Universitätsarchiv häufte in 40 Jahren 2000 Regalmeter Archivgut an
Auflösung der Außenstelle Zwickau des Universitätsarchivs: Bei der Einlagerung in Chemnitz halfen Dr. Dagmar Szöllösi, Fahrer Jan Göbel, Stephan Luther und Ursula Ulbricht
Was ist ein Archiv? Wenn man dem "Normalsterblichen" diese Frage stellt, kann dieser kaum eine befriedigende Antwort finden. Ein paar wenige Eingeweihte wissen, daß dort alte, verstaubte Akten aufbewahrt werden. Was aber damit im Archiv geschieht, entzieht sich der weiteren Kenntnis.
Ganz allgemein gesagt, stellen die Archive sozusagen das Gedächtnis der Menschheit dar, und das Archiv hat die Aufgabe, das Material so aufzubereiten, daß es den unterschiedlichsten Nutzergruppen zugänglich gemacht wird. Im Archiv unterscheiden wir zwischen internen, privaten und wissenschaftlichen Nutzungen. Da die Universität keine selbständige Altregistratur bzw. ein Zwischenarchiv unterhält, wird diese Aufgabe durch das Universitätsarchiv mit übernommen und die einzelnen Fachbereiche oder die Universitätsverwaltung können hier auf ihr älteres Schriftgut, sofern es wieder benötigt wird, zurückgreifen. Eine große Gruppe bei den privaten Nutzungen machen die Anfragen zu Studienbescheinigungen und die Erstellung von beglaubigten Zeugniskopien aus. Aber auch bei der Organisation von Seminargruppentreffen ist das Archiv behilflich. Nutzen kann das Archiv jeder, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Wenn es der Zustand der Akten und der Grad der Verzeichnung zulassen, wird auch nahezu jede Akte dem Benutzer vorgelegt. Ausnahmen bilden Akten mit personenbezogenen Daten sowie Akten, die nach dem 3. Oktober 1990 entstanden sind. Erstere unterliegen nach dem Sächsischen Archivgesetz einer Schutzfrist von zehn Jahren nach dem Tod des Betreffenden bzw. wenn das Todesdatum nicht ermittelbar ist, 100 Jahre nach der Geburt. Für nach dem 3. Oktober 1990 entstandene Akten gilt eine Schutzfrist von 30 Jahren.
Vor der Nutzung muß das Archiv natürlich die erste archivarische Aufgabe erfüllen, die der Sicherung, d. h. durch Übernahmen der nicht mehr benötigten Unterlagen in das Archiv die Voraussetzungen zu schaffen, damit dies die Funktion des Gedächtnisses erfüllen kann. Dazu gehört ebenso, daß die Lagerungsbedingungen so optimal wie möglich gestaltet werden, um das Schriftgut langfristig aufzubewahren bzw. wenn es zu Schädigungen gekommen ist, diese nach dem Abwägen von Kosten und Nutzen durch Restaurierungsarbeiten zu beseitigen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf einen wesentlichen Unterschied zu einem Museum oder einer Bibliothek hinweisen. Die Bestände eines klassischen Archivs erwachsen aus einer bestimmten Zuständigkeit. Das bedeutet, daß jedes Archiv für die historische Aktenüberlieferung einer bestimmten Einrichtung zuständig ist und diese ihr nicht mehr benötigtes Schriftgut an das Archiv abgibt. Darüber hinaus kann ein Archiv auch provenienzfremdes Material zur Anreicherung der überlieferung sammeln.
Das Uniarchiv besteht seit nunmehr 40 Jahren, seine Wurzeln reichen jedoch in die Anfangszeit der technischen Ausbildung in Chemnitz. Zu den ältesten Zeugnissen im Archiv zählen die Matrikelbücher, die lückenlos seit der Gründung der Königlichen Gewerbschule im Jahre 1836 vorhanden sind. Die eigentliche Aktenüberlieferung setzt erst gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts ein.
Bis in das Jahr 1956 hinein gab es kein Archiv im eigentlichen Sinne. Als am 17. September 1956 der erste Archivar Erwin Jentzsch an der damaligen Hochschule für Maschinenbau Karl-Marx-Stadt eingestellt wurde, konnte von einem funktionierenden Archiv noch keine Rede sein. In einem Bericht vom 9.1.1964 schildert dieser, daß er Regalbauten und Türdurchbrüche zur Einrichtung und Erweiterung der Archivräume im Gebäude Straße der Nationen selbst vornehmen mußte und darüber hinaus zu vielen anders gearteten Arbeiten außerhalb des archivischen Tätigkeitsbereiches herangezogen wurde. Die Aktenüberlieferung der Technischen Lehranstalten mußte er sich teilweise mühsam aus den einzelnen Bereichen zusammensuchen. Für den Zeitpunkt der Übergabe des Archivs an seinen Nachfolger Lothar Weltz im Frühjahr 1964 konstatierte Jentzsch bereits einen "brauchbaren" Zustand des Archivs. Unter seinem Nachfolger zog das Archiv zwei Jahre später in den Thüringer Weg 9 und 11 um. Anfang der 70er Jahre zog das Archiv noch einmal, an seinen jetzigen Standort in die Reichenhainer Straße 41 um. Damit verbunden war die moderne Neuausstattung des Archivs mit fahrbaren Regalanlagen, die auch heute noch ihren Dienst versehen. Dieser neuerliche Umzug des Archivs muß im Gesamtkontext der Reformierung der Schriftgutverwaltung innerhalb der Hochschule gesehen werden. Mit der Einführung eines einheitlichen Aktenplanes und der Loseblattablage waren wesentliche Schritte für eine effektivere Verwaltungsarbeit getan. Die Durchsetzung des Aktenplanes und die später folgende Abgabe an das Archiv stieß nicht immer auf das Verständnis der aktenführenden Stellen.
Seit dem Bestehen des Archivs haben sich die Bestände des Archivs wesentlich erweitert. So wurde z. B. das Archivgut der ehemaligen Pädagogischen Hochschule Zwickau mit deren Eingliederung von 1992 übernommen und im Sommer 1996 von der bis dahin genutzten Außenstelle in Zwickau nach Chemnitz umgelagert. Z. Zt. werden im Archiv 26 Bestände von den verschiedensten Schulen des Chemnitzer Raumes verwahrt, wobei natürlich der Bestand der Technischen Universität und deren Vorläufer den größten Anteil hat. Dazu kommen noch 17 Nachläße oder Schülermitschriften, eine umfangreiche Fotosammlung mit ca. 40.000 Fotos, eine Sammlung von Druckklischees sowie eine Tonbandsammlung. Alles in allem werden im Archiv ca. 2.000 laufende Regalmeter Archivgut verwahrt. Als jüngste Beispiele für die übernahmen von Nachlässen wären die Teilnachlässe der Professoren Johannes Volmer und Gerhard Fischer zu nennen. Darüber hinaus steht das Archiv mit etlichen ehemaligen Profeßoren der TU in Verbindung, um deren Nachlaß ebenfalls zu übernehmen.
Magazinraum K010 des Archivs der TU in der Reichenhainer Straße 41 in Chemnitz.
Bei Abgaben aus den Fakultäten und Abteilungen der Universitätsverwaltung mußte das Archiv in jüngster Vergangenheit leider bremsen, da nahezu keine freien Magazinkapazitäten zur Verfügung stehen. Mit neuen Räumen, die hoffentlich noch in diesem Jahr zur Nutzung übergeben werden, kann jedoch wieder zu einer planmäßigen Übernahme übergegangen werden. Abschließend sollen noch in kurzen Stichpunkten die momentanen Arbeiten des Archivs umrissen werden. Oben wurde schon kurz erwähnt, daß durch die Auflösung von Hoch- und Ingenieurschulen deren Bestände in das Universitätsarchiv gelangten. Gegenwärtig werden im Rahmen einer ABM die Studentenakten der ehemaligen Pädagogischen Hochschule neu geordnet und per Datenverarbeitung intensiv verzeichnet. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme ergab sich aus einer Aufgabe, die im eigentlichen Sinne keine archivische ist. Durch die Anpassung des ostdeutschen an das altbundesdeutsche Rentenrecht ist es notwendig, die Beschäftigung einschließlich Studienzeit lückenlos nachzuweisen. Die Auskunftserteilung in diesem Bereich durch das Archiv hat sprunghaft zugenommen. Waren es im vergangenen Jahr noch ca. 370 Sozialanfragen, wird sich diese Zahl für 1996 auf etwa 800 erhöhen. Bei gleichbleibender Anfragepraxis und den steigenden Studentenzahlen, die eine Studienbescheinigung für Rentenzwecke benötigen, kann in den nächsten 5-10 Jahren von einer Verzehnfachung der Anfragen in diesem Bereich ausgegangen werden. Schon heute nehmen diese Arbeiten die Hälfte der Arbeitszeit der Mitarbeiter im Archiv in Anspruch. Eine wichtige Aufgabe eines jeden Archivs ist seine wissenschaftliche Nutzung. Keine seriöse historische Abhandlung kommt ohne den Rückgriff auf archivarische Quellen aus. Auch bei der Institutionsgeschichtsschreibung kann und muß auf die im Archiv gelagerten Unterlagen zurückgegriffen werden. So wurde in Vorbereitung des 30jährigen Bestehens der Fakultät für Elektrotechnik vielfältiges Archivmaterial genutzt. Immer wieder gibt es Anfragen und Recherchen zu berühmten Lehrern und Schülern unserer Einrichtung, wie z. B. Adolf Ferdinand Weinhold, Eduard Theodor Böttcher, Gustav Anton Zeuner oder Clemens Winkler. Zunehmend werden durch die Lehrstühle der Technischen Universität Arbeiten an Studenten zu historischen Themen vergeben.
Im nächsten Jahr jährt sich der Geburtstag des bekannten Technikwissenschaftlers Carl von Bach zum 150. Mal. In diesem Zusammenhang möchte das Archiv gemeinsam mit der Geburtsstadt Bachs, Stollberg, eine Ausstellung zur Würdigung seiner Person gestalten. In den Magazinräumen des Archivs lagert nahezu der gesamte Nachlaß mit einem Umfang von ca. 20 laufenden Regalmetern, der einen reichhaltigen Fundus bietet. Es lagern noch viele ungehobene Schätze in unserem Archiv, die der künftigen Auswertung harren. So ist z. B. der Bestand der Stiftungsakten nahezu unbeachtet geblieben. An der Gewerbschule bestanden eine Reihe von Stiftungen ehemaliger Schüler oder Lehrer, die mit diesen Mitteln größtenteils bedürftigen Studenten ein Studium ermöglichen wollten. Ebenso ist es möglich, die jüngere Zeitgeschichte unserer Universität zu beleuchten, da nach dem sächsischen Archivgesetz die Akten von 1945 bis 1990 lediglich mit den Einschränkungen, die durch die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes gegeben sind, ohne Schutzfristen zugänglich sind.
Mit diesem kleinen Artikel sind hoffentlich die Geschichte und die aktuellen Aufgaben etwas klarer geworden. Für weitere Anfragen ist das Archiv jederzeit gerüstet (Telefon: 0371 / 531-32694).
Stephan Luther
Leiter des Universitätsarchivs