|
Praça do Império
Das Monument Ao Esfôrco Colonizador Português
- Porto 1934 -
Über zehn Meter erhebt sich der rechteckige Pfeiler aus achtzehn Granitblöcken in die Höhe. Flankiert wird er auf beiden Seiten von zwei Paaren kleinerer und schmalerer Rechtecke. Blickt man auf das Denkmal in Richtung des unweit liegenden Meeres, so verleiht die Abstufung der Blöcke dem Ensemble den Umriss einer stilisierten, ins Meer stechenden Karavelle mit einem Hauptmast und zwei Segeln. Betrachtet man das Denkmal von unten, überhöht die Abstufung die Monumentalität: Das obere Ende scheint sich ins Unendliche fortzusetzen.
Die Form des langen Pfeilers lässt an einen Obelisken denken. Doch stehen wir nicht vor einem Obelisken, da die obere Pyramide, die die Verbindung zwischen Irdischem und Himmlischen im Alten Ägypten herstellte, fehlt. Stattdessen schließt das Wappen Portugals den Pfeiler ab.
Am unteren Ende des Pfeilers stehen sechs menschliche Figuren: gerade, ja steif, mit angespanntem Körper, jedoch stoischer Miene. Diszipliniert stehen sie nebeneinander, so dicht, dass es vom Weiten so aussieht, als stünden sie Hand in Hand. In Wirklichkeit halten sie den Koloss: das Überseeimperium. In den Proportionen oder in der Mimik unterscheiden sich die sechs Figuren kaum. Auch durch den Kreis, den sie bilden, lassen sich keine Hierarchien zwischen ihnen ausmachen. Jede einzelne Figur unterscheidet sich von den anderen lediglich durch ein Symbol: Kreuz, Hermes-Stab, Ähre mit Sichel, Schwert, Äskulap-Stab und Brüste.
Das Denkmal Ao Esfôrco Colonizador Português (wörtlich: Der portugiesischen kolonialen Anstrengung) ist in der künstlerischen Darstellung, wie sein Name sagt, eine Hommage an diejenigen, die zum Aufbau des kolonialen Reichs beigetragen haben. Stellvertretend sind sechs stilisierte Personengruppen repräsentiert: der Missionar, der Händler, der Bauer, der Soldat, der Arzt und die Frau. Aber die Hommage richtet sich über diese Akteure hinaus an die koloniale Nation als Ganzes, symbolisiert durch die in die Höhe ragenden Granitblöcke. Das Monument erinnert nicht an eine bestimmte Kolonie oder an eine bestimmte Phase der portugiesischen Kolonisation, sondern an das portugiesische Kolonialreich insgesamt, ja an ein Kernelement der portugiesischen Nation als einer kolonialen. Auf das Kolonialreich verweist außer dem Bildnis auch die Bezeichnung des Platzes, der das Denkmal beherbergt: Praça do Império (Platz des Imperiums).
Doch stand das Denkmal nicht immer an dieser Stelle im Westen der Stadt Porto. Wie viele der öffentlichen Erinnerungsstätten in Portugal wurde auch diese im Zuge der Erinnerungspolitik des portugiesischen
Die Kolonialausstellung von 1934
Die Exposição Colonial do Porto war die erste ihrer Art in Portugal. Das Genre ‘Kolonialausstellung' war nicht neu. Kolonialausstellungen fanden als Teil der großen Weltausstellungen oder als eigenständige Veranstaltungen bereits seit dem 19. Jahrhundert in Europa statt. Sie dienten der Zurschaustellung von Waren aus Übersee und als Propagandaveranstaltung für die Kolonialpolitik der Regierung und hatten für das europäische Publikum den Charakter exotischer Jahrmärkte.[1] Mit der ersten portugiesischen Kolonialausstellung, die im Sommer 1934 im Palácio de Cristal der nordportugiesischen Industriestadt Porto stattfand, knüpfte der Estado Novo an diese Selbstdarstellungspraxis der europäischen Kolonialmächte an. Henrique Galvão, der als Generalkommissar den portugiesischen Auftritt im Rahmen der französischen Kolonialausstellung von 1931 in Vincennes gestaltet hatte, wurde beauftragt, die erste Kolonialausstellung in Portugal zu organisieren.
