CWG - Dialog

Sitemap: Dialog - Archiv - Dezember 2000

Ausgabe 3/00, Dezember 2000

Inhalt
  • Prof. Dr. Joachim Käschel und Dr. Tobias Teich: Hierarchielose regionale Produktionsnetzwerke - ein neuer Sonderforschungsbereich an der TU Chemnitz mit Beteiligung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
  • Dipl.-Vw. Thorsten Böhn: Promotionskolleg "Nachhaltige Regionalentwicklung"
  • TU Chemnitz erneut in der Spitzengruppe der deutschen Unis - Jüngster Hochschulvergleich: Höchstnoten für Maschinenbau und Elektrotechnik
  • Sandy Peijan: Chemnitzer Studentin ermittelt Finanzbedarf der Rundfunkanstalten
  • Veranstaltungstermine

  • Hierarchielose regionale Produktionsnetzwerke - ein neuer Sonderforschungsbereich an der TU Chemnitz mit Beteiligung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
    von Prof. Dr. Joachim Käschel und Dr. Tobias Teich
    1. Gegenstand des Sonderforschungsbereiches

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtete zum 1. Januar 2000 an der Chemnitzer Universität einen neuen Sonderforschungsbereich (SFB) ein. Das Thema dieses SFB ist "Hierarchielose regionale Produktionsnetze". Hier werden Wissenschaftler aus vier Fakultäten zu Theorien, Modellen, Methoden und Instrumentarien forschen. Der DFG-Sonderforschungsbereich mit der Nummer 457 ist bereits der vierte Sonderforschungsbereich an der TU Chemnitz. Den Anstoß zur Beantragung gab die Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Schon frühzeitig wurden Professuren aus der Philosophischen Fakultät (Regionalentwicklung), der Fakultät für Informatik (Datenmodelle) und der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (Marketing, Organisation, Innovationsmanagement und Koordination/Erfolgscontrolling) in die Konzipierung des SFB einbezogen.
    Die TU Chemnitz ist damit - gemessen an der Zahl ihrer Professoren - eine der forschungsintensivsten in Deutschland. Unter den 59 Universitäten, an denen Sonderforschungsbereiche angesiedelt sind, belegt sie Platz 7. In den neuen Bundesländern liegt sie sogar mit weitem Abstand vor ihren Mitbewerbern unangefochten auf dem 1. Platz (s. Tabelle 1).

