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Adventskalender 2018 der TU Chemnitz

Sagen zum Hans-Heiling-Felsen

Aus: Köhler, Sagenbuch des Erzgebirges. Carl Moritz Gärtner, Schneeberg und Schwarzenberg, 1886.
E-Book auf Gutenberg.org und lokale Kopie.

Die Wassernixe am Hans-Heiling-Felsen.

(Ed. Wenisch in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg., S. 5.)

Hans-Heiling-Felsen

Hinter dem Dörfchen Aich erhebt sich dicht am linken Ufer der Eger eine Felsengruppe, welche den Namen Hans-Heiling-Felsen führt. Über dies Steingebilde meldet die Sage folgendes:

Vor alten Zeiten, als noch die mächtigen Markgrafen von Vohburg Schloß und Gebiet Elbogen beherrschten, fand ein armer Bauer, der auf das Schloß Frondienste zu leisten ging, dort, wo der Hochaltar der Schlaggenwalder Kirche steht, zwischen zwei großen Steinen ein verlassenes weinendes Knäblein. Andere sagen, am Berge Krudum sei dies gewesen, wieder andere, bei den drei Linden, dem heutigen Schönfeld. Von Mitleid ergriffen, hob er es auf und trug es mit sich. Im Schlosse angekommen, begab sich der Bauer sofort zu der Markgräfin Johanna und sprach: »Es ist pflichtiger Gebrauch, beim Erscheinen auf dem Schlosse eine Gabe mitzubringen. Ich habe heute, als ich eben zur Frone hierher ging, dies Kindlein gefunden und biete es Euch als Gabe dar. Möchtet Ihr doch, gnädige Herrin, an dem armen, hülfsbedürftigen Waislein Barmherzigkeit üben und sein besser pflegen als die eigene Mutter!« Die Worte des biederen Mannes erweichten der Markgräfin Herz. Sie nahm sich des Knäbleins an, das auf ihr Verlangen in der Taufe den Namen Hans, nach seinem Finder aber den Zunamen Heiling erhielt.

Hans Heiling wuchs unter dem liebreichen Schutze der Markgräfin zum blühenden Jüngling heran, der an den Wissenschaften, in die ihn der Burgkaplan einweihte, mehr Gefallen fand, als an den Ritterspielen. Er liebte die Einsamkeit, durchstreifte Wald und Flur und beschädigte sich unablässig mit dem Gedanken, den Urgrund aller Wahrheit zu erforschen.

Als er einmal am Ufer der rauschenden Eger saß und gedankenvoll nach dem Wasserspiegel schaute, tauchte aus demselben eine holde Nixe empor, die mit lieblicher, wunderbarer Stimme dem Überraschten zurief: »Ich kenne, wißbegieriger Jüngling, Deines Herzens tiefen Kummer, die schwarze Kunst ist Dein Begehr. Diese will ich Dir lehren, doch nur unter der Bedingung, daß Du Dich nie vermählst.« Hans Heiling, bezaubert durch die vielversprechenden Worte, strahlte vor Freude, daß er nach langem, erfolglosen Forschen endlich sein so heiß ersehntes Ziel erreichen könne, und schloß mit der Wassernixe unbesonnen den Bund. Die Nixe hielt Wort und Hans Heiling wähnte sich der Glücklichste unter der Sonne zu sein, als er des Wissens Drang erfüllt sah. Seit der Begegnung mit der Nixe war manches Jahr verflossen. Da faßte Hans Heiling mit Hintenansetzen seines gegebenen Versprechens den Entschluß, sich zu vermählen; denn er hoffte, selbst auf seine Kunst vertrauend, die Macht des geheimnisvollen Wasserweibes zu hemmen. Unbesorgt veranstaltete er also die Hochzeit. Der Tag der Trauung war erschienen und die Hochzeitsgäste hatten sich in den Räumen des Schlosses versammelt. Schon stand der Brautzug vor dem Traualtare, eben wollte das glückliche Paar das Jawort aussprechen – da stieg plötzlich mit furchtbaren Blicken die erzürnte Nixe aus den tobenden Wellen der Eger, ließ unter Blitz und Donner das Schloß verschwinden und verwandelte durch ihren Fluch die ganze Hochzeitsgesellschaft in Stein: das Brautpaar, den Mönch, die Gäste und die Musikanten.

Friedrich Bernau bemerkt in der Comotovia (4. Jahrg. S. 17), daß die Sage vom Hans Heiling zur Faustsage gehöre und jedenfalls durch diese erst hervorgerufen worden sei. Der in unserer Sage angeführte Berg Krudum, südlich von Elbogen gelegen, ist ebenso wie der Heilingsfels und die Stätte, wo einst Alt-Elbogen lag, von mythischer Bedeutung. Ursprünglich ist Hans Heiling die »heilige Wiese«. Im Archive zu Elbogen befindet sich ein aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts herrührendes Schriftstück, welches besagt: »Daß wißmuth So zum Stein Elpogen gehörig, vff der Heiling wissen 2 tagwergk Machen vnd haven die lethaditzer giebt 2 Fuder hew.« Noch im Jahre 1680 wird eine »heilige Wiese« genannt; der Zusatz »Hans« kommt zu dieser Zeit noch nicht vor, ebenso wie noch heute die Redeweise »Am Heiling« die allgemein übliche und gebräuchliche ist. Die in der obigen Elbogener Urkunde genannten »lathaditzer« sind die Bewohner eines seit dem dreißigjährigen Kriege verschwundenen Dorfes auf dem Nordabhange des Aberges.

Die versteinerte Hochzeitsgesellschaft

Infotafel zur Sage vom Hans-Heiling-Felsen

Informationstafel am Hans-Heiling-Felsen

Übersetzung

nevěsta = Braut
ženich = Bräutigam
páter = Pater, Pfarrer
svědkové = Trauzeugen
muzikanti = Musiker
tchán = Schwiegervater
tchyně = Schwiegermutter
zámek = Schloss

Hans Heilings-Felsen.

(Deutsche Volkssagen. Herausgegeben von den Brüdern Grimm. 2. Aufl. 1. B., No. 329.)

An der Eger, dem Dorfe Aich gegenüber, ragen seltsame Felsen empor, die das Volk »Hans Heilings-Felsen« nennt und wovon es heißt, vor alten Zeiten habe ein gewisser Mann, namens Hans Heiling, im Lande gelebt, der genug Geld und Gut besessen, aber sich jeden Freitag in sein Haus verschlossen und diesen Tag über unsichtbar geblieben sei. Dieser Heiling stand mit dem Bösen im Bunde und floh, wo er ein Kreuz sah. Einst soll er sich in ein schönes Mädchen verliebt haben, die ihm auch anfangs zugesagt, hernach aber wieder verweigert worden war. Als diese mit ihrem Bräutigam und vielen Gästen Hochzeit hielt, erschien mitternachts 12 Uhr Heiling plötzlich unter ihnen und rief laut: »Teufel, ich lösche Dir Deine Dienstzeit, wenn Du mir diese vernichtest!« Der Teufel antwortete: »So bist Du mein!« und verwandelte alle Hochzeitsleute in Felsensteine. Braut und Bräutigam stehen da, wie sie sich umarmen, die übrigen mit gefalteten Händen. Hans Heiling stürzte vom Felsen in die Eger hinab, die ihn zischend verschlang und kein Auge hat ihn wieder gesehen. Noch jetzt zeigt man die Steinbilder, die Liebenden, den Brautvater und die Gäste, auch die Stelle, wo Heiling hinabstürzte.