Versuchsfahrzeug Carai 1 (VW ID.4 GTX)
Das Konzeptfahrzeuge Carai sind mit verschiedenen Sensoren zur Fahrzeugumfelderkennung ausgestattet.
Der Name Carai ist eine Wortschöpfung aus dem englischen Begriff für Auto (car) und den Anfangsbuchstaben A und I für „Automobile Intelligenz“.
Im Rahmen der Forschungsprojekte werden mit Hilfe des Carai aktuelle und zukünftige Einsatzbereiche von Fahrerassistenzsystemen untersucht.
Insbesondere stehen dabei folgende Funktionen im Vordergrund.
Besonders in der Nacht, bei schlechtem Wetter und auf Landstraßen herrscht erhöhte Unfallgefahr.
Dabei müssen vor allem besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrrad- oder Motorradfahrer geschützt werden.
1. Schutz besonders gefährdeter Verkehrsteilnehmer
Mit Hilfe von Wärmebild- oder Nahinfrarotkameras können Personen vor dem Fahrzeug rechtzeitig erkannt werden.
Die Sensordaten werden mit entsprechenden Verfahren der Bildverarbeitung ausgewertet.
Als unterstützender Sensor zur Entfernungsmessung wird ein Lidar eingesetzt.
In der Automobilindustrie finden sich bereits erste Realisierungen einer solchen Personenerkennung, etwa im System „Night Vision“ bei BMW oder im „Honda Intelligent Night Vision System“.
Weiterhin könnten derartige Verfahren zur Personenerkennung im zivilen Sicherheitsbereich Anwendung finden.
2. Fahrzeugerkennung
Eine wichtige Voraussetzung um Sicherheitsfunktionen im Fahrzeug realisieren zu können, ist es, andere Verkehrsteilnehmer wie z.B. PKW oder LKW sowie deren Position und Fahrtrichtung zu erkennen.
In den Carai Fahrzeugen geschieht dies mit Hilfe verschiedener Sensoren, die entweder einzeln oder fusioniert eingesetzt werden.
Neben Radarsensoren und Lidarsensoren kommen auch Kamerasysteme jeglicher Art zum Einsatz (Nahinfrarotkamera, Ferninfrarotkamera, 3D-Kamera, Stereokamera, Grauwertkamera, Farbkamera).
Die Auswertung der Daten geschieht über Verfahren der Bildverarbeitung und mittels Signalverarbeitung.
Dies wiederum kann auf Rohdatenebene oder auf Basis bereits vorverarbeiteter Messdaten geschehen.
Auch Trackingverfahren und Klassifikationsalgorithmen kommen hierbei zum Einsatz.
Die Funktion der Fahrzeugerkennung ist bereits in einigen Anwendungen realisiert worden, so etwa in der adaptiven Geschwindigkeitsregelung (Adaptive Cruise Control, ACC).
Auch die erweiterte ACC- Funktion des Stop-and-Go, ein Fahrerassistenzsystem zum automatischen Anhalten und Wiederanfahren in Stausituationen, kann mit Hilfe der Fahrzeugerkennung umgesetzt werden, ebenso die so genannte Collision Mitigation- Funktion.
Ein derartiger kollisions-abschwächender Bremsassistent ist etwa im „Collision Mitigation Brake System“ von Honda realisiert worden.
3. Hinderniserkennung
In einigen Verkehrssituationen ist es ausreichend, bewegte oder unbewegte Hindernisse erkennen zu können, ohne dass dabei jedoch die Notwendigkeit besteht, diese auch zu klassifizieren.
Vielmehr geht es um die reine Detektion von Hindernissen und deren Geschwindigkeitsvektoren.
Mit Hilfe eines entsprechenden Fahrerassistenzsystems kann schnell entschieden werden, wie groß ein Hindernis ist und ob etwa eine Bremsung erforderlich wird.
Auch kann durch eine solche Funktion (Erkennung eines Hindernisses) der zur Verfügung stehende Freiraum erkannt werden, etwa beim Einparken.
In den Carais wird dies anhand von Lidar- und Radarsensoren sowie verschiedener Kamerasysteme umgesetzt.
Neben Video-, Infrarot- und 3D-Kamera kommt hierbei auch die für Fahrzeughersteller kostengünstige Ultraschalltechnologie zum Einsatz.
Die Funktion der Hinderniserkennung lässt sich für Einparkhilfen oder die Baustellenerkennung nutzen.
Auch Pre-Crash- Systeme, wie sie etwa bei Daimler bereits zum Einsatz kommen, sind eine mögliche Anwendung.
Künftig wäre weiterhin ein Einsatz im Bereich der Collision Mitigation denkbar.
4. Fahrbahnerkennung
Voraussetzung, um das Fahrzeugumfeld detailliert erkennen zu können, sind gewisse Kenntnisse über Fahrbahn: Wo befindet sie sich? Wie ist sie gestaltet? Wie breit ist der Fahrstreifen?
