Adventskalender der TU Chemnitz 2011
Ich gebe es zu: Ich bin ein Rasiermuffel. Meine Frau und mein Arbeitgeber sehen darüber hinweg. Oder haben sich daran gewöhnt, dass die Barthaare sprießen, weil ich nur ein- oder zweimal in der Woche zur Rasur schreite. Dann muss es natürlich die Nassrasur sein. Hier bin ich Traditionalist: Ein Rasierer mit einer klassischen Rasierklinge - ein Erbstück vom Opa - und ein immer kleiner werdender Rasierpinsel kommen zum Einsatz. Kein Wunder also, dass mich eine unserer Wichtelinnen ansprach, mich doch mal in der mir bis dahin unbekannten „Sammlung zur Rasurkultur” in Hundshübel umzuschauen ...
Also machte ich mich auf in den Ortsteil von Stützengrün, der über der Talsperre Eibenstock in herrlicher Umgebung liegt. Von Andreas Müller, einem der Geschäftsführer der dort ansässigen Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG, werde ich durch die Sammlung geführt und erfahre allerlei Interessantes über die Tradition der Nassrasur, zur Geschichte der Rasierpinsel-Herstellung und zur heutigen Produktion von Rasierzubehör.
In der Sammlung fühle ich mich in in eine andere Zeit versetzt: Ich betrete einen Herrensalon der 30er Jahre. Es ist, als habe der Frisörmeister nur mal kurz den Raum verlassen. Die Frisierstühle laden zum Platznehmen ein, die Arbeitsgeräte liegen bereit und die großen Spiegel sind blitzeblank. Die Accessoires dieser Zeit kommen - insbesondere den älteren von uns - bekannt vor: Papier-Halskrausen, Scheren, Messer, Bürsten und Kämme, Haarlack- und Duftsprüher sowie unzählige Pinsel. Auch die Details stimmen, etwa die historische Tageszeitungen an der Garderobe.
Die bedrohlich von der Decke hängenden Haarschneidemaschinen (ziemlich laut ratternd betriebsbereit, wie ich mich überzeugen konnte!) rufen in mir wenig erfreuliche Erinnerungen an Frisörbesuche als Kind auf - wahrscheinlich hatte ich vor diesen „Monstern” als Kleinkind enorme Angst.
Aber natürlich - es geht um Rasurkultur. Und so finden sich alle Utensilien für die gepflegte Nassrasur: Rasierpinsel in allen Ausprägungen, Vitrinen voll historischer Rasiermesser (die mir heute noch Respekt einflößen), Rasierapparate für Rasierklingen, die in der Fachsprache etwas grob Rasierhobel heißen, und die Rasierklingen unterschiedlicher Marken. Dazu kommen noch Rasierspiegel, Reisesets und Werkzeug zum Schärfen. Die Abziehriemen für Rasiermesser kenne ich noch, aber dass es ausgeklügelte Schärfgeräte für Rasierklingen gab, ist mir neu.
Die historischen Pflegeprodukte für Rasur und Haarpracht und die entsprechenden Werbetafeln an der Wand machen das Bild des historischen Frisörsalons perfekt. Obwohl die Ausstellung nur aus diesem Raum besteht, vermitteln die etwa 1.000 Exponate ein gutes Bild der 200-jährigen Rasurkultur.
Geöffnet ist die Ausstellung zu üblichen Geschäftszeiten der Firma Müller oder auf Anfrage. Am besten, man ruft vor seinem Besuch mal an unter 037462 / 6520, so kann man evtl. auch einen Besuch der Manufaktur vereinbaren.
Die Herstellung von Rasierpinseln (und anfangs auch Bürsten und Besen) begann 1945 unter der Leitung von Otto Johannes Müller, dem Großvater der heutigen Geschäftsführer. In der DDR stellte die verstaatlichte Firma Rasierpinsel in Massenproduktion her. 1990 wagte der jetztige Seniorchef Hans-Jürgen Müller den Neuanfang - und das mit Erfolg.
Die mittelständische Firma stellt heute wieder unter der Marke MÜHLE ein volles Sortiment für die Nassrasur für Kunden in der ganzen Welt her: Neben handgefertigten Rasierpinseln werden Rasierer und Rasierhobel produziert, weitere Accessoires und Pflegeprodukte runden das Angebot ab. Besonders stolz ist man auf eine Neuheit: Traditionell werden für die Rasierpinsel Dachshaare verwendet - die besten nennen sich „Silberspitz Dachszupf” - Kenner schwören darauf. MÜHLE hat nun eine synthetische Faser entwickelt und ausgiebig getestet, die dem Naturmaterial in nichts nachsteht, sehr langlebig und pflegeleicht ist.
Natürlich kann man diese Sachen im Werk auch ansehen und kaufen, genau wie im guten Herrenausstatter. Zudem lohnt auch ein Blick ins Internet (www.muehle-shaving.com), wo die Manufaktur umfassend beschrieben und optisch hervorragend in Szene gesetzt ist.
Jetzt ahnen Sie sicher, was auf meinem Weihnachtswunschzettel steht? Mal sehen, ob unsere WWW-Wichtelinnen den Zettel finden ...
© Fotos: Frank Richter (5), H.-J. Müller GmbH & Co. KG (1)
Frank Richter, Die TU-Wichtel im Dezember 2011
Adventskalender der TU Chemnitz 2011