Die Ausstellung von 1934 war Teil der Kolonialpolitik des noch jungen Estado Novo. Oliveira Salazar war 1932 zum Ministerpräsidenten ernannt worden, seine Kolonialpolitik geht jedoch auf die Zeit der Militärdiktatur von Marschall Gomes da Costa (1926-1932) zurück. Während seiner Amtszeit als Kolonienminister im Jahre 1930 hatte Salazar eine politische, wirtschaftliche und ideologische Strategie für die portugiesischen Überseeterritorien entworfen. Die tiefe wirtschaftliche Krise vor allem in Angola und die vermehrten separatistischen Bewegungen in den Kolonien ließen seitens des Mutterlandes eine eindeutige politische Reaktion notwendig erscheinen. Auch der internationale Druck brachte das Regime Salazars dazu, eine offensive Kolonialpolitik zu treiben. Mit der imperialistischen Aggressivität der europäischen Kolonialmächte und des Deutschen Reiches zu einer Zeit des eskalierenden Nationalismus intensivierten sich in dieser Zeit wieder die Begehrlichkeiten vor allem Großbritanniens und Deutschlands auf die portugiesischen Überseeterritorien. Die Veröffentlichung im Jahr 1925 des im Auftrag des Völkerbundes angefertigten Ross-Berichts über die schlechten Arbeitsbedingungen in den portugiesischen Kolonien trug ein Weiteres dazu bei, dass die Stellung Portugals als Kolonialmacht geschwächt wurde.
Salazars Antwort noch als Kolonialminister war der so genannte Acto Colonial, der am 8. Juli 1930 in Kraft trat. Darin wird der Anspruch Portugals, Überseegebiete zu besitzen und kolonisieren, durch seine alte Entdeckungs- und Kolonisationsgeschichte legitimiert. Als zweites Argument kam die im Acto Colonial vertretene "organische Einheit" des portugiesischen Imperiums hinzu, der zufolge die Überseeterritorien nicht vom Mutterland trennbar seien. Beide Argumente, die mit dem Acto Colonial völkerrechtlichen Charakter beanspruchten, wurden für Jahrzehnte zu Stützpfeilern der Kolonialpolitik Salazars. Noch in den 60er Jahren, als die internationale Forderung zur Dekolonisation der portugiesischen Überseegebiete massiv wurde, hielt Salazar an ihnen fest.
Die offensive Kolonialpolitik der 1930er Jahre wurde von einer propagandistischen Kampagne flankiert, die ein doppeltes Ziel verfolgte: Zum einen sollte sie in der portugiesischen Bevölkerung das Bewusstsein von der Bedeutung der Kolonien stärken; zum anderen war sie Visitenkarte und zugleich ideologischer Schild gegen konkurrierende Kolonialmächte in Europa. So entwickelte sich die so genannte "imperiale Mystik", die auf folgenden Säulen aufbaute:
- die historische Prädestinierung Portugals für den Kolonialbesitz aufgrund der frühneuzeitlichen Entdeckungen,
- die Konzeptualisierung Portugals als einem Kolonialimperium,
- die organische Unteilbarkeit des Imperiums.
Die Kolonialausstellung von 1934 hatte das Ziel, die Kolonialpolitik Salazars in den ersten Jahren des Estado Novo ideologisch zu unterstützen. Das portugiesische Publikum sollte mit Stolz auf das Kolonialreich blicken und die Überseegebiete als wesentlichen, unverzichtbaren Teil der portugiesischen Nation verinnerlichen. Oberstleutnant António Leite de Magalhães, der im Gelände der Kolonialausstellung einen Vortrag zum Thema "Das Kreuz und das Schwert im Dienste des Imperiums" hielt, fasste die kolonialpädagogische Absicht in folgende Worte:
"Wir sind mitten in der Kolonialausstellung … Seit Wochen strömen Menschenmengen zu ihr, um mit staunenden Augen und einem vor Stolz überquellenden Herzen in seiner vollen Größe jenes Imperium zu sehen, das Portugal auf Erden erbaut hat."[2]
Auf dem Ausstellungsgelände bot sich den Augen der Besucher als Erstes das Denkmal Ao Esfôrco Colonizador Português, das die kolonialen Aktivitäten unter ihrem Aspekt der Anstrengung, der Mühe und des Kraftakts in die imperiale Mystik ehrend einbeziehen sollte. Das Monument, das von Sousa Caldas e Alferes Alberto Ponce de Castro entworfen worden war, thronte im Sommer 1934 an prominenter Stelle vor dem Palast der Kolonien am Eingang des Ausstellungsgeländes. Sein Name erinnert - sicher nicht zufällig - an den Titel des Buches, das der Kolonialminister und spätere Präsident Frankreichs, Albert Lebrun, in ähnlicher Absicht geschrieben hatte: L'effort colonial français. Auch Portugal, so die Botschaft nach Außen, kann seine kolonialen Leistungen unter Beweis stellen und aus ihnen die Legitimation seines Kolonialbesitzes ziehen.
