Aus: Köhler, Sagenbuch des Erzgebirges. Carl Moritz Gärtner, Schneeberg und Schwarzenberg, 1886.
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(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 871–875.)
Im Jahre 1608 hat sich der gute Brunn auf dem Streitwalde bei Niederzwönitz offenbaret, weil er viel Leute gesund machte. Eine Bäuerin aus Kühnheide hat nämlich dieses Brunnens heilsame Kraft durch einen Traum offenbart bekommen, nachdem sie 14 Jahre lang einen bösen Schaden an einem Schenkel gehabt und viel daran ausstehen müssen. Sie hat, als sie nach ihres Traumes Anweisung den Brunnen nicht sogleich finden konnte, viel alte Leute gefragt, ob nicht bevor in dieser Gegend ein gewisser Heilbrunnen vorhanden gewesen oder noch anzutreffen sei. Da habe sie endlich einen hundertjährigen Mann angetroffen und sich bei demselben weiter erkundigt. Derselbe habe die Bäuerin getröstet und ihr angezeigt, daß er den Brunnen wüßte; das Wasser desselben habe schon viele gesund gemacht und es sei deshalb früher an demselben eine Kapelle zu Ehren der heiligen Anna aufgebaut gewesen. Darauf habe er das Weib an den Ort geführt, worauf es auch nach des Brunnens Gebrauch von ihrer Krankheit befreit worden sei.
Im Jahre 1646 ist dieser Gesundbrunnen, der auch der Brunnen zu den drei Tannen genannt wurde, aufs neue in Aufnahme gekommen; jedoch soll derselbe jetzt 12 Lachter höher hinauf seinen Ausfluß gehabt haben. Einem Mägdlein zu Gablenz, so einen Kern im Auge gehabt, träumte, es solle sich zu dem Drei Tannen-Brunnen führen und daselbst sich waschen lassen, so würde es sehend werden. Und da es dem Vater solchen Traum erzählet und inständig angehalten, er möge es dahin führen, habe es den alten Brunnen, dahin sie gelanget, nicht für den rechten Brunnen erkannt, sondern gesagt, es wäre gar ein kleines, frisches Brünnlein. Und da hierauf der Vater seitwärts abgegangen und den neuen Quell in einem morastigen Sumpfe gefunden, hätte er dem Kinde die Augen dreimal mit dem Wasser gewaschen und etwas davon mitgenommen, und da er mit dem Waschen aus diesem Wasser fortgefahren, in der That erfreulich empfunden, daß das Mädchen auf dem Auge wieder sehend wurde. Darauf ist denn ein großer Zulauf der Leute von nahen und fernen Orten entstanden, so daß an manchem Tage wohl vier-, fünf- und mehr hundert Personen auf dem Platze sich befunden hätten, welche das Wasser teils kalt getrunken, teils gewärmet oder Suppen daraus gemachet, teils sich damit gewaschen oder zum Bad gebraucht hätten. Es hat auch seine Kraft und Wirkung an vielen kranken Personen gezeigt.
Die Sage, daß im Jahre 1646 der gute Brunnen aufs neue in Aufnahme gekommen sei, scheint sich auf eine zweite Quelle, welche man nach der Angabe Engelhardts (Erdbeschreibung von Kursachsen, 2. B., S. 219) in dem genannten Jahre fand und Krätzbrunnen nannte, zu beziehen. Die erste Quelle soll bereits 1498 oder 1501 entdeckt worden sein und sich so heilsam gezeigt haben, daß man bei ihr die in der Sage erwähnte Kapelle zu Ehren der heiligen Anna erbaute. Dieselbe ging jedoch bald wieder ein; doch blieb der Name St. Annenbrunnen, aus welchem das Volk später »Tannenbrunnen« oder »Brunnen zu den drei Tannen« machte, weil drei Tannen in seiner Nähe standen. Rings um den Brunnen baute man Hütten und es wurden Predigten und Betstunden bei der Quelle gehalten.