten "negativen Stimmgewichtes" konnte es in der Vergangenheit beispielsweise sein, dass ein Zuwachs an Wählerstimmen zu einem Mandatsverlust im Bundestag führte und umgekehrt. Das sei mit den Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl unvereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht am 3. Juli 2008. Am 3. Dezember 2011 trat deshalb das "Neunzehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes" in Kraft. Ob die darin festgeschriebenen Änderungen ausreichen, um das Gesetz verfassungskonform zu machen, muss jetzt wiederum das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ab 5. Juni 2012 prüft es das Thema in mündlicher Verhandlung. Geklagt haben die Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen sowie 3.063 Mitglieder einer Bürgerinitiative. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Bevor das Änderungsgesetz erlassen wurde, hatten die Bundestagsfraktionen vier verschiedene Entwürfe erstellt. Am 5. September 2011 waren acht unabhängige Sachverständige in den Innenausschuss des Deutschen Bundestages geladen, um diese Entwürfe einzuschätzen. Darunter war auch Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Inhaber der Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich an der Technischen Universität Chemnitz. "Damals habe ich mich für den Gesetzentwurf der Regierungsparteien ausgesprochen, aber Überarbeitungen empfohlen. Ein überarbeiteter Gesetzentwurf wurde später beschlossen", so Strohmeier. Auch im Vorfeld der Verhandlungen am Bundesverfassungsgericht hält der Chemnitzer Politikwissenschaftler an seiner Einschätzung fest: "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das mittlerweile beschlossene Reformmodell von allen eingebrachten Gesetzentwürfen die beste Alternative war. Es reduziert den Effekt des negativen Stimmgewichtes auf verfassungsrechtlich vernachlässigbare Ausnahmefälle, es vermeidet gravierende verfassungsrechtliche und politische Probleme der anderen Reformmodelle und es greift so wenig wie möglich in die Strukturen und Funktionsmechanismen des Wahlsystems ein, das über 50 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wurde", sagte Strohmeier am 31. Mai 2012 im Rahmen eines Pressegesprächs im Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundestages.

Die Veränderungen des Gesetzes führen dazu, dass künftig in jedem Bundesland die Volksvertreter für den Bundestag separat gewählt werden. Das jeweilige Sitzkontingent richtet sich nach der Zahl der Wähler. "Man mag einige Punkte des neuen Gesetzes kritisch sehen, aber grundsätzlich gibt es keine bessere Alternative. Die von den anderen Fraktionen eingebrachten Entwürfe sind entweder verfassungswidrig oder haben gravierende politische Nachteile. Die Vorschläge von Bündnis90/Die Grünen und von den Linken etwa würden dazu führen, dass der föderale Proporz massiv verzerrt würde und Landeslisten unter Umständen gar keine Abgeordneten mehr entsenden könnten", erklärt Strohmeier.

"Ob das aktuelle Gesetz nun verfassungskonform ist oder nicht, kann natürlich nur das Verfassungsgericht entscheiden. Aber ich bin guter Dinge und ziemlich sicher, dass es entweder gar nichts beanstanden wird oder nur marginale Änderungen fordert", so Strohmeier. Denn das Gericht selbst habe in seinem Urteil aus dem Jahr 2008 die nun umgesetzte Änderung als eine von drei möglichen Alternativen vorgeschlagen. "Das Herzstück der Wahlrechtsreform ist ein Vorschlag des Gerichtes. Wenn es dennoch Änderungen fordert, müsste nachgebessert werden - und das zeitnah vor der nächsten Bundestagswahl", so der Politikwissenschaftler.

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Telefon 0371 531-37612, E-Mail gerd.strohmeier@phil.tu-chemnitz.de.

Katharina Thehos
01.06.2012

Mehr Artikel zu:

Alle „TUCaktuell“-Meldungen
Hinweis: Die TU Chemnitz ist in vielen Medien präsent. Einen Eindruck, wie diese über die Universität berichten, gibt der Medienspiegel.

  • Skulptur der Justizia vor einem Gebäude

    Schulterschluss für ein Studium der Rechtswissenschaften an der TU Chemnitz

    Neue Website der TU Chemnitz zeigt, dass sich Vertreterinnen und Vertreter aus der Justiz, der Anwaltschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft einig sind, wie man in Chemnitz durch neue Studienangebote in den Rechtswissenschaften dem zunehmenden Bedarf an Juristinnen und Juristen in Sachsen wirkungsvoll begegnen kann …

  • Drei Männer stehen nebeneinander. Ein Mann in der Mitte hält eine Urkunde in den Händen.

    Peter Bernshausen ist neuer Kanzler der TU Chemnitz

    Mit der Bestellung durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus übernimmt Peter Bernshausen ab 1. November 2024 die Leitung der Zentralen Universitätsverwaltung …

  • Grafik mit Vernetzungssymbolen

    Tag des wissenschaftlichen Nachwuchses am 28. November 2024

    Der „Tag des wissenschaftlichen Nachwuchses“ der TU Chemnitz steht in diesem Jahr im Zeichen der vielfältigen Wege zur Promotion und zu unterschiedlichen Karriereoptionen nach der Promotion – Kostenfreie Teilnahme ist nach Online-Anmeldung möglich …

  • Blick auf ein buntes Bild an einem Gebäudeanbau.

    Neue Kunst im „Erfenschlag“

    Studierende und Beschäftigte der TU Chemnitz schufen durch Malen auf dem Wasser ein Kunstwerk, das nun einen Gebäudeanbau auf dem Gelände des südlichsten Uni-Standorts ziert …