MUSIC-mode Rasterkraftmikroskopie
Nanoskalige Tiefenprofile weicher Polymeroberflächen
Rasterkraftmikroskopie im Tastmodus (engl., tapping mode oder intermittent contact mode) ist die bevorzugte Messmethode für die hochauflösende Abbildung weicher Oberflächen, wie z.B. von Kunststoffen, Flüssigkeiten oder lebenden Zellen. Dabei wird die Form der Oberfläche zeilenweise mit einer sehr feinen, vibrierenden Spitze abgetastet, die wenige Nanometer tief in die weiche Oberfläche eindringt. Dieses Eindringen der Spitze in die Probe wurde bisher als ein unerwünschter Nebeneffekt dieser Messmethode angesehen und die Darstellung der Oberfläche war nur als Fläche möglich.
Dr. Eike-Christian Spitzner hatte die Idee, die Information der Eindringtiefe für ein bildgebendes Verfahren zu verwenden und daraus Tiefenprofile und Volumenbilder des oberflächennahen Bereichs weicher Materialien zu rekonstruieren, z.B. Blockcopolymeren und elastomerem Polypropylen [1]. Das Messverfahren funktioniert ähnlich wie das Abtasten eines Handrückens: Die vibrierende Spitze berührt die Probenoberfläche wie ein Finger die Oberfläche des Handrückens. Bei etwas mehr Druck gibt das weiche Gewebe unter der Haut nach und mit dem Finger können steife und weiche Stellen unter der Oberfläche ertastet werden. Wird der Finger zurückgezogen, nimmt das Gewebe des Handrückens wieder seine ursprüngliche Form an. Auch die Spitze des Rasterkraftmikroskops kann problemlos bis zu einem gewissen Punkt in die Oberfläche weicher Proben eindringen, ohne sie dauerhaft zu verformen.
Eine Variation der Methode ist der multi-set point intermittent contact (MUSIC) mode [2] mit dem zuverlässig und frei von Regelungsartefakten weiche und fragile nanoskalige Objekte mittels Rasterkraftmikroskopie im tapping mode abgebildet werden können. Für diese beiden Arbeiten [1,2], die Teil seiner Doktorarbeit [3] sind, wurde Dr. Eike-Christian Spitzner mit dem Edgard-Heinemann-Preis 2012 ausgezeichnet [4].
Inzwischen haben wir mit diesen beiden Verfahren eine Vielzahl molekularer Materialien untersucht: z.B. supramolekulare Aggregate [4], einzelne Kollagenfibrillen und natürliche Sehnen [5-7], polymerfunktionalisierte Graphenoxidschichten [8] sowie halbleitende Polymere [10-12].
[1] E.-C. Spitzner, C. Riesch, R. Magerle, ACS Nano 5, 315–320 (2011).
[2] E.-C. Spitzner, C. Riesch, R. Szilluweit, L. Tian, H. Frauenrath, R. Magerle, ACS Macro Lett. 1, 380–383 (2012).
[3] E.-C. Spitzner, Dissertation, TU Chemnitz (2012). PDF
[4] Uni aktuell vom 13.04.2013.
[5] E.-C. Spitzner, S. Röper, M. Zerson, A. Bernstein, R. Magerle, ACS Nano 9, 5683–5694 (2015).
[6] M. R. Uhlig, R. Magerle, Nanoscale 9, 1244–1256 (2017).
[7] R. Magerle, M. Dehnert, D. Voigt, A. Bernstein, Anal. Chem. 92, 8741–8749 (2020).
[8] M. Dehnert, E.-C. Spitzner, F. Beckert, C. Friedrich, R. Magerle, Macromolecules 49, 7415–7425 (2016).
[9] M. Dehnert, R. Magerle, Nanoscale 10, 5695–5707 (2018).
[10] M. Zerson, E.-C. Spitzner, C. Riesch, R. Lohwasser, M. Thelakkat, R. Magerle, Macromolecules 44, 5874–5877 (2011).
[11] M. Zerson, M. Neumann, R. Steyrleuthner, D. Neher, R. Magerle, Macromolecules 49, 6549–6557 (2016).
[12] S. Vazirieh Lenjani, M. Zerson, Q. Wang, M. Sommer, R. Magerle, ACS Macro Lett. 8, 1611–1616 (2019)