    Tabelle 1



    Die noch recht junge Fakultät für Wirtschaftswissenschaften ist damit erstmals an einem Sonderforschungsbereich beteiligt. Dies berechtigt zu einem gewissen Stolz, ist es doch bei weitem in Deutschland nicht typisch, dass Wirtschaftsfakultäten an einem SFB beteiligt sind. Dies ist eher die Domäne der Ingenieur- oder Naturwissenschaftlichen Fakultäten.
    Das Thema "Netzwerke" ist nicht neu, insbesondere die Autoindustrie hat beim Aufbau von aus ihrer Sicht gut funktionierenden Zuliefernetzwerken eine Vorreiterrolle inne. Aber hier, und das wird gerade bei der Autoindustrie sehr deutlich, sind vor allem kleinere Firmen oft einseitig von größeren abhängig und ihnen untergeordnet. Derartige Hierarchien und starre Vernetzungen erschweren oft Neugründungen von Firmen und den Zugang zum Markt. Aber gerade kleine und mittlere Unternehmen sind es, die insbesondere auch in unserer Region Südwestsachsen für eine dynamische Entwicklung der Wirtschaft sorgen. Aus ihnen kommen häufig innovative Ideen. Sie sind meist beweglicher und können schneller auf Veränderungen am Markt reagieren, sofern sie über Kapital, Marktzugang und zuverlässige Partner verfügen.
    Deshalb wollen die beteiligten Wissenschaftler bei ihrem Projekt neue Wege der Firmenzusammenarbeit aufzeigen. Bisherige Hierarchien sollen aufgebrochen und durch hierarchielose bzw. hierarchiearme Produktions- und Dienstleistungsnetze ersetzt werden. Unterordnungen sollen, wenn überhaupt erforderlich, nur projektabhängig und im Sinne von Koordination auftreten. Diese Koordinationsaufgabe ist nicht an ein Unternehmen gebunden. Man spricht hier auch von Heterarchie. Von dieser gleichberechtigten Zusammenarbeit sollen letztlich alle profitieren: die Firmen selbst, deren Mitarbeiter und die Kunden.
    Forschung zu Unternehmensnetzwerken ist an der Chemnitzer Universität nicht neu, schon seit 1992 finden wir hierzu Ergebnisse. Neu ist jetzt die Einbeziehung regionaler Gesichtspunkte der Wirtschaftsentwicklung und die Einbeziehung von Koordinations- und Controlling-Konzepten nicht zuletzt auf der Basis sogenannter weicher Faktoren, wie z.B. das Vertrauen. Effiziente Zusammenarbeit erfordert Einblick in die Situation des anderen. In der Autoindustrie wird dies gegenüber den Zulieferern aufgrund der Marktmacht durchgesetzt. Bei gleichberechtigter Zusammenarbeit dagegen muss die Bereitschaft, sich informationsmäßig dem Partner zu öffnen, durch Einsicht in die Vorteile, gepaart mit Vertrauen, entwickelt werden.
    Neu und sicher auch sehr interessant und zukunftsträchtig, wenn auch aus juristischer Sicht noch nicht ausgearbeitet, ist das Konzept, nicht notwendigerweise die Unternehmen selbst zu vernetzen, sondern sich bei der Vernetzung vielmehr auf einzelne Kompetenzen zu konzentrieren. Kompetenz ist dabei als die Fähigkeit, Aufgaben zu formulieren, anzugehen und letztlich effizient zu lösen, zu verstehen. In dieser Richtung finden wir in der Forschung und in der Praxis schon einige Ansätze (Profit Center, Fraktale,...), aber konsequent die Betrachtung bis auf die unmittelbar benötigte Kompetenz herunterzubrechen, dies wird derzeit wohl nur noch am renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT) untersucht. Mit diesem Institut wollen und müssen die Chemnitzer Wissenschaftler in Zukunft zusammenarbeiten.
    Diese neue Art der Vernetzung umfasst die gesamte Wertschöpfung von der Planung und Entwicklung über Produktion und Qualitätssicherung bis hin zu Marketing und Service. Sie ist projektgebunden, d.h. Netzwerke in diesem Sinne entstehen temporär und lösen sich mit der Fertigstellung eines Auftrages möglicherweise wieder auf. Außerdem können Kompetenzen (Kompetenzzellen, wie sie hier genannt werden) damit gleichzeitig in verschiedenen Netzwerken eingebunden sein. Im Extremfall kooperieren sie mit einer anderen Kompetenzzelle innerhalb eines auftragsbezogenen Netzes und konkurrieren gleichzeitig mit ihr um das Einwerben eines anderen Auftrages. Koopkurrenz ist dazu die etwas fragwürdige Wortschöpfung, die allerdings nicht aus Chemnitz stammt.
    Um die Forschungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen, ist eine fächerübergreifende Forschung nötig, die neben der Universität auch die Industrie mit einbezieht. Als weiteres Ergebnis des Sonderforschungsbereichs erwarten die Wissenschaftler deshalb auch, dass die Region Chemnitz noch schneller als bisher schon zu einem Zentrum der Mechatronik - der Verbindung zwischen Elektronik und Mechanik - im Maschinenbau wird.
    An dem neuen Sonderforschungsbereich beteiligen sich insgesamt zwölf Professoren aus den genannten vier Fakultäten. Dazu kommen noch 17 wissenschaftliche Mitarbeiter, die teilweise eigens eingestellt werden, und zahlreiche studentische Hilfskräfte - an der Chemnitzer Uni ist es üblich, dass auch Studenten schon an anspruchsvollen Forschungsvorhaben teilhaben. Aber auch die Industrie sitzt von Anfang an mit im Boot: So sind etwa der Interessenverband Chemnitzer Maschinenbau, das Anwenderzentrum für Mikrotechnologie und die Gesellschaft für Prozessrechnerprogrammierung mit dabei.
    Der Sonderforschungsbereich wird vorerst bis Ende des Jahres 2002 mit jährlich zwei Millionen Mark gefördert. Auf der Grundlage der bis dahin erreichten wissenschaftlichen Resultate wird die DFG über eine Verlängerung um weitere drei Jahre und danach nochmals um drei Jahre entscheiden. Sprecher des SFB ist Prof. Dr. Siegfried Wirth, der in der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik am Institut für Betriebswissenschaften und Fabriksysteme wirkt.

