KoMTI-Anwendungsbeispiel: Mobilität

Alternative Mobilität

Wasserstoffmobilität

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© Franziska Hartwich
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© Isabel Kreißig

Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge gelten neben batterieelektrischen Fahrzeugen als eine nachhaltige Alternative zu konventionell betriebenen Fahrzeugen (Diesel, Benzin) im Kontext der Individualmobilität.

Wasserstoff kann als Treibstoff für eine Vielzahl von Fahrzeugarten genutzt werden, dazu zählen PKW und LKW, aber auch Flugzeuge oder Pedelecs. Ein Vorteil von Wasserstoff- gegenüber batterieelektrischen Fahrzeugen ist die kurze Dauer des Tankprozesses.

Ihren vollen Umweltvorteil entfalten diese Fahrzeuge, wenn sie mit „grünem“ Wasserstoff, also durch Nutzung regenerativer Energiequellen hergestellt, betrieben werden.

Alternative Mobilitätsarten

Vollautomatisiertes Fahren wird als ein Lösungsbaustein im Mobilitätssektor für die drängende Problematik des Klimawandels betrachtet (BMDV, 2019), jedoch nur bei gleichzeitigem Umstieg von konventionellen, privat genutzten Fahrzeugen auf geteilt genutzte vollautomatisierte Fahrzeugformen (Mora et al., 2020).

Die prospektive Untersuchung der gesellschaftlichen Nutzung der Technologie ist daher erforderlich, um Fehlentwicklungen vorzubeugen und ökologisch nachhaltige Nutzungsmuster zu unterstützen (Mora et al., 2020).

Die Abbildung zeigt eine schematische Darstellung des Fahrer-Fahrzeug-Systems.

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Beim konventionellen Fahren kann der Fahrende durch verschiedene Schnittstellen wie z.B. Anzeigen die wichtigen Fahrparameter kontrollieren und über Bedienelemente das Fahrzeug steuern (vgl. Tabelle M1.1-AV-1).

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Tab. M1.1-AV-1: Ausgewählte Schnittstellen mit Funktionen und Variablen

Fahrrelevante Informationen können hierbei auf vielfältige Weise präsentiert und vom Fahrenden wahrgenommen werden (vgl. Tabelle M1.1-AV-2):

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Tab. M1.1-AV-2: Beispiele für Anzeige- und Bedienarten

Schnittstellen müssen so gestaltet sein, dass sie eine korrekte und belastungsarme Aufnahme von Informationen und eine einfache und sichere Führung des Fahrzeugs ermöglichen (vgl. Modul 3).

Mögliche Veränderungen der Fahraufgabe durch die Nutzung von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen (Auswahl):

Wasserstoff-Fahrzeuge werden mit einem anderen Treibstoff und gegebenenfalls auch mit einer anderen Antriebstechnologie (Brennstoffzelle) betrieben. Damit müssen Art und Inhalt der Darstellung betreffender fahrrelevanter Informationen für Manöver- und strategischer Ebene im Zusammenhang mit dem Treibstoff(verbrauch) angepasst werden.

Ein Vorteil von Wasserstoff-Fahrzeugen ist die geringe Geräuschemission. Besonders bei geringen Geschwindigkeiten, bei denen die Abrollgeräusche der Reifen zusätzlich sehr leise sind, könnten durch ein „Überhören“ des Fahrzeugs durch Radfahrende oder Passanten möglicherweise kritische Verkehrssituationen entstehen, die möglichst durch Antizipation durch den oder die FahrerIn vorweg genommen werden sollten. So erhöht sich vor allem in Verkehrsräumen, in denen das Potential für Interaktionen mit verletzlichen Verkehrsteilnehmeden hoch ist (z.B. shared spaces), die Komplexität der Fahraufgabe.

Derzeit ist das Netz von Wasserstoff-Tankstellen noch sehr dünn, was unter bestimmten Umständen die Komplexität der Routenplanung erhöht, die vorrangig der strategischen Fahraufgabenebene zuzuordnen ist.

Wasserstoff ist stark flüchtig und wird mit hohem Druck betankt, wodurch sich das Tanken von Wasserstoff von dem konventioneller Treibstoffe (Diesel, Benzin) unterscheidet. Die veränderte Technologie resultiert sowohl in einer kurzfristige Erhöhung der Komplexität der fahrbegleitenden Aufgabe des Tankens und erfordert auch eine Anpassung und entsprechende Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle.

Durch die starke Flüchtigkeit und hohe Entzündlichkeit von Wasserstoff müssen gegebenenfalls auch die Verhaltensregeln im Fall kritischer Ereignisse, wie beispielsweise bei einem Unfall, auf strategischer Fahraufgabenebene angepasst werden.

Bei Bedarf können auch diese Aufgaben einer Aufgaben- und Tätigkeitsanalyse unterzogen werden, beispielsweise um Konzepte für die Gestaltung der Mensch-Technik-Schnittstelle herauszuarbeiten.

