„Es war einmal“, so beginnen viele Märchen. Das gilt auch für die Kindheit des Hobbyschnitzers Martin Stockmann aus Schönbrunn: „Ich bin im Erzgebirge in ländlichen Verhältnissen aufgewachsen. Einen Kindergarten gab es damals nicht. Dafür waren Scheune, Holz und Handwerkszeug vorhanden und da meine Eltern und Großeltern mit der Erziehung nicht zu ehrgeizig waren, hatte ich viel Zeit und Muße für allerlei Beschäftigung mit den Dingen, die eben so da waren.“ Im Umgang mit Messer, Säge, Beil und Stemmeisen machte er sich selbst vertraut. Mit dem Küchenmesser schnitzte er Fische, Schildkröten und andere Tiere. Und so wuchs in seiner Kindheit die Liebe zum Holz und zum Umgang mit Werkzeugen, die bis heute besteht und auch seine berufliche Entwicklung beeinflusste. Denn Martin Stockmann ist nun Abteilungsleiter Experimentelle Mechanik an der Professur Festkörpermechanik der Technischen Universität Chemnitz. „Die Liebe zu Genauigkeit und Ausdauer sind wohl das, was mein Fachgebiet mit meinem Hobby verbindet“, so der 61-Jährige.
Auch wenn er tagsüber an der Uni mehr mit Metallen hantiert, hat er zum Naturwerkstoff Holz eine ganz besondere Beziehung. „Es stecken viele Figuren im Holz, man muss sie nur freilegen. Die schönsten davon sind nicht die statischen Engel, Bergmänner und Stülpner-Figuren, die im Erzgebirge so oft geschnitzt werden. Es sind die wundersamen, schönen Wesen aus der Welt der Märchen und Sagen. Sie erzählen uns Geschichten, die auf seltsame Weise immer in die Zeit passen und uns viel zu sagen haben“, meint Martin Stockmann. 30 Märchenszenen hat er in den vergangenen 15 Jahren in seiner Werkstatt geschnitzt, viele davon aus einem einzigen Stück Lindenholz. Herausforderung und Anspruch zugleich sind für ihn die lebendigen Szenen mit hohem Wiedererkennungswert, in denen viele Details sowie die Proportionen und Bewegungsabläufe von Mensch und Tier stimmen müssen. Um ganz nah am Original zu sein, liest er jedes Märchen noch einmal, bevor er die Szene zeichnet und dann zum Schnitzmesser greift.
Dass er Märchenszenen schnitzt, das wissen nur einige Freunde und Uni-Kollegen. Bei den Kindern einer Schule für Lese- und Rechtschreibeschwäche in Annaberg-Buchholz ist er hingegen ein alter Bekannter und mit seinen Märchenfiguren gern gesehen. Hier hilft er den Kindern, Buchstaben und Laute zu lernen. „Als das `Sch´ an der Reihe war, fand ich kein geeignetes Märchen und habe einfach selbst eins geschrieben“, erinnert sich der Hobbyschnitzer. Es handelt vom Uhu Schuschu, den es mittlerweile nicht nur als kleine Szene gibt, sondern auch in zwei Metern Größe in seinem Garten.
Übrigens: Alle seine Werke sind unverkäuflich. Lediglich die Kinder der Familie Stockmann profitieren von der Schnitzkunst des Vaters: Seine Tochter erhält jedes Jahr zu Weihnachten für die Kirchgemeinde eine neue Krippenfigur und für seinen Sohn schnitzt er hin und wieder Schachfiguren. Bewundern kann man seine lustigen Märchenfiguren dennoch. Die Sonderausstellung „Geschnitzte Märchenszenen“ von Martin Stockmann ist im Mauersberger-Museum an der Hauptstraße 22 in Großrückerswalde OT Mauersberg noch bis zum 2. Februar 2015 zu sehen.