    2. Beschreibung eines ausgewählten Problems � der Netzwerkaufbau und die Koordination

    2.1 Aufgabenstellung
    Ein Kunde kontaktiert einen potentiellen Netzwerkknoten, also eine Kompetenzzelle, und löst einen Bedarf zur Produktion eines bestimmten Gutes aus. Dieser Netzwerkknoten besitzt seinerseits einen Zugang zu einem �Frontend� des zu schaffenden informationstechnischen Modellkerns und stimuliert darüber die Genese eines temporären Netzwerkes zur Produktion des nachgefragten Gutes. Der Informationskern ist aufgrund der Information, die von der Konstruktion und der Fertigung in Form von Regel- und Faktenwissen in einer Ontologie-basierten Datenbank hinterlegt ist, in der Lage, alle sinnvollen fertigungstechnischen Alternativen in Form eines Graphen aufzubauen. Hierbei werden zunächst die einzelnen Routen durch den Graphen anhand von Arbeitsplänen ausgerichtet. Bild 1 illustriert diesen Zusammenhang entlang der Wertschöpfungskette.

    Bild 1



    Im nächsten Schritt erfolgt die Zuordnung der potentiellen Kompetenzzellen zu den Knoten des Netzes nach fertigungstechnischer Eignung. Die Objekte des Graphen werden attributiert. Die Knoten enthalten Informationen über Kosten und Zeiten, die Kanten über Logistik und Qualität. Ziel ist es, einen Weg durch den gegebenen Graphen zu finden, der entsprechend einer Zielfunktion ein unbekanntes Optimum approximiert. Bei der Zielfunktion kann es sich um mehr als nur ein Kriterium handeln.
    Es stellt sich die Frage, in welche Problemklasse das formulierte Modell einzuordnen ist. Dieses Wissen ist zur Auswahl effizienter Algorithmen notwendig. Zunächst könnte der Eindruck gewonnen werden, dass es sich um ein kapazitiertes Traveling Salesman Problem (CTSP) handelt. Bei genauer Betrachtung ist jedoch erkennbar, das Präzedenz-Beziehungen der Technologien modelliert werden müssen. Obwohl Reihenfolgeprobleme sich als verallgemeinertes TSP formulieren und lösen lassen, müssen die Kanten mit Distanzen versehen werden, die Auswirkungen auf die Zielfunktion besitzen und deren Berechnung schwierig ist, da alle Vorgänger im Netz diesen Kantenwert während der Berechnung beeinflussen. Gleichzeitig enthalten die Knoten Alternativen, die die nachfolgenden Knoten beeinflussen. Das beschriebene Problem enthält somit Elemente aus dem CTSP und dem JSP (Job-Shop-Problem) und betrachtet zusätzlich Alternativen. Es ist folglich ein höchst komplexes Problem, in der Fachsprache NP-schwer genannt. Damit kommen als Lösungsverfahren nur heuristische Verfahren in Betracht. Es bleibt herauszufinden, welche der heuristischen Verfahren geeignet sind, die oben angeführte Problemstellung befriedigend zu lösen.

    2.2 Lösungsverfahren
    Es gibt eine Reihe von Verfahren, die auch bei gewissen höchst komplexen Aufgabenstellungen für die Praxis befriedigende Resultate liefern. Solche Verfahren, die auf die Garantie einer bestimmten Leistungsfähigkeit verzichten müssen (i.d.R. fehlt ein Konvergenzbeweis), können unter gewissen Voraussetzungen als Heuristiken bezeichnet werden. Bild 2 liefert einen Überblick über die möglichen Heuristiken.

    Bild 2



    Für Probleme der im SFB 457 betrachteten Größenordnung spielen Eröffnungsverfahren eine untergeordnete Rolle. Ihre Lösungsgüte ist nicht ausreichend für befriedigende Lösungen praktischer Problemstellungen.
    Die Genetischen Algorithmen bieten eine Vielfalt von Möglichkeiten, das Kompetenzzellennetz zu modellieren. Sie sind inhärent parallel und eignen sich aus diesem Grunde zur Verteilung in Informationssystemen. Als wesentlicher Nachteil ist zu nennen, dass bei zunehmender Berücksichtigung von Constraints der Berechnungsaufwand überlinear ansteigt. Derzeit wird untersucht, wie die Individuen im Informationssystem verteilt werden können und die Berechnung dezentral für jedes Individuum erfolgen kann.