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Wasserstoffmobilität: Wasserstoff-Fahrzeuge

Studie I „Wasserstoff-Fahrzeuge“

Zielstellung war die Untersuchung der Akzeptanz sowie von Erwartungen an das Nutzungserleben von Wasserstoff-Fahrzeugen von potentiell Nutzenden im Allgemeinen sowie im Vergleich zwischen Personen mit viel versus wenig Vorwissen zu Wasserstoff(-Fahrzeugen).

Das Studiendesign und die Eckpunkte der Datenerhebung sind im Folgenden tabellarisch zusammengefasst:

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Die folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse der Befragung hinsichtlich relevanter Akzeptanzfaktoren im Vergleich für Personen mit wenig und viel Vorwissen (Sternchen kennzeichnen signifikante Unterschiede).

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Aus der Abbildung gehen zwei zentrale Ergebnisse hinsichtlich der Akzeptanz von Wasserstoff-Fahrzeugen hervor:

Einschätzungen für wichtige Akzeptanzfaktoren liegen unabhängig vom individuellen Vorwissen in einem eher positiven Bereich.

Im direkten Vergleich der beiden Vorwissen-Gruppen wurden signifikante Unterschiede deutlich, die durch eine bessere Bewertung der Personen mit viel Vorwissen gekennzeichnet waren. So gaben Befragte mit viel Vorwissen eine höhere Einfachheit der Nutzung, eine höhere Nutzungsintention sowie eine noch geringer ausgeprägte Angst in der Interaktion mit Wasserstoff-Fahrzeugen an.

Für erfragte Barrieren und Motivatoren der Nutzung von Wasserstoff-Fahrzeugen zeigten sich…

…umweltbezogene Aspekte als Haupttreiber (z.B. CO2-Reduktion).

…infrastrukturelle Faktoren als Hauptbarrieren (z.B. fehlende Wasserstoff-Tankstellen).

…signifikante Unterschiede zwischen den beiden Vorwissen-Gruppen für einen Großteil weiterer Barrieren und Motivatoren. Personen mit hohem Vorwissen schätzten mögliche Motivatoren (z.B. hohe Sicherheit, erwarteter Fahrspaß) vergleichsweise positiver ein. Die Zustimmung zu möglichen Hemmnissen (z.B. Angst vor Unfällen, mögliche Gefahren durch Wasserstoff-Nutzung) war bei Personen mit wenig Vorwissen höher ausgeprägt.

Für das Stresserleben beim Tanken eines Wasserstoff-Fahrzeugs wurden folgende Ergebnisse gefunden:

eine generell neutrale Bewertung der Tank-Situation sowie hohe Zustimmung für günstige Bewältigungsstrategien (z.B. aktives Informieren über das Tanken von Wasserstoff vorab)

hohes Vorwissen verbunden mit einer neutral bis positiven Einschätzung der Situation und günstigeren Bewältigungsstrategien

wenig Vorwissen verbunden mit einer Einschätzung der Situation als eher herausfordernd bis stressend sowie dem Erwägen eher ungünstiger Strategien (z.B. Vermeidung)

Conclusio

Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich eine Reihe möglicher Maßnahmen für eine hohe Akzeptanz von Wasserstoff-Fahrzeugen im Allgemeinen und insbesondere für Personen mit wenig Vorwissen ableiten, wie zum Beispiel die Vermittlung von Wissen (z.B. Kampagnen, Tutorials), direkte Systemerfahrungen (z.B. Probefahrten) sowie eine konsequent nutzerzentrierte Gestaltung der Schnittstelle zum Menschen.

Weiterführende Informationen:

Wasserstoffmobilität: Wasserstoff-Pedelecs

Studie II „Wasserstoff-Pedelecs“

Zielstellung war die Untersuchung der Effekte einer direkten Systemerfahrung (Testfahrt mit dem Wasserstoff-Pedelec) auf Nutzungserleben und -akzeptanz von Wasserstoff-Pedelecs potentiell Nutzender mit wenig Vorwissen zu Wasserstoff(-Fahrzeugen).

Das Studiendesign und die Eckpunkte der Datenerhebung sind im Folgenden tabellarisch zusammengefasst:

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Die folgenden Abbildungen zeigen den vom Kooperationspartner Vitesco Technologies entwickelten Prototypen des Wasserstoff-Pedelecs, der für die Untersuchung genutzt wurde (links), sowie eine exemplarische Befragungssituation (rechts).

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© Isabel Kreißig
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© Isabel Kreißig

Die folgende Abbildung stellt die Einschätzung zentraler Akzeptanzfaktoren sowie das Sicherheitserleben der Befragten vor und nach der Testfahrt gegenüber (Sternchen kennzeichnen signifikante Unterschiede).

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Die Abbildung macht hinsichtlich der Ergebnisse für zentrale Akzeptanzfaktoren folgendes deutlich:

eine grundsätzlich positive Einschätzung von Wasserstoff-Pedelecs sowohl vor als auch nach der Testfahrt durch Personen mit geringem Wissen über diese Technologie

eine insgesamt bessere Bewertung aller Faktoren mit signifikanten Effekten für eine höhere Einfachheit der Nutzung nach der direkten Systemerfahrung

Für die erlebte Sicherheit zeigte sich ein signifikanter Effekt der direkten Systemerfahrung durch die Testfahrt hin zu einer nochmals besseren Einschätzung.

