Gewerbliches Klöppeln
Auf der Suche nach dem Ursprung der Klöppelspitze in meiner Heimatstadt
Schneeberg lernte ich Frau Esther Ahnert, geb. Matthes, Jahrgang 1928
kennen.
Der Faszination der Spitze erlegen, gründete ihr Großvater, Ernst Julius
Hermann Matthes um 1870 ein Unternehmen der Handklöppelspitze. Ihr Vater,
Martin Walter Matthes, übernahm ab 1923 die Firma. Von 1950 bis 1990
führte Frau Ahnert die Geschäfte weiter.
Um das Unternehmen führen zu können, mußten Ernst Julius Herrmann Matthes
und Martin Walter Matthes den Rat der Stadt Schneeberg um das Bürgerrecht
ersuchen. Ernst erhielt den Bürgerschein am 28. Februar 1867 und Martin am
14. November 1906.
Das Unternehmen kaufte Handklöppelspitzen auf. Einige Spitzen wurden in
einer eigenen Näherei konfektioniert. Von dort aus wurden die Spitzen
bis etwa 1939 in Deutschland und die gesamte Welt versandt.
Die Spitzenfabrikanten hatten es nicht leicht. Es gab etwa 20 derartige
Unternehmen im Erzgebirge, allein 4 in Schneeberg.
Die Erzgebirgische Handklöppelspitzen mußten in aller Welt angepriesen
werden.
Mehrmals in seinem Leben reiste Ernst Julius mit dem Pferdewagen bis
nach Petersburg. Oder er zog mit dem Rucksack über das Land um die Spitzen
aufzukaufen.
Später kauften Faktore in den Orten die Spitzen bei den fleißigen
Klöpplerinnen. Diese fertigten die herrlichen Arbeiten ohne große
Ausbildung, meist nur nach der Überlieferung von Großmutter und Mutter.
Mitte der 30er Jahre gab es einen spürbaren Aufschwung im Spitzenhandel.
Das Unternehmen wurde weltweit bekannt.
Mit Kriegsausbruch mußte das Unternehmen seine Tätigkeit einstellen, konnte
sie nach 1945 wieder aufnehmen.
Der Betrieb beschäftigte überwiegend in Heimarbeit seine eigenen
Klöpplerinnen im gesamten erzgebirgischem Raum. Zweimal jährlich
zur Leipziger Messe stellte der Spitzenbetrieb seine Produkte aus. Über
Vertreter wurde die Ware für das nächste halbe Jahr geordert.
Im Jahre 1972 ging der Betrieb in Volkseigentum über.
Der Beruf des Vertreters wurde abgeschafft.
Die Spitzen wurden nun direkt von den Klöpplerinnen aufgekauft.
Jeder Ort wurde einmal im Monat angefahren. In den Gaststätten kam es zu
großen Treffen. Die Klöpplerinnen erhielten neues Garn, welches genau
abgewogen wurde.
Auf der Messe galt es, die Einkäuferinnen der
volkseigenen Betrieben von den Spitzen zu überzeugen. Aber auch
Kunstgewerbe-Geschäfte konnten die fertigen Spitzen kaufen.
Im Jahre 1980 wurde der Betrieb an den Betrieb der Handklöppelspitze
Schwarzenberg angegliedert. Im VEB Handklöppelspitze wurde ab 1982 eine
zweijährige Lehrausbildung für den Beruf "Handklöpplerin" durchgeführt.
Danach arbeiteten die jungen Frauen in betriebseigenen Studios.
Durch Überalterung ging die Zahl der Heimarbeiter immer weiter zurück.
Ab dem Jahr 1990 wurde der Betriebsteil in Schneeberg nach und nach
aufgelöst. 1992 stellte das Unternehmen der Erzgebirgischen
Klöppelspitzenmanufaktur GmbH aufgrund von Absatzschwierigkeiten seine
Tätigkeit
komplett ein. Derzeit bemüht sich eine neue Eigentümerin in Oelsnitz/Erzg.
um
die Wiederauferstehung des traditionsreichen Unternehmens.
All die Jahre bestand ein sehr enger Kontakt zur Barbara-Uthmann-Schule,
heute Fachschule für Angewandte Kunst, in Schneeberg.
Dort wurden Klöppellehrerinnen und Designerinnen ausgebildet. Diese waren
in den Spitzenbetrieben sehr gefragt. Für Frau Ahnert
stellten die Mustergestalterinnen die Seelen der Betriebe dar.
Neue Muster mußten entworfen, neue Kollektionen erstellt und die Spitzen
an die individuellen Wünsche der Kunden angepasst werden. Das wurde nur
durch die Begabung und die umfassende Ausbildung der Designerinnen möglich.
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