    2.3 Ant Colony Optimierung
    In der aktuellen Forschung auf dem Gebiet der Tourenplanung und des Scheduling stellten sich die Ant Colony Algorithmen als überaus erfolgreiche Optimierungsverfahren heraus. Vor allem beim Routing in Telekommunikationsverfahren werden diese Verfahren derzeit von großen Konzernen eingesetzt.
    Das Verfahren selbst macht sich das Verhalten von Ameisen zu nutze. Ameisen sind soziale Insekten, die auf indirektem Wege miteinander kommunizieren, um ihre Aktivitäten zu koordinieren (Stigmergy). Ameisen sind in der Lage, innerhalb kurzer Zeit den kürzesten Weg von mehreren Alternativen vom Nest zur Futterquelle und zurück zu finden. Das Ergebnis ist um so eindeutiger, je größer die Unterschiede der Wege sind. Auf ihrem Wege hinterlassen sie Pheromone, welche im Laufe der Zeit evaporieren. Muss sich eine Ameise für eine Alternative entscheiden, bestimmt die Stärke der jeweiligen Pheromonspur die entsprechenden Auswahlwahrscheinlichkeiten. Diese grundsätzliche Wirkungsweise wurde in die Ant Colony Optimization übertragen. Zur schnelleren Konvergenz des Algorithmus können für spezielle Probleme Heuristiken entwickelt werden. Bild 3 illustriert den Entscheidungsprozess einer Ameise, die sich im Knoten i befindet und vor der Wahl steht, Knoten j1 oder j2 zu besuchen.

    Bild 3



    Es gibt einen gerichteten Graph G=(N,E), mit der Menge der Knoten N und der Menge der gerichteten Kanten E. Jeder Knoten entspricht einer Arbeitsoperation einer Technologie, die durch eine durch den Knoten abgebildeten Kompetenzzelle ausgeführt wird. E bezeichnet die Menge von Kanten, die zwei aufeinanderfolgende Operationen bzw. deren Knoten miteinander verbindet. Als Kantengewichte werden die Pheromonwerte tij(t) und weitere Werte hij(t), die durch eine Heuristik erzeugt werden und das Wesen der zu lösenden Problemstellung widerspiegeln, benutzt. Beide Werte sind in der Zeit veränderlich.
    Eine Ameise mit der Nummer k wählt eine Kante von i nach j mit einer Wahrscheinlichkeit, die sich aus den obengenannten Werten bestimmt und bei der die unterschiedliche Einflüsse von Heuristik und Pheromonspur über Parameter a und b gesteuert werden können. Gesucht ist ein möglichst guter Weg entsprechend einer Zielfunktion von einem Startknoten zu einem Endknoten, wobei im Unterschied zum TSP nicht alle Knoten besucht werden müssen.

    Bild 4



    Da eine Kolonie aus mehr als einer Ameise besteht, sind zu einem Zeitpunkt gewöhnlich mehrere Ameisen im Graphen unterwegs, die i.d.R. gleichzeitig starten. Wenn alle Ameisen das Ziel erreicht haben, darf die Ameise mit dem höchsten Zielerreichungsgrad das Pheromon-Update ausführen. Wie viele Ameisen dieses Update durchführen und mit welcher Funktion (Intensität der Pheromonspur) ist letztlich jedoch problemspezifisch und soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Quasi gleichzeitig erfolgt die Evaporation. Auch hierfür gibt es zahlreiche Heuristiken. Berücksichtigt wird z.B. die Menge des Pheromons, welches die beste Ameise auf ihrem Rückweg "zum Nest" in Abhängigkeit von der Lösungsgüte hinterlässt. Die Spezifik des Problems wird in dem weiteren Kantengewicht hij(t) abgebildet und beinhaltet die lokale Sicht auf die zu lösende Aufgabe aus dem Blickwinkel eines Netzknotens. Im Falle des Kompetenzzellennetzes ist dessen Berechnung nicht einfach. Es fließen Informationen über Kosten und Zeiten in die heuristische Schätzfunktion ein, die abhängig von den vorher getroffenen Entscheidungen sind. Das betrifft insbesondere reihenfolgeabhängige Zeiten und Kosten.

    3.4 Schlussfolgerungen
    Das Verfahren der Ant Colony Optimization weist ein hohes Potenzial zur Lösung der Teilprobleme eines Kompetenzzellennetzes auf, die sich aus der Sicht der Koordination ergeben. Erste Untersuchungen wurden an einem Praxisprojekt durchgeführt. Die Ergebnisse stimmen sehr zuversichtlich für die weitere Modellierung der gegebenen Problemstellung.
     

