Was ist denn hier los?






   













         
Zum aktuellen Adventskalender

Gewerbliches Klöppeln


[Musterbuch von 1909] Auf der Suche nach dem Ursprung der Klöppelspitze in meiner Heimatstadt Schneeberg lernte ich Frau Esther Ahnert, geb. Matthes, Jahrgang 1928 kennen.
Der Faszination der Spitze erlegen, gründete ihr Großvater, Ernst Julius Hermann Matthes um 1870 ein Unternehmen der Handklöppelspitze. Ihr Vater, Martin Walter Matthes, übernahm ab 1923 die Firma. Von 1950 bis 1990 führte Frau Ahnert die Geschäfte weiter.
Um das Unternehmen führen zu können, mußten Ernst Julius Herrmann Matthes und Martin Walter Matthes den Rat der Stadt Schneeberg um das Bürgerrecht ersuchen. Ernst erhielt den Bürgerschein am 28. Februar 1867 und Martin am 14. November 1906.

Das Unternehmen kaufte Handklöppelspitzen auf. Einige Spitzen wurden in einer eigenen Näherei konfektioniert. Von dort aus wurden die Spitzen bis etwa 1939 in Deutschland und die gesamte Welt versandt.

[Ausschnitt aus dem Musterbuch] Die Spitzenfabrikanten hatten es nicht leicht. Es gab etwa 20 derartige Unternehmen im Erzgebirge, allein 4 in Schneeberg. Die Erzgebirgische Handklöppelspitzen mußten in aller Welt angepriesen werden. Mehrmals in seinem Leben reiste Ernst Julius mit dem Pferdewagen bis nach Petersburg. Oder er zog mit dem Rucksack über das Land um die Spitzen aufzukaufen. Später kauften Faktore in den Orten die Spitzen bei den fleißigen Klöpplerinnen. Diese fertigten die herrlichen Arbeiten ohne große Ausbildung, meist nur nach der Überlieferung von Großmutter und Mutter.

Mitte der 30er Jahre gab es einen spürbaren Aufschwung im Spitzenhandel. Das Unternehmen wurde weltweit bekannt. Mit Kriegsausbruch mußte das Unternehmen seine Tätigkeit einstellen, konnte sie nach 1945 wieder aufnehmen. Der Betrieb beschäftigte überwiegend in Heimarbeit seine eigenen Klöpplerinnen im gesamten erzgebirgischem Raum. Zweimal jährlich zur Leipziger Messe stellte der Spitzenbetrieb seine Produkte aus. Über Vertreter wurde die Ware für das nächste halbe Jahr geordert.


[Messestand in den 50iger Jahren ]

Im Jahre 1972 ging der Betrieb in Volkseigentum über. Der Beruf des Vertreters wurde abgeschafft. Die Spitzen wurden nun direkt von den Klöpplerinnen aufgekauft. Jeder Ort wurde einmal im Monat angefahren. In den Gaststätten kam es zu großen Treffen. Die Klöpplerinnen erhielten neues Garn, welches genau abgewogen wurde. Auf der Messe galt es, die Einkäuferinnen der volkseigenen Betrieben von den Spitzen zu überzeugen. Aber auch Kunstgewerbe-Geschäfte konnten die fertigen Spitzen kaufen. Im Jahre 1980 wurde der Betrieb an den Betrieb der Handklöppelspitze Schwarzenberg angegliedert. Im VEB Handklöppelspitze wurde ab 1982 eine zweijährige Lehrausbildung für den Beruf "Handklöpplerin" durchgeführt. Danach arbeiteten die jungen Frauen in betriebseigenen Studios. Durch Überalterung ging die Zahl der Heimarbeiter immer weiter zurück.

[Klöppelerzeugnisse der Erzgebirgischen Klöppelmanufaktur] Ab dem Jahr 1990 wurde der Betriebsteil in Schneeberg nach und nach aufgelöst. 1992 stellte das Unternehmen der Erzgebirgischen Klöppelspitzenmanufaktur GmbH aufgrund von Absatzschwierigkeiten seine Tätigkeit komplett ein. Derzeit bemüht sich eine neue Eigentümerin in Oelsnitz/Erzg. um die Wiederauferstehung des traditionsreichen Unternehmens.

All die Jahre bestand ein sehr enger Kontakt zur Barbara-Uthmann-Schule, heute Fachschule für Angewandte Kunst, in Schneeberg. Dort wurden Klöppellehrerinnen und Designerinnen ausgebildet. Diese waren in den Spitzenbetrieben sehr gefragt. Für Frau Ahnert stellten die Mustergestalterinnen die Seelen der Betriebe dar. Neue Muster mußten entworfen, neue Kollektionen erstellt und die Spitzen an die individuellen Wünsche der Kunden angepasst werden. Das wurde nur durch die Begabung und die umfassende Ausbildung der Designerinnen möglich.




Version zum Ausdrucken


© Text: Petra Pönisch; Fotos: Petra Pönisch (1, 2), Esther Ahnert (3, 4)
Ralph Sontag, Die TU-Wichtel im Dezember 2000