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Jubiläumsausstellung

Herzschrittmacher-Forschung

Herzschrittmacher der zweiten Generation
Herzschrittmacher der zweiten Generation

Der erste vollständig in den menschlichen Körper eingebettete Herzschrittmacher wurde am 8. Oktober 1958 von dem Arzt Åke Senning und dem Ingenieur der Firma Siemens Elema, Rune Elmqvist, in Stockholm dem Patienten Arne Larsson eingepflanzt. In Deutschland erfolgte diese Operation erstmals 1961. Die Batterielaufzeit betrug ungefähr 18 Monate.

Bereits 1972 wurde in der DDR, als erstem Land der Welt, eine interdisziplinär aus Ärzten und Technikern zusammengesetzte Arbeitsgruppe „Herzschrittmachertherapie“ gegründet. Ihr gehörten Wissenschaftler, Techniker und Ärzte der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Rostock, des Bezirkskrankenhauses „Konrad Wolf“ Karl-Marx-Stadt, des VEB Transformatoren- und Röntgenwerkes „Hermann Matern“ Dresden/ Werk Ultraschalltechnik Halle, des Zentrums für Forschung und Technologie Mikroelektronik Dresden und des Institutes für Polymerchemie „Erich Correns“ Teltow der Akademie für Wissenschaften der DDR an. An der damaligen Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt begannen ab 1977 als Auftragsarbeit Forschungen zur Konzipierung und Entwurf mikroelektronischer Steuerungen für implantierbare Herzschrittmacher. In Karl-Marx-Stadt ist die Schaltkreisentwicklung für den Herzschrittmacher der 2. bis 4. Generation eng mit den Namen Peter Wohlgemuth und Jürgen Pilz verbunden. Wohlgemuth war ab 1978 mit der Entwicklung von Schaltkreisen für Herzschrittmacher beschäftigt. Zwei Mal war er u.a. an das Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik Dresden delegiert, um an der Überführung des Steuerschaltkreises U 115 für Herzschrittmacher der II. Generation mitzuarbeiten. In seiner Dissertation B „Konzipierung und Einsatzvorbereitung eines hochintegrierten Steuerschaltkreises für Herzschrittmacher der III. Generation“ 1986 flossen die Ergebnisse der Forschungsarbeiten seit 1982 ein. Pilz beschäftigte sich seit seiner Diplomarbeit 1978 „Entwurf des Digitalteils eines Herzschrittmacherschaltkreises“ mit dieser Thematik.

Seite 5 des Patents
Seite 5 des Patents

1972 wurde die 1. Gerätegeneration in diskreter Schaltungstechnik eingeführt. „In der 2. Generation (TuR MCP/LCP-Serie) [wurden] mit CMOS-Steuerschaltkreis U 115, externer Beschaltung im Dickschichthybridtechnik und Lithiumenergiequelle und reduzierter subjektiver Belästigung des Patienten weltmarktfähige Einkammerschrittmacher entwickelt und schließlich mit der 3. Generation seit 1989 durch die CMOS-Einchipsteuerung U 1200, die Einführung von Multiprogrammierbarkeit und bidirektionaler Telemetrie für Ein- und Zweikammersysteme (Reficard, Reficard duo) ein Leistungsumfang ohne klinisch relevanten Rückstand zum fortgeschrittenen internationalen Niveau erreicht.“
(Pilz, Jürgen: Systemkonzept und Schaltungsentwurf für frequenzadaptive physiologische Herzschrittmacher. Chemnitz, Dissertation B, 1990. S. 1.)

Von 1984 bis 1990 wurde zwischen der TU Karl-Marx-Stadt und dem VEB Transformatoren- und Röntgenwerk, Werk Ultraschalltechnik Halle insgesamt drei Forschungsverträge über Entwicklungsleistungen für die Entwicklung der peripheren Geräte zur Programmierung und Überwachung der Herzschrittmacher der III. und IV. Generation mit einem Finanzrahmen von insgesamt 1,04 Millionen Mark abgeschlossen. Im Rahmen des ersten Forschungsvertrages von 1984 bis 1986 wurde im Rahmen einer studentischen Initiative unter Leitung von Dr. Wohlgemuth und Dr. Müller ein elektronisches Herzmodell entwickelt und mit zwei Patenten gesichert. Damit konnte der normale sowie der gestörte Herzrhythmus simuliert und damit die Testung von Herzschrittmachern entscheidend vorangebracht werden. Die Herzmodelle wurden im Wissenschaftlichen Gerätebau der Hochschule in Kleinserie produziert und im In- und Ausland verkauft.