    Promotionskolleg "Nachhaltige Regionalentwicklung"
    von Dipl.-Vw. Thorsten Böhn
    In der Politik und in der wissenschaftlichen Literatur wird seit geraumer Zeit diskutiert, wie eine nachhaltige, dass heißt für heute lebende Menschen und zukünftige Generationen vertretbare Entwicklung der ökologischen, der sozialen und der ökonomischen Bedingungen realisiert werden kann. Von der Öffentlichkeit wurde in der Vergangenheit vor allem die globale Dimension einer zunehmenden Umweltzerstörung und Armut wahrgenommen.
    Erst in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass auch die regionale Ebene bei der Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung eine große Bedeutung haben wird. Wie das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in den Regionen nun aber tatsächlich umgesetzt werden kann, ist noch weitgehend offen.
    Dies hat vor allem damit zu tun, dass von der Wissenschaft keine konsensfähigen Kriterien für Nachhaltigkeit entwickelt wurden, auf die umstandslos zurückgegriffen werden könnte. Die einzelnen Regionen unterscheiden sich zudem hinsichtlich der sozialen, der ökologischen und der wirtschaftlichen Bedingungen, so dass Strategien zur nachhaltigen Regionalentwicklung kaum generalisierbar sind. Ebenso problematisch ist, dass das Empfinden der Bevölkerung über die Unzumutbarkeit nicht-nachhaltiger Entwicklungen von Region zu Region durchaus unterschiedlich ausgeprägt ist. Insgesamt ergibt sich daraus ein regionenspezifischer Handlungsbedarf, der wiederum auf einzelne Regionen zentrierte, wissenschaftliche Analysen erfordert.
    Bisher hat sich die Auseinandersetzung um eine nachhaltige Entwicklung innerhalb der Wissenschaften weitgehend entlang der disziplinären Grenzen abgespielt. Aus naturwissenschaftlich-technischer Sicht beschäftigt man sich vor allem mit der Frage, wie die Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit bestimmt und wie ressourcensparende Technologien weiterentwickelt werden können. Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften steht die "Suche" nach angemessenen ökonomischen Instrumenten im Vordergrund, die Anreize zu nachhaltigem Wirtschaften geben. In den Sozialwissenschaften spielen wiederum Aspekte der inter- und intragenerationalen Gerechtigkeit eine große Rolle.
    Die Erforschung von Kriterien und Strategien einer nachhaltigen Entwicklung erfordert ohne Zweifel fachspezifische Anstrengungen; insofern werden Einzelarbeiten auch in Zukunft wichtig bleiben. Darüber hinaus ist aber auch ein auf interdisziplinären Austausch angelegter Forschungszusammenhang notwendig. Dies gilt vor allem für eher anwendungsorientierte Forschungsaufgaben. Die institutionellen Voraussetzungen für diese Kooperationsformen zu schaffen, ist eine große Herausforderung für die Hochschulen.
    Ein wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren Vernetzung unterschiedlicher Fachdisziplinen wurde nun an der Technischen Universität Chemnitz verwirklicht, als zehn Hochschullehrerinnen und -lehrer aus drei Fakultäten im Oktober 1999 das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Promotionskolleg "Nachhaltige Regionalentwicklung" ins Leben riefen.
    Im Unterschied zur in der deutschen Forschungslandschaft üblichen Trennung der Disziplinen arbeiten in dem Kolleg Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam an Fragen der nachhaltigen Regionalentwicklung. Die interdisziplinäre Ausrichtung wird dadurch unterstrichen, dass dem Promotionskolleg - anders als bei Graduiertenkollegs normalerweise üblich - von der Universität spezielle Arbeitsräume zur Verfügung gestellt wurden. Durch die räumliche Nähe werden sowohl der interdisziplinäre Austausch als auch die gemeinsame Bearbeitung von Forschungsfragen erleichtert.
    Ziel des Kollegs ist es, für die Region Chemnitz und Südwestsachsen Potenziale, Akteure und Konzepte einer zukunftsorientierten Entwicklung näher zu untersuchen. Einen Beitrag zur Verknüpfung naturwissenschaftlich-technischer Fragestellungen mit ökonomischen und auch sozialen Aspekten leistet Dipl.-Ing. Claudia Dörffel, die in Dresden Bioverfahrenstechnik studierte und danach zwei Jahre lang als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Platzer, Professur für Bioverfahrenstechnik, tätig war. Mit ihrem Forschungsvorhaben möchte sie regionale Potentiale für eine nachhaltige Abfallwirtschaft bestimmen.
    Ökonomisch-technische Zusammenhänge finden in zwei Dissertationsvorhaben Berücksichtigung, die von Prof. Dr. John, Professur für Wirtschaftspolitik, betreut werden. Ines Freier, die nach Ihrem Studium der Ökonomie in Rostock und einem Aufbaustudium in Berlin zwei Jahre in Beratungsunternehmen tätig war, untersucht die Auswirkungen ökonomischer und regulativer Politikinstrumente auf die Entstehung von Umweltinnovationen. Dipl.-Vw. Thorsten Böhn beschäftigt sich mit der in der regionalökonomischen Literatur derzeit diskutierten Strategie, die "Innovationslücke" der ostdeutschen Wirtschaft durch eine Verbesserung der innovationsrelevanten Infrastruktur zu verringern.
    Organisatorisch-ökonomische Aspekte berücksichtigt Ralf Wetzel, der bei Prof. Dr. Baitsch (ehemals Professur BWL IX für Management des technischen Wandels und Personalentwicklung) über die Integration von Menschen mit Behinderungen in Unternehmen promoviert. Der Diplom-Kaufmann arbeitete vorher drei Jahre am Institut für Innovationsmanagement und Personalentwicklung an der TU Chemnitz (ifip) in einer Reihe von Forschungsprojekten, die sich in vielfältiger Weise mit Fragen der regionalen Entwicklung auseinandergesetzt haben.
    Die in den Gesellschaftswissenschaften zur Zeit intensiv diskutierte Frage, welche institutionellen Reformen für eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit notwendig sind, und welche Rolle dabei die sogenannten Lokale Agenda 21-Prozesse spielen, wird von M.A. Andreas Nolting unter Betreuung von Prof. Dr. Weiske, Professur für Regionalforschung und Sozialplanung, aufgegriffen. Neben seinem Studium in Jena und Marburg wirkte er bereits an regionalen Entwicklungskonzepten in Nordhessen mit.
    Den Auswirkungen des Strukturwandels und neuer Arbeitsformen auf die Arbeits- und Lebenssituation von Beschäftigten in der Region geht Julia Egbringhoff unter der Leitung von Prof. Dr. Voß, Professur für Industrie- und Techniksoziologie, nach. Im Zentrum der Arbeit der Diplom-Pädagogin, die zuvor drei Jahre als Bildungsreferentin im Bereich der arbeitsweltorientierten politischen Bildung arbeitete, steht vor allem die Frage, wie die einzelnen Menschen mit neuen Arbeitsformen umgehen.
    Verstärkt wurde das Team im Oktober durch Ben Kühle, der an der Universität Leipzig Rechtswissenschaften und Soziologie studierte. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt und unter der wissenschaftlichen Betreuung von Prof. Dr. Brock, Professur für Soziologie, wird er berufsvorbereitende Maßnahmen in Sachsen evaluieren.
    Als zweite neue Stipendiatin nahm Dipl.-Päd. (Rehab.) Ulrike Hahn ihre Arbeit im Kolleg auf. Nach fünfjähriger Berufspraxis als Ergotherapeutin und Studium der Rehabilitationspädagogik in Berlin befasst sie sich in ihrem Forschungsvorhaben mit Entwicklungen und Wandlungstendenzen im gemeindenahen psychiatrischen Versorgungssystem in Südwestsachsen. Sie wird extern von Prof. Dr. von Kardorff (Humboldt-Universität Berlin) betreut.
    Große Unterstützung erfährt das Kolleg durch M.A. Katrin Großmann, die für das Kolleg-Management zuständig ist. Sie arbeitet zugleich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur "Regionalforschung und Sozialplanung" und promoviert bei Prof. Dr. Weiske zum Thema "Schrumpfende Stadt !? - Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung".
    So vielfältig wie die einzelnen Themengebiete stellen sich auch die Arbeitsformen des Kollegs dar. Zur Förderung eines interdisziplinären Dialogs finden in jedem Semester fachübergreifende Seminare statt. Im vergangenen Sommersemester stand die Technik- und Wirtschaftsgeschichte der Region Chemnitz im Vordergrund; Ziel der Begleitveranstaltung im Wintersemester wird es sein, mit professioneller Unterstützung ein gemeinsames Konzept für die künftige Bearbeitung der interdisziplinären Aufgaben im Promotionskolleg zu entwikkeln.
    Doch nicht nur vermehrte Kooperationen zwischen den einzelnen Disziplinen sind notwendig - auch der Dialog zwischen Forschung und Akteuren aus der Region muss intensiviert werden, wenn mit den Dissertationsprojekten eine solide Grundlage für konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet werden soll. Eine Form des Austausches stellen öffentliche Tagungen und Informationsveranstaltungen dar, auf denen die Ergebnisse aus den laufenden Forschungsprozessen mit Praktikern aus der Region und interessierten Wissenschaftlern diskutiert werden.
    Die Verwirklichung der Ziele des Promotionskollegs verlangt allen Beteiligten ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft ab. Die Situation, sich der Kritik aus anderen Disziplinen zu stellen, ist für viele neu. Die Zusammenarbeit im Rahmen des Kollegs "Nachhaltige Regionalentwicklung" bietet dafür aber auch die Chance, der vieldiskutierten - aber letztlich kaum verwirklichten - Forderung nach einer engeren Vernetzung der unterschiedlichen Disziplinen nachzukommen.
     

