Springe zum Hauptinhalt

Edgar-Heinemann-Stiftung

Mißerfolge sind keine Schande

Edgar Heinemann erinnert sich an sein Chemnitzer Studium in den 20er Jahren

BILD Edgar Heinemann ( 2. Reihe, 2. v. r.) im Chemnitzer Akademischen Turnverrein (ATV) im Wintersemester 1923/ 24. In der 1. Reihe, 3. v. l., ATV- Ehrenpräsident Prof. Bock.

Edgar Heinemann kam zum ersten Mal im August 1921 nach Chemnitz, um die Aufnahmeprüfung abzulegen. Damals gab es in Deutschland nur diese technische Akademie, bei der man nach erfolgreicher Ingenieurausbildung auch ein lateinloses Abitur erhielt. Damit konnte man an jeder Technischen Hochschule weiterstudieren. Deshalb war der Andrang groß. Bei der Prüfung am 2. August 1921 wurden von 300 Studienbewerbern 120 aufgenommen, darunter Edgar Heinemann.

(St) Sein Interesse galt von frühester Jugend an Maschinen. So hatte der am 22. Oktober 1903 in Langenau, Kreis Siegen, geborene Edgar Heinemann schon den Wunsch, einmal Ingenieur zu werden, als er dieses Wort noch gar nicht schreiben konnte. Seine Eltern respektierten diese Neigung und förderten seinen beruflichen Werdegang unter persönlichen Opfern. Edgar Heinemann kam zum ersten Mal im August 1921 nach Chemnitz, um die Aufnahmeprüfung abzulegen. Damals gab es in Deutschland nur diese technische Akademie, bei der man nach erfolgreicher Ingenieurausbildung auch ein lateinloses Abitur erhielt. Damit ko nnte man an jeder Technischen Hochschule weiterstudieren. Deshalb war der Andrang groß. Bei der Prüfung am 2. August 1921 wurden von 300 Studienbewerbern 120 aufgenommen, darunter Edgar Heinemann.

Chemnitzer Studienzeit

Eingereiht in die G1AC (Gewerbeakademie, 1. Semester, Allgemeiner Maschinenbau, Gruppe C) kämpfte er sich durch Klausuren und Prüfungen. Er erinnert sich noch heute gern an seine Professoren: An Rektor Prof. Wend, den alle "Schwungrad" nannten; an den Mathe-Professor Opitz, der Edgar Heinemann mit Nachdruck beibrachte, das logische Denken an die erste Stelle zu setzen, und damit den Grundstein für Heinemanns unternehmerische Erfolge legte; an den Statiker Prof. Bock, der wegen seiner schweren Prüfungen gefürchtet war; und an Prof. Schimpke, dem "eleganten Plauderer", der im Lehrfach "Bauen von Fabrikanlagen" dem jungen Studenten aus Osnabrück das Gefühl für technisches Voraussehen und für das Erkennen von Entwicklungstrends beibrachte. Edgar Heinemann durchlebte in Chemnitz auch die schwere Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Im Winter verbrachte er, um Heizkosten zu sparen, die Abende beim Schachspiel und einem Glas Tee in Chemnitzer Cafes. Kostete im Juli 1922 ein Brot 8,30 Mark, so mußte man im Oktober 1923 schon 500.000 Mark dafür hinblättern. Zuletzt wurde der karge Wechsel (das war das Geld, das die Eltern monatlich schickten) schon in der Überweisungszeit von der Inflation gefressen. Als findiger Student kaufte Edgar Heinemann für das Semestergeld seiner Eltern Aktien. Erst nach der dritten Semestergeldanmahnung verkaufte er die Aktien wieder, erzielte das Zehnfache des Kaufpreises und zahlte dann den Beitrag aus der "Westentasche". Wen wundert es, daß bei solcher "Pfiffigkeit" Edgar Heinemann das letzte Semester ohne "Platzen" (vorzeitige Exmatrikulation) erreichte. Von den 1921 mit ihm ins erste Semester aufgenommen 32 Studenten haben es nur sieben geschafft.

Geliebte Automobile

BILD Edgar Heinemann nimmt noch heute in seinem Opel- Torpedo ( Baujahr 1911) an Oldtimer-Rallys teil. Im Hintergrund die Verzinkerei, die er von 1946-1989 als alleiniger Geschäftsführer leitete.

Lobend erwähnt Heinemann seine praxisnahe Ausbildung, die auch zahlreiche Exkursionenen in Industriebetriebe der Chemnitzer Umgebung beinhaltete. Daß diese nützlich waren, zeigte sich, als es bei Edgar Heinemann im 5. Semester ans Konstruieren ging. Da er schon als Schulanfänger seine Liebe für Autos entdeckte, mußte es ein Automobil-Motor sein. Nächte verbrachte Edgar Heinemann am Reißbrett - im "Kasten", dem heutigen Böttcher-Bau, oder in seiner kleinen Studentenbude. Alle beweglichen Einzelteile des Vierzylinder-Viertaktmotors mußten berechnet werden - mit Logarythmustafeln und Rechenschieber. Und wenn dann die errechneten Dimensionen nicht in die geplante Konstruktion paßten, ging alles wieder von vorn los. Für Edgar Heinemann wäre es "Hexerei" gewesen, hätte er damals schon einen Computer gehabt. Seine Liebe für Autos setzte sich auch nach dem Studium fort. Seit 1973 besitzt Edgar Heinemann einen fahrbereiten Wanderer 22 aus dem Jahre 1932, und mit seinem Opel- Torpedo (Baujahr 1911) nimmt er noch heute an so mancher Oldtimer-Rally teil.

Karriere im Zeitraffer

Nach seiner "Berliner Zeit" begann Edgar Heinemann 1928 im Wasserwerk Plauen/Vogtland als Stadtingenieur. Hier projektierte und baute er eine für die damalige Zeit hochmoderne und noch heute mustergültig arbeitende Schnellfilteranlage unterhalb der Trinkw assertalsperre Werda. 1932 kehrte er nach Osnabrück zurück und verhalf der Verzinkerei seines Vaters zum Überleben. Von 1946 bis 1948 richtete er die "Paul Heinemann & Co." aus den Trümmern wieder auf und führte sie seit dieser Zeit als alleiniger Verantw ortlicher bis 1989.

Studenten und Ingenieure - damals und heute

Vielleicht liegt es auch ein wenig daran, daß Edgar Heinemann ein gewisses Unbehagen überkommt, wenn er seine und die heutige Studentengeneration vergleicht. Aus seiner Sicht bewirkt die heutige gute Unterstützung der Studenten aus öffentlichen Geldmittel n eine weitaus laschere Auffassung in Bezug auf die Länge des Studiums als zu seiner Studienzeit: "Damals wollte jeder so schnell wie möglich fertig werden. Heute ist es jedem Menschen mit einem gewissen Intelligenzquotient möglich, sorgenfrei das zu stud ieren, was ihm liegt. Er kann auch ohne Probleme die Studienrichtung wechseln. Durch diese Erleichterungen gibt es auch Studenten, die möglichst lange an der Brust der Alma mater hängen wollen." Deshalb empfiehlt Edgar Heinemann einen gewissen Druck auf faule und Langzeitstudenten. Der Spruch "Ein voller Bauch studiert nicht gern" habe immer noch Gültigkeit. Darüber hinaus könne ein Gesetz, das den Studenten die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Eltern durch Gerichtsurteil zu jahrelangen Unterhaltszahlungen zu zwingen, kaum Menschen hervorbringen, die geeignet sind, anderen als Vorbilder zu dienen. Ergänzend meint Edgar Heinemann: "Früher mußten wir hauptsächlich aus Mangel an Hilfsmitteln fleißiger sein. Und in den Semesterferien war unsere größte Sorge nicht der Urlaub, sondern der Ferienjob. Heute ist es eher umgekehrt. Studium und Arbeit gehören aber zusammen." Aus dieser Erfahrung zieht der Osnabrücker Ingenieur den Schluß, daß diejenigen, bei denen der Beruf nicht gleichzeitig auch Hobby ist, sich im Leben nicht groß verwirklichen können. Daß er sein hohes Alter erreicht hat, sieht Edgar Heinemann als "göttliche Gnade" an. Und in Dankbarkeit für diese Gnade geht er auch weiterhin mit frohem Mut an die tägliche Arbeit und hält sich dabei an Henry Fords Worte: "Mißerfolge sind keine Schande, sie bieten nur Gelegenheit von neuem und klüger anzufangen."

REFLEXIONEN

BILD Zurückblickend auf sein Leben formuliert Edgar Heinemann vier Grundregeln für den unternehmerischen Erfolg:

Erstens sollte ein Unternehmer stets weniger entnehmen, als er verdient. Selbst in Zeiten eines wirtschaftlichen Rückganges sollte immer ein Teil des Ertrages gewinnversprechend investiert werden. Dabei ist die gestellte Erwartung "gewinnversprechend" sehr oft im voraus nicht zu berechnen. Die Chancen einer Investition, einer Änderung, einer Anordnung kann nicht selten nur erahnt oder ertastet werden. Es ist dann - wie bei einer Schachpartie - wichtig, für jede mögliche Konsequenz schon vorher den Gegenzug parat (in der Gehirnschublade) zu haben.

Zweitens ist es erforderlich, über alles, auch über angebliche Nebensächlichkeiten, informiert zu sein. Das gilt für alle Geschehnisse. Nur wer informiert ist, hat die Chance, Fehler zu korrigieren, die Konkurrenz zu überflügeln, den Betrieb rentab el zu halten und die Zukunft klar ins Visier zu nehmen.

Drittens sollte ein Unternehmer nie vergessen, daß Gewinn oder Verlust in der Hauptsache von der Ausgabenseite beeinflußt werden. Hier stehen die laufend wiederkehrenden Kosten an erster Stelle. Sparen auf der Ausgabenseite lohnt sich immer. Die Einnahmeseite wird in der Regel vom Wettbewerb bestimmt.

Viertens sollte ein Unternehmer stets daran denken, daß Einsatz und Verwaltung von Geld und Wirtschaftsgütern viel schwerer sind als das Geldverdienen selbst.