Adventskalender der TU Chemnitz 2011
In bunten Farben hatt mir mei Mutter schu lang vor Weihnachten de Christmetten in dor St. Wolfgangskirch in Schneebarg geschildert und ich hatt mich deshalb aah überreden lossen, diesmol ze Weihnachten mit in de Schneebarger Metten ze gieh. Früh im viere sei mor nu in dor Christnacht aufgestanden und ham uns mit viel Zähgeklapper in dor kalten Stub schnell agezugn. Mei Mutter hat aah noch is Fanster, wos ganz vereist war, aufgeruppt weil is Turmsinge mit ahärn wollten. Halb fünfe warn mor fertig ahgezugn und gewaschen, un nu gangs fort. Ofn Kirchplatz stand schu ne ugefahr zweehunnert Meter lange Schlang vorm großen Kirchntor. Aber kaum troten mor e paar Minuten mit dort, da stand hinter uns schu wieder su enne lange Schlang.
Ich war domols e Gungel von uhgefahr zah Gahrne und weil ich nun noch dorzu su e klahner Stöppel gewasen bie, tat ich in die Leit när su verschwinden. Naben mir an dor rechten Seit do stand also mei Mutter, drübn an dor linken Seit trot su e gunges Berschel, un hinner uns zwee uhverschamt dicke Weibsen, während vir mir e gunges Freilein mit en Samtmantel stand. Dos se e gunges Freilein war, dos hob ich mir gedacht, weil se schie nach Parfüm gerochen hot. Und weil nu dar Samtmantel dann se ahatt, esu schie wach gewasen is, un weil ich suwiesu noch net ausgeschlofen hatt, hob ich men Kopp an dos wache Hintertal von dan Mantel nahgelahnt und bie dorbei eigenickt.
Of aahmol wachet ich auf, weil ich kaa Luft mehr kriegn kunnt. Ich war eigezwengt wie in enn Schraubstock. Jetzt härt ich "Se habn aufgemacht, es gieht nei! Net esu drängeln!". Is erschte war, ich wollt noch dor Hand von meiner Mutter lange, aber die war nimmer do, rachts und links do standen itze die zwee fetten Weibsen. Tja, itze war sich nun jeder salberscht dor Nächste, und mor mußt nu sah, wie mor am Besten in de Kirch neikomme tat. Je näher mir nu an dos Kirchtor nahkomme sei, umsu enger wursch. Mich klahnes Werschtel wollten die zwee Fetten direkt zermangeln. Aber do sei se fei an 'n Falschen komme. Ich hab mit de Füß rem und nem getraten, daß dan Beeden bestimmt de Hühneraagn geblutt ham. Aber es half alles nischt, is wurd immer enger und enger. Do dacht ich mir, nu mußt du alles of aane Kart setzen, nu haaßts: "Rette sich, wer ka!".
Mir kam e rettender Eifall - ich hob dan gunge Madel, wos vor mir stand, mit allen beeden Händen, su darb ich när kunnt, durch den Samtmantel nei ihrn Hintertal gezwackt. Ich gelaab, dos muss e furchtbarer Schmarz gewasen sei, denn in dan Gewürch un Gedräng hot mor dar ihr Quiecken über allen Lärm drausnaus gehärt. Mit de Arm kunnt se net zerückschlogn, die warn ja eigeklemmt, su hot se haltig mit de Baa ausgeschmissen und doderbei feste mit ihre Steckleschuh dan zwee Dicken an die Schihbaa gebungst. Dodruch hob ich nu erscht emol rachts und links e wing Luft kriegt. Dann hot se mit'n Hintertaal gewackelt und geschüttelt, aber ich hob festgehalten, als gings um mei Labn. Do hot dos Madel mit en Mol eine Kraft gekriegt wie su e Stahbrucharbeiter, denn es is vorwärts gestürmt, wie e Eisbracher im Packeis. Und ich wie e Anhänger dorhinnerhar. Is gang vorwärts und ich hatt Luft. Is war aah nu gar nimmer netig, weiter ze zwicken, denn mit en Mol warsch esu frei un esu luftig im mich rem.
Vor mir do is dos gunge Weibsen noch e paar Schritt weiter gerannt und hot sich ihr schmerzendes Untertal vom Buckel gehalten, dann aber besunn si sich und dreht sich um - und war ich bis dahie von dan vieln Gedrängel blau un rut im Gesicht gewasen, so wur ich nu mit enmol kaasweiß - denn das gunge Freilein wor mei Lehrerin aus dor Schul gewasen. Nabn mir, do lief nu gerode dos gunge Berschel vorbei, wos wahrscheinlich in men Fahrwasser hinter mir aah mir reigerutscht war. Of dan ging nu mei Lehrerin zu und sat zu ne: "Sie Rohling, Sie! Was sind Sie nur für ein Flegel!" Und dann hott se ne aahne gescheiert, die sich fei bestimmt gewaschen hatt. Dar Karl dar stand ganz verdattert do, aber er muß haltig ne ruhige Duldernatur gewasen sei, denn er hat sich garnet gemuckst und is schnell weiter gelofen, wu er gemerkt hot, doß ringsrem de Leit aufmerksam wurn sei.
"Und du mein lieber Kleiner", saat se nu ze mir, "du siehst auch schon ganz weiß aus, dich hat man sicher auch tüchtig gedrängelt - gelt?" Und dorbei strich se mor wach und zärtlich mit dor rachten Hand übern Kopp. Und wie se u reden tat, war aah mein Mutter mit reingedrängelt worn, und die zwee Fraun taten sich erscht mol begrüßen. Weil aber de Leit von allen Seiten vorbei strömten, und weil mor ja aah net su lang traten bleibn kunnt, schu dos mor en Platz noch dorwischen tat, war net viel Zeit gruß zum Dorzehln. Un is dauerte ah net lang, do hatten wir en Platz gefunden, direkt bei dor grußen Kanzel, när is Freilein wollt sich net mit nein de Bänk setzen. Se mahnet, dos se lieber traten bleibn wollt, do könnt mor alles besser überschaue. Ich gelab is war aber e annerer Grund, warem die sich net setzen wollt. De Mettn gang lus, aber ich war de ganze Zeit über mit meinen Gedanken gar net richtig dorbei, und war heilfruh, als mir endlich wieder zer Kirch nausgieh kunnten.
Und ihr könnt mir's fei gelabn, ich bie ah nemmer in de Wolfgangsmetten nei komme, schuh weil ich immer an dos domolige Erlabnis gedacht hob. Lange Zeit hob ich niemanden wos dodervuh gesagt, aber heit, fufzig Gahr später, dorzehl ich dorvu: Verzeih mir drem liebes Freilein vun domols, denn du hattest mich ja unter Schmerzen vorm Dorsticken bewahrt, du aber, liebes gunges Berschel hast mir ne tüchtige Tracht Prügel dorspart!
© nach einem Text von Werner Kämpf, Neustädtel
Ursula Riedel, Die TU-Wichtel im Dezember 2011
Adventskalender der TU Chemnitz 2011