    TU Chemnitz erneut in der Spitzengruppe der deutschen Unis - Jüngster Hochschulvergleich: Höchstnoten für Maschinenbau und Elektrotechnik
    Die TU Chemnitz gehört in Lehre und Forschung zu den besten Universitäten Deutschlands. Dies ergab eine Untersuchung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), die heute im Studienführer "start" des Hamburger Nachrichtenmagazin "Stern" veröffentlicht wird. Auszüge sind auch im Internet (http://www.stern.de/karriere/start/index.php) zu finden. An 43 Universitäten und Gesamthochschulen sowie 102 Fachhochschulen wurden Architektur, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik untersucht. Fast 4.300 Professoren und rund 25.000 Studenten nahmen an der Umfrage teil. Außerdem trugen die Experten deutschlandweit riesige Datenmengen vom Wohnraumangebot bis zu den Öffnungszeiten wichtiger Service-Stellen zusammen.
    Die Elektrotechniker der Chemnitzer Uni schafften gleich viermal den Sprung in die Spitzengruppe: Im Gesamturteil der Studierenden (Platz 1), bei der Bewertung des Lehrangebotes (Platz 1), bei der Investition in die Laborausstattung (Platz 5) und bei der Einwerbung sogenannter Drittmittel in der Forschung (Platz 5). Mit 11,8 Semestern durchschnittlicher Studiendauer verpassten die Chemnitzer Elektrotechniker haarscharf den Sprung unter die Besten. Im Studiengang Maschinenbau erreichte die TU Chemnitz dreimal die Spitzengruppe: Im Gesamturteil der Studierenden (Platz 5), bei der durchschnittlichen Studiendauer (Platz 5) und bei der Bewertung des Lehrangebotes (Platz 6). Bei der Einwerbung von Forschungsgeldern waren die Chemnitzer Maschinenbauer nicht so erfolgreich und landeten im Mittelfeld. Auch in die Ausstattung wurde anderenorts mehr investiert. Im Professoren-Urteil taucht die Chemnitzer Uni in diesen beiden Studiengängen nicht auf.
    Im aktuellen Studienführer "start" sind auch die Ergebnisse des Hochschulvergleiches des vergangen Jahres noch einmal aufgelistet: 1999 hatte die TU Chemnitz auch in den Studiengängen Physik, Mathematik, Informatik und Betriebswirtschaftslehre beim Gesamturteil der Studierenden den Sprung in die Spitzengruppe geschafft. Dass an der Chemnitzer Uni Service groß geschrieben wird, beweist auch die Zentrale Studienberatung der TU. Sie erreichte damals im Urteil der Studierenden Platz 1 bei allen Universitäten, deren Beratungsservice benotet wurde.
     