Der Erinnerungsort Kolonialreich
Die Kolonialausstellung von 1934 wurde mit über einer Million geschätzter Besucher zu einem Erfolg für die Veranstalter. In schneller Abfolge organisierten sie in den kommenden Monaten und Jahren weitere propagandistische Veranstaltungen, die der Thematik der Kolonien und des Kolonialreichs gewidmet waren und der Verankerung des Salazaristischen Ideals einer "imperialen Mystik" dienten. Sie umfassten weitere Beteiligungen an Ausstellungen (Exposição de Arte Colonial, Neapel 1934; die portugiesische Präsenz in den Kolonialausstellungen von Paris 1937 und New York 1939) ebenso wie kolonialwirtschaftliche Fachkongresse (I Congresso de Intercâmbio Comercial com as Colónias, 1934; I Conferência Económica do Império Colonial, 1936) bis hin zu Propaganda-Filmen (O Feitiço do Império, 1940).[3] Höhepunkt war schließlich die Kolonialausstellung Exposição do Mundo Português im Jahr 1940 in Lissabon.
Der Estado Novo kreierte hiermit einen neuen Erinnerungsort: das Kolonialreich. Mit ihm wurde das Zeitalter der Entdeckungen als Bestandteil portugiesischer Nationalidentität ins 20. Jahrhundert verlängert, indem seine Botschaften aktualisiert und an die europäischen Verhältnisse nach dem 1. Weltkrieg angepasst wurden.
Das Monumento Ao Esfôrco Colonizador Português ist der einzige bauliche Überrest der Kolonialausstellung. Doch der Erinnerungsort Kolonialreich überdauerte die Kurzlebigkeit, die einer solchen Veranstaltung inhärent ist. Während der Jahrzehnte des Estado Novo trug er zur Stabilisierung der offiziellen Nationalidentität bei.
Nach dem Ende der Ausstellung wurde das Denkmal Ao Esfôrco Colonizador Português am Gelände des Palácio de Cristal abgebaut und auf einem neuen Platz im Westen Portos errichtet, der 1937 den Namen Praça do Império erhielt, wo es noch heute steht.
Berücksichtigt man die physische Umgebung, in der sich das Monument heute befindet, so stellt man fest, dass der Erinnerungsort Kolonialreich, dem der Entstehungskontext des Denkmals diente, mit der Verlegung nicht verloren ging, sondern im Gegenteil verstetigt wurde.
Die Praça do Império liegt in Porto, im Stadtteil Foz do Douro an der Douro-Mündung. Früher eine eigene Gemeinde, ist Foz heute ein Bezirk Portos, bekannt als ein Viertel der gehobenen Schichten. Die Praça do Império liegt im modernen Teil von Foz, der im Zuge der urbanen Expansion durch lange Alleen stadtauswärts entstanden ist.