Mit der Bereitstellung der Herzschrittmacher der II. Generation konnte bereits 1985 mit dem Export begonnen und der Inlandsbedarf ab 1988 gedeckt werden. 1989 wurden über 7.000 Herzschrittmacher für den Export in die sozialistischen Länder vertraglich gebunden. Seit April 1989 wurde der Herzschrittmacher der III. Generation in die klinische Erprobung überführt. Unter dem Namen „Reficard“ und „Reficard duo“ (Ein- und Zweikammer-System) wurde dieser Herzschrittmacher in die Produktion überführt. Beide Geräte sind in der Herzschrittmacher-Typen-Kartei aufgeführt, die zur Überwachung implantierter Herzschrittmacher durch den Arzt dient.

Nach der Umstrukturierung der TU Chemnitz in den Jahren 1990 ff. wurden an der Universität die Forschungen zum Herzschrittmacher nicht weiter verfolgt, zumal auch die Projektverantwortlichen Pilz und Wohlgemuth die Universität verließen.

Katheterlose Blasendruckmessung

Medizinischer Hintergrund

Ca. 17% der Frauen in Europa leiden unter einer überaktiven Blase (OAB – over active bladder). Diese 71.000.000 betroffenen Frauen leiden unter plötzlichem Harndrang mit oder ohne Urinverlust. Die Blasendruckmessung ist ein wichtiges Instrument zur Diagnostik der Detrusorüberaktivität (Detrusor: Muskel zur Steuerung der Blasenentleerung). Sie ist vor allem nötig, um die OAB von einer Schließmuskelschwäche abzugrenzen. Die bisherige Standard-Untersuchung stützt sich auf Druckmessungen in der Harnblase mittels Katheter und gleichzeitiger Bauchraumdruckmessung mittels Rektalem Katheter. Die gesamte Untersuchung dauert ca. 15-30 Minuten. Die relativ kurze Aufzeichnungsperiode der Messwerte und die unangenehme Situation der Untersuchung für den Patienten liefern oft falsche bzw. negative Untersuchungsergebnisse. Die Untersuchungssituation spiegelt auch nicht den Patientenalltag sondern eine Ausnahmesituation wider.

Neue katheterlose Untersuchungsmethode mittels Messkapsel

An der Professur Mikrosysteme und Medizintechnik der TU Chemnitz wurde in Zusammenarbeit mit der Klinik und Poliklinik für Urologie der Uniklinik Köln eine Messkapsel zur katheterlosen Blasendruckmessung entwickelt. Die Messkapsel ist ein steriles, silikonummanteltes Einmalprodukt, welches mit Hilfe eines Endoskops in die Harnblase eingeführt wird, wo sie bis zu 72 Stunden verbleiben kann. Die Patientin kann während dieser drei Tage ihren gewohnten Alltag leben, wodurch realistische Messergebnisse entstehen. Dadurch sind eine gezielte Diagnostik und somit auch eine gezielte Therapie möglich.

Aufbau der Elektronik auf 4-lagiger flexibler Leiterplatte

Der Verguss der Elektronik erfolgt mit biokompatiblem Silikon. Zum Einschalten des Messsystems wird ein berührungsloser Schalter verwendet. Eine Dampfsterilisation bei 134 °C wurde am vergossenen System erfolgreich getestet. Innerhalb der Harnblase ist eine Fixierung der Messkapsel notwendig, um ein Herausspülen während des Wasserlassens zu verhindern. Lösungsansatz hier ist eine C-förmige flexible Messkapsel. Die C-Form wird während des Vergießens der Elektronik mit Silikon erzeugt. Sie kann im gestreckten Zustand durch ein Endoskop geschoben / gezogen werden und nimmt innerhalb der Harnblase die C-Form an. Die Messkapsel besteht aus einer flexiblen Mehrlagen-Leiterplatte, einem mikromechanischem Drucksensor, einem Mikrocontroller sowie einem EEPROM zur Verarbeitung und Speicherung der Messwerte. Die Kapsel wird magnetisch aktiviert.

Einbettung der Forschung

Die vorgenannte Entwicklung ist in die Forschungsschwerpunkte der Professur Mikrosysteme und Medizintechnik integriert. Die Forschungsschwerpunkte sind der Entwurf und die Charakterisierung von Mikrosystemen sowie deren Anwendung für die Automobilindustrie, Industrieautomatisierung und die biomedizinische Technik. An der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik wird als Bachelor- und Masterstudiengang ein Studium in Biomedizinscher Technik angeboten. Beim Masterstudiengang kann man zwischen den Spezialisierungen Medizingerätetechnik und medizinische Systeme sowie Bildverarbeitung und Telemedizin wählen.

Links:
Professur Mikrosysteme und Medizintechnik

ASTROSE

Sensorknoten des ASTROSE-Systems
Sensorknoten des ASTROSE-Systems. Foto: Fraunhofer ENAS

Durch zeitlich stark wechselnde Auslastung der Energieverteil- und Transportnetze von Hochspannungsleitungen kann es zu gefährlichen Situationen kommen. Ein Gefährdungspotenzial entsteht durch unzulässige Leitungsbelastung mit vergrößertem Durchhang im Falle von Überlastung. Aufgrund von nicht sofort erkannten Problemen kann es zur Störungen kommen und zur Nicht-Verteilung von angebotener Energie. Die Überwachung von Hochspannungsleitungen ist eine Voraussetzung, um deren Kapazitätsauslastung zu optimieren und die Sicherheit der Freileitungen zu gewährleisten.

Das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS in Chemnitz und das Zentrum für Mikrotechnologien der Technischen Universität Chemnitz entwickelten gemeinsam mit weiteren Partnern ein intelligentes System, das die Zustandsüberwachung der Leitungen übernimmt.

Schematische Darstellung des ASTROSE®-Systems
Bild: Zentrum für Mikrotechnologien, TU Chemnitz

Das ASTROSE®-System ermöglicht ein dezentrales Monitoring von Hochspannungsstromnetzen (für 110 kV, 220 kV und 380 kV) durch den Einsatz von autarken Sensorknoten. Jeder Knoten enthält die benötigte Elektronik, Sensoren und Antennen. Sie messen die Neigung der Leiterseile, deren Bewegung infolge von Wind, Temperatur und aktuellem Stromfluss, welche als Schlüsselparameter maßgeblich den maximalen Durchsatz einer Trasse bestimmen.

Mikrokontroller
Bild: Zentrum für Mikrotechnologien, TU Chemnitz

Die Sensorknoten werden im Abstand von 500 Metern an die Freileitungen angebracht. Ein ultra-low-power Mikrokontroller erfasst die von den Sensoren gemessenen Daten und regelt die Funkübertragung im 2,4 GHz ISM Band. Dabei werden in einem 15-minütigen Rhythmus alle Daten drahtlos entlang der Leiterseile bis zu einer Basisstation in das nächste Umspannwerk übermittelt. Dort werden sie in die Leittechnik eingespeist. Jeder Sensorknoten kann geografisch lokalisiert und mittels einer eigenen ID identifiziert werden. Es enthält die Elektronik, die Sensoren sowie zwei Antennen und Antennenfilter. Die elektrische Leistung zur Versorgung der Komponenten wird dem elektrischen Streufeld der Freileitung entnommen. Mit einem kapazitiven MEMS-Neigungssensor werden sowohl der Durchhang der Freileitung als auch deren Schwingungen infolge von Wind gemessen. Auf Grund der relativ hohen Feldstärke durch die 50-Hz- Energieübertragung werden Schlitzantennen eingesetzt. Zusätzlich verhindern Antennenfilter den Einfluss von Störsignalen.
Dank dieses Systems wird die Kapazitätsauslastung optimiert und die Sicherheit der Freileitungen gewährleistet, was zur Optimierung der Energieflüsse führt.

Links:
Fraunhofer ENAS: Autonomes Sensornetzwerk zur Zustandsüberwachung von Freileitungen
Uni-aktuell vom 24.06.2014