    Chemnitzer Studentin ermittelt Finanzbedarf der Rundfunkanstalten
    von Sandy Peijan
    Der öffentlich - rechtliche Rundfunk ist seit Jahren Gegenstand heftiger Diskussionen. Aktuell wird das Thema immer dann, wenn eine erneute Gebührenerhöhung ansteht, so wie für das nächste Jahr geplant. Die wenigsten wissen dabei, wer diese Gebühren eigentlich festsetzt.
    In diesem Zusammenhang spielt die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, eine entscheidende Rolle. Diese Kommission wurde 1975 zur Objektivierung der Festsetzung einer angemessenen Gebührenhöhe eingesetzt. Sie besteht aus 16 Mitgliedern aus den Bereichen Wirtschaft, Technik, Medien und Rechnungshöfen, die von den Ländern berufen werden. Die Rundfunkanstalten melden der KEF ihren Finanzbedarf zur Erfüllung des Programmauftrages (dazu gehören u.a. die Gestaltung und Ausstrahlung von Programmen) an. Der angemeldete Finanzbedarf wird nun von der KEF fachlich geprüft.
    In ihrem Bericht legt die Kommission die Finanzlage der Rundfunkanstalten dar und nimmt zu der Frage, ob eine Gebührenerhöhung erforderlich ist, Stellung.
    Dieser mindestens alle zwei Jahre erscheinende KEF-Bericht bildet die Grundlage für die Festsetzung der Rundfunkgebühr durch den Staatsvertrag der Länder. Der Gesetzgeber ist dabei weitgehend an die Gebührenempfehlung der Kommission gebunden.
    Seit März 1999 bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Herrn Notar Dr. Helmuth Neupert, ein Mitglied der KEF, tätig. Innerhalb der Arbeitsgruppe 1, die sich hauptsächlich mit der Ertragsseite der Finanzbedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten beschäftigt, sind unsere Themenschwerpunkte u. a. die Rückflüsse von den Landesmedienanstalten, der Meldedatenregisterabgleich, die Gebührenbefreiung von PC's und der Finanzausgleich der Anstalten.
    Neben umfangreichem Datenmaterial sind dabei auch politische sowie rechtliche Sachverhalte zu berücksichtigen und in die Argumentation einzubeziehen.
    In mehrmals jährlich stattfindenden Arbeitsgruppensitzungen werden die jeweiligen Ergebnisse diskutiert, ergänzt und miteinander in Einklang gebracht, um dann gemeinsam mit Vertretern der Rundfunkanstalten einen Konsens zu finden.
    Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Fülle an Zahlenmaterial und Daten aufzubereiten und tabellarisch darzustellen, um Entwicklungen und Tendenzen aufzeigen und Ertragsprog-nosen ableiten zu können.
    Dieser Tätigkeit gehe ich neben meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre nach. Dabei kann ich das während des Studiums erworbene Wissen anwenden und vertiefen, erhalte Einblicke in die komplexen Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in aktuelle Debatten und Diskussionen und gewinne in Sitzungen und Tagungen Eindrücke über die Art und Weise der Gebührenfestsetzung. Nicht nur Zahlen und Fakten ent-scheiden über die Gebührenhöhe, sondern auch Verhandlungsgeschick und die Durchsetzung der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Interessen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
    eMail an den Autor

    Veranstaltungstermine
    Chemnitzer Wirtschaftswissenschaft-liches Forschungsseminar im Winter-semester 2000/2001

    Veranstaltungsort und -zeit: Fakultätsraum 638, Reichenhainer Str. 39, mittwochs 18.30 Uhr
    Veranstalter: Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Technischen Universität Chemnitz
    Organisation: Prof. Dr. Bernhard Eckwert, TU Chemnitz, Reichenhainer Str. 39, Tel.: 0371/531-4230. Prof. Dr. Thomas Kuhn, TU Chemnitz, Reichenhainer Str. 39, Tel.: 0371/531-4941. Kopien der Paper, auf die sich die Vorträge beziehen, können im Sekretariat des Lehrstuhls VWL III, Zimmer 125, eingesehen werden.
    13.12.2000 Prof. Dr. Harald Wiese, Universität Leipzig: Thema wird noch bekanntgegeben
    20.12.2000 Prof. Dr. Jörg Glombowski, Universität Osnabrück: "Transformation und Konvergenz"
    10.01.2001 Prof. Dr. U. Blum, Universität Dresden: Thema wird noch bekanntgegeben
    17.01.2001 Prof. Dr. Martin. T. W. Rosenfeld, Institut für Wirtschaftsforschung Halle: "Die Zukunft des deutschen Förderalismus: Wettbewerb statt Kooperation?"
    24.01.2001 PD Dr. Volker Wellhöner, Institut für Institutionelle und Sozial-Ökonomie (IISO), Bremen: "Nutzen als potentielle Energie. Die physikalischen Wurzeln der Neoklassik und ihre Auswirkungen auf das Forschungsprogramm der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie."
    31.01.2001 Dr. Stefan Baumgärtner, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg: Thema wird noch bekanntgegeben

    Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen - Vorträge, Lectures, Seminare -

    13.12. - 14.12.2000, 13.00 - 18.00 Uhr Prof. Antonio Calafati, Ancona: "Local economic development: Conceptual foundations"
    19.12.2000, 16.00 - 18.00 Uhr Prof. Rudolf Stichweh, Bielefeld: "Evolution of world society"
    20.12.2000, 10.00 - 18.00 Uhr Seminar - "Long-term economic development"