Basierend auf Fahrbahnmarkierungen oder mit Hilfe anderer Merkmale (z.B. der Beschaffenheit der Oberfläche) können derartige Informationen über die Fahrbahn generiert werden.
Im Carai geschieht dies mit Hilfe von Lidarsensoren und Videokameras zur Erkennung von Markierungen und Fahrbahnrändern.
Diese Informationen fließen in Schätzverfahren ein (Tracking), die den Fahrstreifenverlauf über die Zeit schätzen und so mögliche Veränderungen bezüglich wichtiger Parameter wie Breite oder Krümmungen voraussagen können.
Praktische Anwendung findet diese Funktion in Spurhaltesystemen wie dem Lane Departure Warning oder dem Lane Keeping.
Beim Autohersteller Honda etwa wird bereits ein aktiver Spurhalteassistent namens „Lane Keeping Assist System (LKAS)“ eingesetzt.
Auch in der adaptiven Geschwindigkeitsregelung (Adaptive Cruise Control (ACC) next generation) oder im Spurwechselassistent lassen sich derartige Funktionen realisieren.
5. Lokalisierung
Mit Hilfe der Lokalisierung können Informationen darüber generiert werden, wo sich das Fahrzeug innerhalb der Fahrbahn befindet.
Auf einem ersten Level kann etwa festgestellt werden, ob es sich auf einer Autobahn oder auf einer Bundestrasse bewegt.
Weitergehend kann sich das Fahrzeug sowohl lateral, also z.B. innerhalb der Spur, als auch längs positionieren, um so etwa Informationen über die Entfernung bis zur nächsten Ausfahrt zu erhalten.
Ziel ist dabei eine zentimetergenaue Lokalisierung, entweder ohne oder mit Vorwissen über die Umgebung (z.B. durch digitale Landkarten).
Realisieren lässt sich die Lokalisierung im Carai z.B. mit Hilfe von Kamerasystemen und Lidarsensoren.
Des Weiteren dient GPS/ DGPS der groben Positionierung, während die feine Lokalisierung im Zentimeterbereich durch Erkennen von Landmarken (z.B. Fahrbahnmarkierungen, Verkehrsschildern oder Ampeln) in Verbindung mit digitalen Karten erreicht wird.
Nutzen lässt sich diese Funktion etwa in einer kartengestützten adaptiven Geschwindigkeitsregelung (Adaptive Cruise Control, ACC) oder für standortbezogene Dienste wie z.B. Stauinformationen, die nur für die aktuelle Position des Fahrzeugs ausgegeben werden.
Auch im EU- geförderten Forschungsprojekt „SAFESPOT“ werden derartige Funktionen verwendet.
6. Kommunikation
Der Austausch von Informationen und Daten zwischen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur trägt in erheblichem Maße dazu bei, das eigene Bild der Fahrzeugumwelt zu erweitern und so die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Dies kann im Sinne von Car-to-Car-Kommunikation oder vom Fahrzeug zu einem beliebigen anderen Verkehrsteilnehmer, etwa zu Fußgängern (car2x/ c2x bzw. vehicle2x/ v2x), geschehen.
Um diese Funktion umzusetzen, werden im Carai aktive Kommunikationseinheiten wie GSM-Module, Standardkommunikationseinheiten (WLAN) oder zweckbestimmte Kommunikationseinheiten (z.B. basierend auf aktuellen C2C-Standards wie 802.11p oder IEEE 1609.3/4, WAVE) eingesetzt.
Diese können sowohl einzeln als auch durch Fusion mit anderen Sensoren genutzt werden.
Algorithmisch findet auf diese Weise ein allgemeiner Austausch von Informationen über bestimmte Kommunikationsprotokolle statt, welche dann in die eigene Umgebungswahrnehmung integriert werden können.
Praktische Anwendungen finden sich im Fußgängerschutz, etwa im Projekt „WATCH-OVER“.
Auch in Applikationen wie dem so genannten eCall werden Kommunikationsfunktionen realisiert. Systeme wie der „BMW-Assist“ von BMW ermöglichen im Bedarfsfall z.B. einen automatischen Notruf des Fahrzeugs.
7. Interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Maschine-Schnittstelle
Um Informationen eines Fahrerassistenzsystems unter Beachtung psychologischer und physiologischer Besonderheiten des Fahrers in optimaler Weise an diesen weitergeben zu können, werden Fahrerassistenzsysteme innerhalb des I-FAS interdisziplinär erforscht.
Innerhalb des Carai wird dazu das Fahrerverhalten etwa mit Hilfe diverser Eye-Tracker beobachtet und aufgezeichnet.
Reale Anwendung findet sich prinzipiell in jeder Mensch-Maschine-Schnittstelle (MMS) innerhalb eines Fahrzeugs.