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Europäische Geschichte studieren in Chemnitz
DFG-Projekt "Belliphonie"
Europäische Geschichte studieren in Chemnitz 

Forschungsprojekt:
Der laute Krieg und die Laute des Krieges. Belliphonie im Mittelalter.
   

Projektlaufzeit: 2021 - 2024Logo des Projektes Belliphonie im Mittelalter

Projektbeschreibung:

Kultur und Erfahrungswelt des Mittelalters waren ganz entscheidend durch Krieg und Gewalt geprägt. Kriege waren dabei immer auch akustische Ereignisse, wie sie es bis heute sind. So evoziert z.B. im berühmten ‚Annolied‘, einer frühmittelhochdeutschen Geschichtsdichtung des ausgehenden 11. Jahrhunderts, eine eng gedrängte Reihe verschiedener lautlicher Eindrücke ein ganzes Schlachtgeschehen:

Oh, wie die Waffen erklangen, wo die Kampfrösser zusammenstoßen! Die Schlachtposaunen tönten, Blutströme flossen, die Erde drunten donnerte, die Hölle dröhnte entgegen, wo die Größten auf der Welt mit Schwertern sich bekämpften. (Das Annolied, Abschnitt 27, Z. 1-28, ed. E. Nellmann ⁷2010; eigene Übersetzung)

Wer verstehen will, wie Kriege geplant, geführt, wahrgenommen und dargestellt wurden, muss ihnen also ‚zuhören‘: Waffenlärm, Schreie, Ansprachen, Musik und Signallaute schufen und strukturierten als Kommunikations- und Distinktionsinstrumente soziale Räume und können heute heuristische Funktionen erfüllen. Die historische Forschung befasst sich in jüngster Zeit zunehmend mit den Lautsphären des Mittelalters. Der Krieg ist dabei aber bislang beinahe gänzlich unbeachtet geblieben. Das Projekt soll diese Forschungslücke schließen und zielt auf ein umfassendes Verständnis der mittelalterlichen Belliphonie: Welche Funktionen erfüllten Laute in der Kriegsführung und Kriegserzählung? Wie wurden sie wahrgenommen und gedeutet? Es betritt auch in methodischer Hinsicht weitgehend Neuland und verbindet Ansätze und Anregungen aus den ‚sound studies‘, der Musikgeschichte (Militärmusik) und den Literaturwissenschaften (Narratologie, lautliche Performativität). In dem Projekt wird eine Phänomenologie und Semantik der mittelalterlichen Belliphonie erarbeitet und damit einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis des mittelalterlichen Krieges und zur Lautgeschichte des Mittelalters geliefert.

Das erste Teilprojekt („Der laute Krieg“) fragt danach, wie Belliphonie erzählt wird. Es untersucht die narrativen Funktionen von Lauten in historiographischen und literarischen Kriegserzählungen des Hochmittelalters. Dabei soll zunächst der spezifische intratetextuelle Ort der Belliphonie im Kontrast zu anderen Lautsphären im jeweiligen Werk bestimmt werden. Im nächsten Schritt kann dann ein text- und gattungsübergreifender Vergleich erfolgen. Ziel ist eine Morphologie der erzählten Akustik des Krieges, die bestimmten Laut-Erzählungen je eigene Funktionen zuweisen kann.

Teilprojekt 2 („Laute des Krieges“) nimmt die Bedeutung von Lauten in der Kriegsführung des Spätmittelalters in den Blick: Wozu wurden bestimmte Geräusche und Klänge eingesetzt, wie wurden sie rezipiert und welche Wirkungen hatten sie? So beschreibt etwa Christine de Pizan in ihrem um 1410 entstandenen „Buch von den Waffentaten und dem Rittertum“, das militärstrategische, rechtliche und ethische Fragen behandelt, Akustik als ein probates Mittel psychologischer Kriegsführung. Man solle den Feind mit allerlei Angriffen beschäftigen, sodass Geräusche, Taten und Lärm ihren Körpern und Ohren zusetzen und hageldichte Bogenpfeile, Bombarden- und Kanonenschüsse, der furchtbare Klang von Steingeschossen, die die Stadtmauern treffen, die Rufe der Angreifer, Trompetenlaute und die Angst vor den Belagerern (Le livre des fais d’armes et de chevallerie, II, 19, ed. Ch. M. Laennec 1988; eigene Übersetzung) ihn paralysieren. Es sollen zunächst v.a. normative Aussagen zur Produktion und zum Gebrauch von Lauten in zeitgenössischen kriegstheoretischen Schriften analysiert werden. Darauf aufbauend werden auf breiter Quellenbasis die Lautsphären einiger zentraler militärischer Ereignisse, detailliert erfasst und analysiert.

Mitwirkende

 

Sie sind interessiert an der Belliphonie des Mittelalters und verfügen über entsprechende Literatur? Oder Sie forschen in einem anderen Bereich und sind zufällig auf etwas gestoßen, das zum Projekt „Belliphonie“ passen würde?

Gerne können Sie Ihre Funde mit uns teilen - seien es ganze Monographien, Aufsätze, Quelleneditionen oder auch nur einzelne Passagen aus bestimmten Texten.

Übersenden Sie uns möglichst präzise Literatur- und Quellenangaben oder die entsprechenden Dateien und Dokumente an folgende E-Mail-Adresse:

Wir freuen uns über Ihre Zusendungen!

Ihr Team Belliphonie

Logo des Projektes Belliphonie im Mittelalter

 

 

 

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Webseitenverantwortliche: Katja Seyffert-Weiß

Kontakt: