Sexta-feira/Freitag, 29.09.2006
Nach wenigen Stunden Schlaf lockte das Frühstück mit dem Geruch frischen Toasts aus der Küche der 1998 zur Expo erbauten Herberge. Nach dem Schaffen einer ordentlichen Grundlage, so wie wir es gelernt hatten, war die Vorfreude auf die anstehende Tour durch die Hauptstadt kaum mehr zu zügeln und die Gruppe machte sich voller Erwartungen auf in Richtung Baixa. Den ganzen Vormittag durchstreifte der Klassenverband unter ortskundiger Führung von Frau Dr. T. Pinheiro, gelernter Lissabonerin, das Zentrum der Stadt und machte sich auf, den Anstieg zur Burg des São Jorge in Angriff zu nehmen. Nach Überwindung einiger Höhenmeter, vorbei an immer wieder lockenden Aussichtspunkten auf die Mündung des Flusses Tejo, gelangte die Gruppe zum Castelo de São Jorge von wo aus man einen herrlichen Rundblick über die Weite der Stadt genießen kann. Frau Dr. T. Pinheiro unterhielt während der ganzen Tour mit stadtgeschichtlichen Fakten und reicherte Ihre Erklärungen mit Anekdoten aus Ihrem Leben in Lissabon an. Nach kurzer Überführung per ÖNPV kam der Klassenverband geschlossen im Stadtteil Belém an, dem Heimathafen der portugiesischen Entdeckungsfahrer die einst das Fundament für das Kolonialimperium schufen. Dort befindet sich auch das Wahrzeichen Lissabons, der Torre de Belém. Dieser gehört zusammen mit dem Mosteiro dos Jerónimos (Hieronymus-Kloster) zu den wenigen Bauwerken der Manuelinik.
Nachdem nun erste Eindrücke gewonnen waren, begab sich der Klassenverband durch den Großstadtdschungel zum Campus der Universität wo wir bereits von einer Repräsentantin der Europa-Studien erwartet wurden. Der Nachmittag war gefüllt mit der Vorstellung des Studienangebots der Universität durch die ERASMUS-Beauftragte, einer Führung über den Campus, und abschließend dem Vergleich der zahlreichen Cafeterias mit deren Chemnitzer Pendant. Mittlerweile nicht mehr überrascht ob des reichhaltigen Angebotes an verschiedenen Kaffees und mittlerweile der Namen des jeweiligen Kaffeelieblings mächtig, verweilten wir in entspannter Atmosphäre, taten es unseren Gastgebern nach und verarbeiteten die vielfältigen Eindrücke des Tages beim relaxar in der warmen Spätnachmittagssonne.
Aber noch war nicht aller Tage Abend - das rückschauend von allen als das Highlight der Exkursion bewertete Treffen mit Vertretern der Bürgerinititative Não Apaguem a Memória („Löscht das Gedächtnis nicht!“) stand noch bevor. Pünktlich um 19.00 erreichten wir den Sitz der Initiative, mitten im geschäftigen Treiben der Baixa gelegen. Dort wurden wir empfangen von dem Vorsitzenden und einem weiteren ehemaligen hochrangigen Armeemitglied welche aktiv an der Gestaltung und Ausführung der Nelkenrevolution 1974 beteiligt waren. Beide vermochten es, einen lebhaften Eindruck der Geschehnisse zu vermitteln die damals zum Sturz des Salazar-Regimes geführt hatten. Als direkt im Militärputsch Involvierte bestachen Ihre Beschreibungen durch Anekdoten und Geschichten die der Historie Leben verliehen und uns Zuhörer mitten ins Geschehen versetzten. Besonders die Schilderungen Ihrer Lebensläufe verdeutlichten den Unterschied zwischen dem damaligen, isolierten Portugal und dem heutigen, weltoffenen Land. Uns alle ließ dieses Treffen die Notwendigkeit erkennen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit Zeitzeugen ist um die Hintergründe von Geschichte zu begreifen. Doch bei dem Treffen wurde auch noch der derzeitige Umgang mit der portugiesischen Geschichte während des Regimes diskutiert, die Initiative engagiert sich in vielen Projekten für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Leben in Portugal während der Diktatur. Zum Beispiel kämpft sie für eine Umwandlung des ehemaligen Hauptsitzes der Geheimpolizei PIDE in ein Museum zur Erinnerung und Aufarbeitung der Verbrechen dieser Organisation. Dieses Treffen hinterließ bei allen einen tiefen Eindruck und Respekt vor dem Engagement der beiden älteren Herren.
Am späten Abend eines langen Tages wurde nochmals das schon vortags eroberte Rieseneinkaufszentrum frequentiert um sich für die langen Jugendherbergsabende mit Speisen und Getränken auszurüsten. Friedlich und erschöpft beschloß der Klassenverband den Tag mit einem Ausflug ins Bairro Alto, dem Kneipenviertel in Portugal schlechthin und mobilisierte alle noch vorhandenen Kräfte um bis in die frühen Morgenstunden regionaltypische Destillate verschiedenster Arten und Farben zu probieren. Das Erkunden der in verwinkelten Gassen versteckten tascas e tavernas (Kneipen und Bars) diente als letzte Feuerprobe für den nächsten Tag der ja dem selbständigen Erkunden der Stadt gewidmet war.