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Adventskalender 2017 der TU Chemnitz

Sage vom Kanzelstein

Kanzelstein

Zu Anfange, als Johanngeorgenstadt erbaut wurde, kamen häufig Katholiken herüber und suchten die Lutheraner abfällig zu machen; sie wendeten Alles an, Ueberredung, Versprechungen, Bitten, und, da dieses nichts zu fruchten schien, auch Drohungen, welche sie in der Folge nicht unerfüllt ließen, indem man einigemal Feuer angelegt und manches ruinirt fand. Zu Anfange des Stadtbaues, giengen einst früh Morgens drei Bergleute aus, um die umliegenden Gebirge zu untersuchen, wobei sie sich zugleich des Ruthenschlagens bedienten. Diese kamen nun auch zu dem Felsen, welcher damals höher und stärker gewesen seyn soll; müde und abgemattet setzten sie sich hier nieder, um auszuruhen. Sie erzählten sich manches und unter andern fiengen sie auch an, von dem Baue der Stadt und ihrem Vorhaben zu sprechen und äußerten oft den Wunsch, daß Gott den Katholiken die schwere Sünde vergeben möge, die sie durch so manche Kränkungen an den Lutheranern begiengen. Plötzlich rauschte es hinter ihnen, – erschrocken kehrten sie sich um und sahen einen langen, dicken Mönch aus einem Busche hervortreten, welcher, den Zeigefinger der rechten Hand emporgestreckt, ihnen dreimal winkte. – – Sie geriethen in Verlegenheit und wußten nicht, was sie thun sollten; endlich entschlossen sie sich und giengen näher hinzu, worauf der Mönch langsam auf den Fels gestiegen sei, gleichwie auf einer Treppe, und jeder Tritt seines Fußes hätte eine solche Stufe gebildet, wie man heutiges Tags noch sieht. Von oben herab hätte er nun zu ihnen mit einer schauerlichen, besondern Stimme gepredigt, ihnen Gold und Silber und alles was sie wünschen würden versprochen, wenn sie katholisch würden, aber den Namen Gottes und des Heilands hätte er nie erwähnt. Doch sie blieben standhaft! Wie er endlich anfieng, durch große Verheißungen und glatte Worte ihr Herz zu bestricken, so riefen sie laut in ihrer Angst: »Heiliger Gott, sei uns gnädig und barmherzig!« – Sogleich krachte es fürchterlich, der Mönch verschwand und in der Luft hörten sie ein gräßliches Gewinsel. Getrost und muthig giengen sie zurück und unterweges schon erhielten sie die frohe Nachricht: daß so eben wieder ein reichhaltiger Silbergang gefunden worden sei, welches sie für einen Lohn Gottes ansahen und Danklieder anstimmten, u. s. w.

C. G. Wild, Interessante Wanderungen durch das Sächsische Ober-Erzgebirge.