Zum aktuellen Adventskalender

Postmeilensäulen im Erzgebirge


Postsäule von Geyer

Nach Chemnitz 6 Stunden! ?
Nach Stollberg 4 Stunden! ?
Nach Leipzig 24 Stunden! ?

Mit dem Auto? Mit dem Zug? Zu Fuß?

Nein, stimmt alles nicht, mit der Postkutsche!

Im letzten Jahr zur Adventszeit war es, in Zwönitz, auf dem Weihnachtsmarkt. In unmittelbarer Nähe der Pyramide steht eine Postmeilensäule! Das Interesse war geweckt und der Bezug zum 1999-iger Adventskalender nicht so abwegig. Und das erste Foto war nun auch schon vorhanden.
Dieses technische Denkmal, als solches kann man es durchaus bezeichnen, ist nicht das einzige seiner Art. Mancher hat auch anderenorts solcherart Säulen bemerkt - aber auch schon etwas intensiver betrachtet?

Beim näheren Betrachten fallen folgende Dinge auf:
Es gibt einen einheitlichen Aufbau in Bezug auf die Beschriftung, das Postsymbol, das Wappen, die Jahreszahl. Ist auch die Größe einheitlich, in Form eines Obelisken? Das verwendete Material?

Die Jahresangaben auf solchen Postmeilensäulen beziehen sich zumeist auf die zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts, also 1723, 1727, ... Dies scheint ein Hinweis auf die Entstehungszeit zu sein.

Postsäule von Zwoenitz


Postmeilensäule von Jöhstadt Postmeilensäule von Thum (Wappen)
Postmeilensäule von Jöhstadt Postmeilensäule von Thum (Wappen)

Das Wappen sieht sächsisch aus! Doch es sind immer zwei unterschiedliche Wappen, die farbenprächtig auf jeweils einer Säule, in Gold eingefaßt, zu sehen sind. Rot/Weiß und der Adler deutet auf Polen hin und dem ist so. Es gab eine Zeit, in der sowohl Sachsen als auch Polen dem gleichen Herrscher untertan waren. Ende des 17. Jahrhunderts und Anfangs des 18. Jahrhunderts war dies der Fall, Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen  war unter dem Namen August II. auch einige Zeit König von Polen, besser bekannt als August der Starke. Unter seiner Herrschaft scheinen diese Postmeilensäulen entstanden zu sein. Ein weiterer Hinweis sind die auf jeder Säule enthaltenen Initialen Augusts des Starken.

Im Zuge der verkehrstechnischen Erschließung Sachsens beauftragte der Kurfürst den Beamten Adam Friedrich Zürner mit der Vermessung sowie dem Aufstellen solcher Wegemarkierungen.
Ergänzt wurden diese Postmeilensäulen, auch als Postdistanzsäulen bezeichnet, durch sogenannte Halb- und Viertelmeilensteine. Exemplare dieser etwas kleineren Markierungen sind an der B95 im der Gemeinde Schönfeld sowie zwischen Schönbrunn und Wolkenstein zu finden. Wer mit dem Auto Richtung Annaberg fährt sollte seinen Beifahrer ;-) bitten, auf der rechten Fahrbahnseite in Nähe der Bushaltestelle auf eine solche kleinere Säule zu achten.


Meilenstein in Chemnitz Meilenstein in Schönfeld
Meilenstein in Chemnitz Meilenstein in Schönfeld

Interessant finde ich auch die Orts- und Entfernungsangaben. Eine Angabe von 4 1/2 Stunden um von Thum nach Chemnitz zu kommen halte ich für recht exakt. Übertroffen wird natürlich diese Zeitangabe durch die 63 Stunden von Jöhstadt nach Berlin - Staus scheint es damals noch nicht gegeben zu haben - oder "2 St. 5/8" für die Strecke vonThum nach Wolkenstein. Hier fällt die Schreibweise von Wolkenstein auf, wie auch folgende Ortsangaben: Sebastiansberg, Zollhaus, Claffenbach, Hoff. Stattliche, teilweise recht gut rekonstruierte, Postmeilensäulen sind neben denen in Thum und Zwönitz auch in Geyer, Jöhstadt, Wolkenstein und anderen Orten zu finden.

Entfernungsangaben auf der Säule in Thum Markt Wolkenstein
Entfernungsangaben auf der Säule in Thum Postmeilensäule auf dem Markt von Wolkenstein

Wie sieht es damit in Chemnitz aus? Hier soll es eine Postmeilensäule gegeben haben, bis gegen 1840 (?) im Bereich des heutigen Falkeplatzes (siehe auch den Adventskalenderbeitrag vom 7. Dezember "Schönau"). Aber eine Halbmeilensäule (oder Viertel- ? ) ist jetzt noch zu finden, an der Kreuzung Hartmannstraße/Bergstraße. Dazu folgendes Zitat [1]: "Röhrsdorf ... Fernverkehrsstraße F95 ... in der Vergangenheit einen Teil der Poststraße (Reitzenhainer Straße) von Leipzig über Chemnitz nach Prag darstellte. 1964 wurde im Grundstück ... die Stütze eines steinernen Gartentisches als Stück des Schaftes einer Ganzmeilensäule entdeckt. 1968 konnte ein Viertelmeilenstein im Grundstück ..., als Beeteinfassung verwendet, geborgen werden. Beide Steine, aus Hilbersdorfer Porphyrtuff gearbeitet ... stammen von dieser alten Poststraße ... Nach Ergänzung dieser Fundstücke sollen beide wieder an der heutigen Leipziger Straße aufgestellt werden."

Und nun etwas Technisches, das vorige ergänzend, aus [2]: "Den Entwurf für die Steine und Säulen lieferte wahrscheinlich Matthäus Daniel Pöppelmann. Die Ganzmeilensäule war als etwa 3,75m hoher Obelisk mit anschwellendem Fuß auf quadratischem Sockel, die Halbmeilensäule als etwa 3m hohe, sich nach oben mäßig verbreiternde Stele, der Viertelmeilenstein als etwa 1,45m hohe Platte mit giebelförmiger Bekrönung konzipiert. Am prächtigsten fiel der Entwurf für die etwa 4,70m hohen Distanzsäulen aus."

[1] Werte unserer Heimat - Karl-Marx-Stadt, Akademie-Verlag, Berlin, 1979

[2] H.Wirth: Tourist-Führer - Technik, VEB Tourist Verlag, Berlin, Leipzig, 1990


Version zum Ausdrucken

© Fotos: Christoph Ziegler (8),
Christoph Ziegler, Die TU-Wichtel im Dezember 1999