An der Praça do Império laufen mehrere Straßen zusammen. Von Nordosten kommend mündet die lange und breite Avenida do Marechal Gomes da Costa ein, benannt nach dem Anführer des Militärputsches vom 28. Mai 1926, aus dem sich die Diktatur des Estado Novo entwickelte. Vom Osten her verläuft die Rua Bartolomeu Velho, eine enge aber lange Straße, die bis zum berühmten Park der Stiftung Serralves führt. Diese Straße ist nach einem bedeutenden Kartographen des 16. Jahrhunderts benannt. Unterwegs quert sie zunächst die Rua Henrique Lopes de Mendonça (in Erinnerung an den Autor des Textes der portugiesischen Nationalhymne), danach die Rua João de Barros (nach dem portugiesischen Humanisten und Autor der Décadas de Asia, einem monumentalen Werk über das frühneuzeitliche portugiesische Kolonialreich im Orient) und schließlich die Rua Gil Eanes (benannt nach dem Entdecker, dem im 15. Jahrhundert die Überquerung des Kap Bojador gelang). Von der Praça do Império ostwärts führt die Rua Diogo Botelho, der wie Bartolomeu Dias ein Kartograph des 16. Jahrhunderts war. Nach Süden verbindet die Rua Diu den Platz mit der Avenida do Brasil, der Promenade an der Mündung des Douro in den Atlantischen Ozean. Beide Straßen erinnern an ehemalige portugiesische Kolonien. Nach Westen führt die Rua D. Nuno Álvares Pereira, die uns in eines der wichtigsten Loci des portugiesischen kollektiven Gedächtnisses versetzt. Als der portugiesische König Fernando I. im Jahre 1383 starb, hinterließ er als einzige legitime Thronanwärterin seine Tochter Beatriz, die mit dem kastilischen König Juan I. verheiratet war. Einflussreiche Kreise der Gesellschaft jedoch, die einen Verlust der portugiesischen Souveränität verhindern wollten, unterstützten João, Mestre de Avis, den illegitimen Sohn von Pedro I., in seiner Thronanwartschaft gegen Beatriz. Einer von ihnen, D. Nuno Álvarez Pereira, wurde zum Militärstrategen im Kampf gegen die Truppen von Juan I. In der Schlacht der Atoleiros von April 1384 führte Pereira die portugiesischen Truppen an, die die kastilischen Heere besiegten. Als sein größter Verdienst gilt der Sieg gegen die Kastilier in der Schlacht von Aljubarrota im August 1385, die den Thronansprüchen Juans I. ein Ende setzten und die Erhaltung der portugiesischen Souveränität garantierte.
Die verdichtete Konzentration von Erinnerungen in der Toponimik um das Monument Ao Esfôrco Colonizador Português gehört zum Denkmal und zum Erinnerungsort, den es transportiert. Sie ist zugleich Teil der offiziellen Erinnerungspraktiken im heutigen Portugal. Dieses Netz an Erinnerungen, in dem das Denkmal seine Bedeutung erhält, rückt den Erinnerungsort Kolonialreich zu den zentralen symbolischen Säulen der offiziellen Version portugiesischer Nationalidentität: die Entdeckungen des 16. Jahrhunderts, die Unabhängigkeit von Spanien, die portugiesische Nationalhymne. Der Namen des Platzes "Praça do Império" verweist auf den gleichnamigen monumentalen Platz in Belém, im Westen Lissabons, einen der öffentlichen Plätze Portugals, in denen sich die Erinnerung an die historische Vergangenheit am dichteten konzentriert.
Dass das Denkmal nicht nur ein Überrest einer national und imperialistisch orientierten Erinnerungspolitik ist zeigt sich darin, dass der Ort und mit ihm die Erinnerung gepflegt werden. Das Straßenschild der Praça do Império ist neueren Datums und ebenso schön herausgeputzt wie der ganze Platz. Um das Monument erweitern drei konzentrische Ringe den inneren Kreis: Direkt um das Monument ist ein Blumenbeet angelegt, um dieses herum liegt ein Rasenkranz, beides gepflegt und sauber gehalten. Auf der Rasenfläche sorgen vier Lichtstrahler für nächtliche Beleuchtung. Den Außenkranz bildet ein gepflasterter Fußweg aus Calçada Portuguesa mit abstrakten Mustern.
Auch wenn das Thema des Kolonialimperiums heute die Propagandafunktion verloren hat, die es im Estado Novo der 30er Jahre erfüllte, legt die Praxis, das Originaldenkmal und die Toponimik des Platzes ohne jegliche Rekontextualisierung beizubehalten und das Ensemble zu pflegen den Gedanken nahe, dass die dort versammelten Symbole die Funktion der Stabilisierung portugiesischer Nationalidentität im offiziellen Diskurs behalten sollen.
Dr. Teresa Pinheiro
[1] Debusmann/Riesz 1995: vii.
[2] Magalhães 1934: 5.
[3] Bethencourt/Chaudhuri 2000: 28.
Bibliographie:
Bethencourt, Francisco / Kirti Chaudhuri (2000): História da Expansão Portuguesa. Vol. 5: Último Império e Recentramento (1930-1998). Lisboa: Temas e Debates.
Debusmann, Robert / Janos Riesz (1995): Kolonialausstellungen, Begegnungen mit Afrika? Frankfurt a.M.: Iko.
Magalhães, António Leite de (1934): A Cruz e a espada ao serviço do Império. [o.O.]: Edições da 1ª Exposição Colonial Portuguesa.
|
Juniorprofessur Kultureller und Sozialer Wandel, TU Chemnitz
|