7.2 Modulare Arithmetik und Primzahlen

Wir wollen hier das Argument mit der Matrix vollen Ranges aus dem vorherigen Kapitel in seiner Gesamtheit ausführen. Zur Erinnerung: wir haben zwei verschiedene Elemente s1,s2Zp und zwei (nicht notwenigerweise verschiedene) Zahlen z1,z2 und wollen zeigen, dass das Gleichungssystem

as1+bpz1as2+bpz2 .

genau eine Lösung hat. In einem ersten Schritt bilden wir die Differenz der Gleichungen:

a(s1s2)pz1z2 .

Dies ist eine Gleichung in einer Unbekannten: a. Der Einfachheit halber schreiben wir nun s:=s1s2 und z:=z1z2 und erhalten

aspz ,

eine Gleichung in einer Unbekannten. Wir werden nun zeigen, dass aspz genau eine Lösung hat. Sobald wir dies wissen, sehen wir per bpz1as1, dass es auch für bZp eine eindeutige Lösung gibt, und somit hat das Gleichungssystem genau eine Lösung und es folgt Pr[(π(s1),π(s2))=(z1,z2)]=1/p2. Wir müssen also nur zeigen, dass aspz genau eine Lösung in Zp hat. Dabei gilt sp0, da s1,s2Zp verschieden sind und somit s1s2 nicht 0 und auch sonst nicht durch p teilbar sein kann.

Wären s und z rationale Zahlen und hätten wir statt p eine Gleichheit =, dann würden wir as=z einfach zu a=z/s auflösen. Es ist aber nicht klar, dass wir in Zp auch dividieren können (wir können es; ich will aber den ganzen Weg zu Fuß gehen).

Lemma 7.2.1 Sei p eine Primzahl, sZp nicht 0 und zZp. Dann gibt es genau ein aZp mit aspz.

Beweis. Wir probieren es einfach mal aus. Wir nehmen p=13, s=4 und z=5. Wir legen eine Tabelle an, in der wir für jedes aZp den Wert 4amodp schreiben:

Ja, die 5 kommt genau einmal vor, und somit hat die Gleichung 4ap5 genau eine Lösung, nämlich 11. Strenggenommen hat sie natürlich unendlich viele: 11+13l für jedes lZ. Daher sagten wir: genau eine in Zp. Wir sehen aber noch mehr: jede Zahl in Zp kommt genau einmal vor. Wir behaupten: Sei 0sZp. Dann ist die Funktion f:aasmodp bijektiv. Da f:ZpZp ist, Definitions- und Wertebereich also gleich groß, gilt noch mehr: wenn f injektiv ist, dann ist die automatisch bijektiv. Es reicht somit, wenn wir zeigen, dass f injektiv ist.

Nehmen wir an, f wäre nicht bijektiv. Dann gäbe es 0a1<a2p1 mit

a1spa2s ,

also (a_1 - a_2) s \equiv_p 0. Setze t:=a1a2. Da a1 und a2 ungleich und beide kleiner als p sind, ist t=a1a2 nicht durch p teilbar. Genauso wenig wie s. Dagegen ist st=(a1a2)sp und somit ist st durch p teilbar. Fassen wir zusammen:

psptp|t .

Dies kann nicht geschehen, da p eine Primzahl ist.

Der letzte ist vielleicht nicht ganz offensichtlich. Beweisen wir ihn.

Lemma 7.2.2 (Lemma von Euklid). Sei pZ eine Primzahl und seien s,tZ. Wenn p|st, dann gilt auch p|s oder p|t.

Daraus folgt per Induktion die allgemeinere Aussage: wenn p|s1s2sk, dann gilt p|si für mindestens ein 1ik.

Fehlerhafter Beweis. Lemma 7.2.2 klingt für Sie vielleicht offensichtlich. Das folgt doch aus der Primfaktorzerlegung! Probieren wir es. Wir zerlegen s und t in ihre Primfaktoren: s=p1p2pkt=q1q2ql . Da st durch p teilbar ist, schreiben wir st=pr und zerlegen r in seine Primfaktoren: r=r1r2rm .

Wir haben nun zwei Primfaktorzerlegungen von st, nämlich

(1)st=pr1r2rm(2)st=p1p2pkq1q2ql .

Wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung müssen (1) und (2) bis auf Anordnung gleich sein. Da (1) die Primzahl p enthält, so muss auch (2) es enthalten, also muss p eines der pi oder eines der qj sein, und somit gilt p|s oder p|t.

Für diesen Beweis haben wir die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung benötigt. Beweisen wir die doch mal.

Lemma 7.2.3 Eine natürliche Zahl s lässt sich eindeutig (bis auf Umordnung) als Produkt

s=p1p2pk

von Primzahlen schreiben.

Beweis. Nehmen wir zum Zwecke des Widerspruchs an, dem sei nicht so, und es gäbe tatsächlich zwei verschiedene Primfaktorzerlegungen von s.

s=p1p2pkt=q1q2ql

Insbesondere erhalten wir die Gleichung

p1p2pk=q1q2ql

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass kein pi auf der rechten Seite vorkommt, da wir sonst beide Seiten durch pi dividieren könnten. Es gilt nun also, dass p1 die linke Seite teilt und somit auch die rechte Seite. Allerdings teilt p1 keines der Faktoren. Dies ist ein Widerspruch zu Lemma 7.2.2

Nun haben wir uns aber im Kreis gedreht. Lemma 7.2.2 haben wir mit Hinweis auf die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung bewiesen; letztere wiederum mithilfe von Lemma 7.2.2. So geht das nicht. Nein, wir müssen Lemma 7.2.2 beweisen, ohne die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung bereits anzunehmen.

Für einen anständigen Beweis brauchen wir folgendes Lemma:

Lemma 7.2.4 (Lemma von Bézout). Seien a,bZ, nicht beide 0. Dann gibt es Zahlen s,tZ mit ggT(a,b)=sa+tb. Mit ggT(a,b) bezeichnen wir den größten gemeinsamen Teiler von a und b.

Beweis. Da ggT(a,b)=ggT(|a|,|b|) gilt, können wir annehmen, dass a,b0. Wir verwenden Induktion über a+b. Wenn min(a,b)=0 gilt, sagen wir b=0, dann ist ggT(a,0)=a und 1a+00=a. Die gesuchten Zahlen s,t sind also zum Beispiel 1 und 0. Wenn a,b1 gilt, dann sei ohne Beschränkung der Allgemeinheit ab. Da ggT(a,b)=ggT(b,ab) gilt und b+(ab)<a+b, schließen wir per Induktion, dass es Zahlen s,t gibt mit sb+t(ab)=ggT(a,b). Somit ist

ggT(a,b)=sb+t(ab)=sb+tatb=ta+(st)b

und wir können s:=t und t:=st setzen.

Am Besten sieht man es an einem konkreten Beispiel:

10061=3939=100616139=2222=6139=61(10061)=2611003922=1717=3922=(10061)(261100)=21003612217=55=2217=(261100)(2100361)=5613100175=1212=175=(2100361)(5613100)=5100861125=77=125=(5100861)(5613100)=8100136175=22=75=(81001361)(5613100)=11100186152=33=52=(5613100)(111001861)=23611410032=11=32=(236114100)(111001861)=416125100

Beweis von Lemma 7.2.2. Wir zeigen: wenn p|st und ps, dann gilt p|t. Dies ist äquivalent zur Aussage des Lemmas. Da ps gilt, muss ggT(p,s)=1 gelten (Warum? Die Primzahl p hat als Teiler nur 1 und p, also muss der ggT entweder 1 oder p sein; p kann er wegen ps nciht sein). Nach Bézouts Lemma gibt es a und b mit

ap+bs=1

Wir multiplizieren beide Seiten mit t und erhalten

apt+bst=t

Nun sehen wir: p teilt st, also auch bst. Somit teilt es beide Summanden der linken Seite. Somit teilt p die linke Seite, also auch die rechte, und es gilt: p|t, wie behauptet.

Wir haben nun Lemma 7.2.2 bewiesen, ohne die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung zu verwenden. Letztere ist, wie wir ja oben im "fehlerhaften Beweis" gesehen haben, eine Konsequenz aus dem Lemma. Insofern haben wir nun auch bewiesen:

Theorem 7.2.5 (Fundamentalsatz der Arithmetik)