Springe zum Hauptinhalt
Professur Politische Theorie und Ideengeschichte
Politische Theorie und Ideengeschichte
Professur Politische Theorie und Ideengeschichte 

Habilitationen

Laufende Projekte

Rekonstruktion und Neuschöpfung der Demokratie im Anschluss an Jean-Jacques Rousseau

In der Geschichte des politischen Denkens werden klassische Texte beständig neu gelesen. Die damit verbundene Rationalisierung und Dynamisierung politischer Theorien schließt dabei stets retrospektive Deutungskämpfe mit ein. Ich knüpfe hierbei an ein Verständnis von Ideengeschichte an, die diese als Archiv und Arsenal umschreibt, um jenes historische und aktuelle Ringen um Argumente und Texte einzufangen. Dies ermöglicht es, politische Theorien vor ihrem historischen Kontext zu notieren und die späteren Textrezeptionen selbst als konflikthafte Interventionen wahrzunehmen. Schließlich ist mit ihrer Re- oder Dekonstruktion ein eigenes theoretisches Potential verbunden, das sich in vielfältigen Semantiken offenbart. Der Versuch, Ideengeschichte als politisch-theoretisches Arsenal zu begreifen, entdeckt somit auch die analytisch-konzeptionellen Instrumente ihrer Re-Lektüren.

Mein Projekt verfolgt das Ziel, das Werk Jean-Jacques Rousseaus als Stichwortgeber für die moderne politische Theorie zu untersuchen und für eine Historisierung seiner vielfältigen Deutungen im 20. Jahrhundert sichtbar zu machen. Gerade weil bei Rousseau nur schwer von einer konsistenten politischen Philosophie gesprochen werden kann, lieferte er mannigfaltige Elemente für die moderne Demokratietheorie: für die Begründung eines liberalen Individualismus wie für das Stichwort einer totalitären Demokratie, die gerade den Verlust des autonomen Individuums beklagen muss; für eine Idee von Volkssouveränität und für eine sittliche Bürgergemeinschaft; für die Antinomien zwischen Freiheit und Gleichheit, Konsens und Konflikt wie Mehrheit und Minderheit und nicht zuletzt für die Differenz von Staat, Politik und dem Politischen. Es gilt, ein analytisches Instrument dafür zu finden, wie die Re-Lektüren Rousseaus zu Projektionsflächen für politische Konzepte und Begriffe wurden.

Dr. Ellen Thümmler

Verwissenschaftlichung der Politik zwischen Staatsrechtslehre und Politikwissenschaft

Innerhalb der Geschichte der Politikwissenschaft ist ihre Transformation aus der deutschen Staatsrechtslehre, verknüpft mit ihrer institutionellen Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg eine spannungsreiche Periode. Wie konflikthaft dieser Prozess war, lässt sich an zahlreichen "Gründungsvätern" der Politikwissenschaft dokumentieren: Einerseits konnten sie auf eine staatsrechtswissenschaftliche Ausbildung zurückschauen und waren nicht selten Autoren von staats- und verfassungsrechtlichen Schriften. Andererseits unterzogen sie als Politikwissenschaftler die Staatsrechtslehre im Allgemeinen und einzelne rechtstheoretische Strömungen im Besonderen einer grundlegenden Kritik. Diese richtete sich nicht allein auf bestimmte Methoden und wissenschaftstheoretische Prämissen, sondern fragte nach dem demokratietheoretischen Standort einzelner staatsrechtlicher Lehren und nahm mitunter auch das politische Verhalten von einzelnen Gelehrten in den Blick. Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass entsprechende disziplingeschichtliche Diskussionen bis heute nicht frei von Vorurteilen, Fehlwahrnehmungen und politischen Vorwürfen sind. Eine bloß solche Rekonstruktion der eigenen Disziplin wird dem komplexen und vielgestaltigen Feld der "Verwissenschaftlichung des Sozialen" (L. Raphael) kaum gerecht. Das Forschungsprojekt hingegen anhand eines Sets herausragender Vertreter zwischen Staatsrechtslehre und Politikwissenschaft nach veränderten Wissensdispositiven bzw. den historischen Bedingungen und Grenzen einer Wissenschaft von der Politik. Erst diese problemgeschichtliche Perspektive ermöglicht die Frage nach politiktheoretischen Formationen, Brüchen und Kontinuitäten. Die Prämisse des Projekts besteht in der Annahme, dass bestimmte Trends moderner Gesellschaften eine Transformation der wissenschaftlichen Bestimmung von Politik, Staat, Recht und Gesellschaft verlangten – eine Diskussion, die bereits in der Staatsrechtslehre seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert geführt wurde, um von den historischen Epochenbrüchen des 20. Jahrhunderts überlagert zu werden.

Dr. Frank Schale