Wenn man mit älteren Chemnitzern über Wittgensdorf redet, kommt über kurz oder lang die Bemerkung: „Ach ja, das war doch das ewig lange Dorf mit den drei Bahnhöfen.“
Es waren nur zwei Bahnhöfe und ein Haltepunkt, und einer der Bahnhöfe gehörte zu einer Nebenstrecke, was dann kurios aussah, wenn das winzige Züglein mit zwei Wägelchen durch das weite Chemnitztal fuhr.
Mit der Wende kam das Ende für die Zugverbindung von Chemnitz nach Rochlitz oder Wechselburg, die Strecke wurde stillgelegt, die Natur in Form von rasch wachsenden Birken holte sich ihr Revier zurück.
Dann kam jemand auf eine geniale Idee: von Chemnitz ausgehend verschwanden die Schienen, der Birkenwildwuchs wurde gerodet und auf der ehemaligen Zugstrecke entstand ein Rad- und Wanderweg.
Es war erstaunlich. Egal zu welcher Zeit man den Baufortschritt des Chemnitztal- Wanderweges besichtigte, man traf immer andere Leute, die ebenso das Baugeschehen besichtigten. Oft genug standen auf beiden Seiten von unpassierbaren Brücken Radfahrer und Wanderer, die es bedauerten, dass der Weg nicht weiterging.
Wir beginnen unsere Radwanderung in Chemnitz an der Schönherr-Fabrik. Der Einstieg ist noch etwas verbesserungswürdig. Wenn man auf der Nordstraße zwischen Schönherr-Park und Schönherr-Fabrik fährt, weist nur ein unschuldiges Schild mit einem Fahrrad und einem Pfeil nach rechts auf den richtigen Weg. Von der Eckstraße findet man einen Weg, der zwischen Garagen und Heizungsrohren entlang führt, aber ohne Hinweis auf den Chemnitztalweg.
Wenig später ist alles klar.
Der Weg führt hier schnurgeradeaus. Linkerhand der Zaun der Schönherr-Fabrik und später von den Firmen Trompetter und SLT. Rechts von uns die hier begradigte Chemnitz.
Ehe wir uns versehen, kreuzen wir den Dammweg, der die Blankenauer Straße und die Chemnitztalstraße verbindet. Noch sind wir zwischen diversen Gewerbe-Ansiedlungen, doch wenig später entfernt sich die Chemnitz und wir fahren durch eine weite Aue.
An der nächsten Straßenkreuzung halten wir ein wenig inne. Wir treffen auf die Bornaer Straße. Rechts grüßt uns die Kirche Glösa vom Kirchberg und und wir sehen auf der anderen Chemnitzseite die Reste des ehemaligen Bahnhofs Glösa.
Wir haben die Straße und eine kleine Brücke passiert und sehen rechts eine stillgelegte Brücke. Jetzt sind wir tatsächlich auf der ehemaligen Zugstrecke und langsam entwickelt sich das Tal zum Tal. Vor uns sehen wir die Autobahnbrücke, die die Flussaue überspannt. Doch wir schauen nicht nach oben. Unter der Autobahnbrücke zweigt ein Weg nach links ab. Hier könnten wir das Chemnitztal verlassen und über einen gut ausgeschilderten Radweg durch Heinersdorf und dann über den Heusteig nach Wittgensdorf oder an der ehemaligen Lungenheilstätte vorbei ins Chemnitz-Center fahren. Allerdings mit etwas mehr Höhenunterschieden.
Wir bleiben auf dem Chemnitztalweg und erreichen die wenig befahrene Heinersdorfer Straße. Auch hier könnten wir nach links abbiegen und würden über einen kurzen steilen Anstieg den Heusteig erreichen. Wir könnten auch nach rechts abbiegen und Draisdorf einen Besuch abstatten. Auf der anderen Straßenseite erinnert fast nichts mehr an den Haltepunkt Draisdorf.
Wir fahren weiter. Hier ist der Weg nicht asphaltiert, sondern gepflastert und das Schild mit der Eule nennt uns den Grund.
Wir gelangen nach Wittgensdorf, passieren das, was vom Unteren Bahnhof übrig geblieben ist. An der Kreuzung mit der Unteren Hauptstraße haben die Wanderer eine Alternative, zum Beispiel zum Schusterstein zu laufen. Linkerhand führen gut ausgeschilderte Wanderwege in den Wald. Wir bleiben auf dem Chemnitztalweg. Hier gehört das Tal der Straße auf der anderen Talseite, den Kleingärtnern und der Chemnitz, die trotz früherer Begradigungen in weiten Bögen verläuft.
Wir sind froh, dass wir nicht auf der Straße fahren müssen, denn dort müssten wir für einen langen Anstieg ordentlich in die Pedale treten. Unser Weg bleibt ohne Höhenunterschiede, obwohl das Tal jetzt deutlich enger wird. So eng, dass der Fluss das gesamte Tal beansprucht. Wir müssen das erste Mal die Chemnitz überqueren.
Die Brücke bestand früher nur aus einem Metallskelett mit den Gleisen und wurde komplett umgebaut. Jenseits der Brücke verschwinden die ehemalige Zugstrecke und unser Weg in einem Tunnel und wir sind froh, dass wir an Fahrradbeleuchtung gedacht haben. Der Fluß passiert linkerhand die engste Stelle des Chemnitztales mit dem Schusterstein. Auf der anderen Seite überqueren wir erneut die Chemnitz und stoßen am Haltepunkt Garnsdorf / Auerswalde auf eine kurzes Stück, wo die Gleise der Zugstrecke erhalten geblieben sind.
Es dauert nicht lange und wir passieren die Straße nach Köthensdorf. Auch hier finden wir Wegweiser, die uns alternative Routen anbieten. Wir bleiben im Chemnitztal, das auch hier recht eng ist und nicht viel Raum bietet außer der Straße, dem Fluss und unserem Weg auf der anderen Talseite.
Kurz vor Markersdorf wechseln wir auf die andere Seite der Chemnitz. Dieses mal über einen schöne alte Steinbrücke.
Wir schauen auf die Uhr und sind erstaunt, wie schnell wir in Markersdorf und damit am Ende der Ausbaustrecke angekommen sind. Jetzt können wir uns entscheiden, ob wir auf dem gleichen Weg zurückfahren, weil es so schön war, oder ob wir links abbiegen und dem Wettinhain von Burgstädt einen Besuch abstatten und die Aussicht vom Taurastein-Turm genießen. Von dort könnten wir über Herrenheide, Wittgensdorf Oberer Bahnhof oder direkt das Chemnitz-Center zurückfahren.
Bemerkung: Der Chemnitztal-Weg ist noch nicht lange offiziell befahrbar. An der Chemnitztal-Straße findet man einige Gaststätten, am Chemnitztal-Weg müssen sich Raststellen erst noch entwickeln.
Die ehemalige Zugtrasse verläuft fast komplett an der westlichen Talseite. Man sollte einplanen, dass diese Talseite sehr schnell im Schatten verschwindet.
Weitere technische Daten zum Chemnitztalradweg gibt es auf www.bahntrassenradeln.de.