Die Einschätzungen der Befragten zum Vertrauen in die Technologie lagen sowohl vor als auch nach der Testfahrt in einem eher positiven Bereich.

Für erfragte Barrieren und Motivatoren der Nutzung von Wasserstoff-Fahrzeugen zeigten sich…

…umweltbezogene Aspekte als Hauptmotivatoren (z.B. Verbesserung lokaler Luftqualität).

…fehlende Infrastruktur (z.B. fehlende Wasserstoff-Tankstellen) und vergleichsweise hohe Kosten als Hauptbarrieren (z.B. Anschaffungskosten).

Conclusio

Die Studienbefunde zeigen bereits bei einem geringen Stichprobenumfang signifikant positive Effekte der Testfahrt und deuten damit auf ein vielversprechendes Potential der Schaffung von Möglichkeiten für direkte Systemerfahrungen zur Akzeptanzsteigerung von Wasserstoff-Fahrzeugen für Personen mit wenig Vorwissen im Bereich Wasserstoff(-Fahrzeuge) hin.

Weiterführende Informationen:

  • Kreißig, I., & Bocklisch, F. (2023). Wasserstoff-Pedelec trifft Nutzer*in – Effekte einer Testfahrt auf Sicherheitsgefühl und Akzeptanz eines Wasserstoff-Pedelecs. Poster presented at the 23. Werkstofftechnisches Kolloquium, Chemnitz, Germany. https://doi.org/10.13140/RG.2.2.29608.55047

Alternative Mobilitätsarten

In einer Online-Befragung wurde exploriert, welche Veränderungen der individuellen Verkehrsmittelwahl die Einführung verschiedener, ökologisch unterschiedlich nachhaltiger Formen vollautomatisierter Fahrzeuge erwarten lässt. Dabei sollten vor allem nicht intendierte (d.h. ökologisch nicht nachhaltige) Verkehrsmittelwechsel aufgedeckt und zugrundeliegende Mobilitätsbedürfnisse identifiziert werden.

Das Studiendesign und die Eckpunkte der Datenerhebung sind im Folgenden tabellarisch zusammengefasst:

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In der folgenden Abbildung werden die aktuelle und zu erwartende Verkehrsmittelwahl der Stichprobe unter Verfügbarkeit der drei verschiedenen Typen automatisierter Fahrzeuge verglichen:

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Der Vergleich lässt Verkehrsmittelwechsel zu Lasten der ökologischen Nachhaltigkeit vollautomatisierter Fahrzeuge erwarten – mit zwei ersichtlichen Aspekten:

Umstiege von ökologisch nachhaltigeren Verkehrsmitteln (Laufen, Fahrrad, ÖPNV) auf eine der automatisierten Fahrzeugformen, darunter vor allem private automatisierte Fahrzeuge, welche unter allen Formen die geringsten ökologischen Vorteile aufweisen

Fehlende Umstiegsbereitschaft der Nutzenden privater PKWs auf geteilte automatisierte Fahrzeugformen

Zur Exploration der zugrundeliegenden Mobilitätsbedürfnisse wurden die Versuchsteilnehmenden entsprechend ihres aktuellen Hauptverkehrsmittels in vier Gruppen eingeteilt. Die folgende Abbildung zeigt die Relevanz und erwartete Ausprägung verschiedener Service-Attribute in den drei automatisierten Fahrzeugformen pro Gruppe:

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Die Darstellung verdeutlicht signifikante Unterschiede in den Mobilitätsbedürfnissen und der Wahrnehmung automatisierter Fahrzeuge sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen verschiedenen automatisierten Fahrzeugtypen:

Die Kosten- und Zeiteffizienz eines Verkehrsmittels gehören in allen Gruppen zu den wichtigsten Faktoren bei der Verkehrsmittelwahl.

Dabei legen PKW-Fahrende durchschnittlich etwas mehr Wert auf Komfort und Zeiteffizienz, aber weniger Wert auf Umweltfreundlichkeit als Personen mit nachhaltigeren Hauptverkehrsmitteln.

Private automatisierte Fahrzeuge werden als kostenintensiver, aber auch als komfortabler und zeiteffizienter als geteilte Fahrzeugformen eingestuft.

Die höhere ökologische Nachhaltigkeit geteilter Fahrzeugformen wird im Durchschnitt erkannt, jedoch werden private automatisierte Fahrzeuge von PKW-Fahrenden als nachhaltiger wahrgenommen als von den anderen Gruppen.

Conclusio

Aus den Ergebnissen lassen sich zum Beispiel Wissensvermittlung sowie eine möglichst kosten- und zeiteffiziente Gestaltung geteilter Verkehrsmittel als Ansatzpunkte zur Unterstützung nachhaltiger Nutzungsmuster vollautomatisierter Fahrzeuge ableiten.

Weiterführende Informationen:

  • Heubeck, L., Hartwich, F., & Bocklisch, F. (2023). To share or not to share – Expected transportation mode changes given different types of fully automated vehicles. Sustainability, 15(6), 5056.https://doi.org/10.3390/su15065056