Pressemitteilung vom 08.10.1999
Löten von Keramiken und Metallen mit zwei Schmelzpunkten
WerkstoffwissenschaftenVom Löten von Keramiken und Metallen mit zwei Schmelzpunkten
Lötexperten treffen sich an der Chemnitzer Uni
Das Löten ist eines der ältesten Verfahren, um zwei Metallteile miteinander zu verbinden. Schon vor rund 6000 Jahren, als die Menschen lernten, Metalle aus Erz zu erschmelzen, war es bekannt. Noch immer gehört es zu den wichtigsten Verfahren der "Fügetechnik". Darunter verstehen Fachleute alle Methoden, mit denen unterschiedliche Werkstoffe oder Einzelteile miteinander verbunden werden, sei es nun das mit dem Löten verwandte Schweißen, das Schrauben, Klemmen, Nieten, Verzahnen oder Kleben.
In all dieser Zeit hat das Löten nichts von seiner Wichtigkeit verloren - kein elektrisches oder elektronisches Gerät, keine Wasserleitung, kein Autokühler kommt ohne es aus. Mehr noch: Durch neue Materialien und neue Techniken sind die verschiedenen Lötverfahren - über hundert gibt es insgesamt - wichtiger denn je. Längst nämlich kann man nicht nur Metalle löten, sondern auch Teile aus Keramik (siehe hierzu auch unsere Pressemitteilung Nr. 108 vom 23.8.1999, im Internet unter http://www.tu-chemnitz.de/tu/presse/1999/08.23-17.26.html), und statt eines Lötkolbens oder einer Lötlampe benutzt man unter anderem Laser. Das Löten lässt sich außerdem verhältnismäßig leicht automatisieren und eignet sich auch für Bauteile mit vielen oder schwer zugänglichen Verbindungsstellen. Doch noch immer sind nicht alle technischen Probleme gelöst.
Diesen Problemen widmet sich das 2. Werkstofftechnische Kolloquium, das am 14. und 15. Oktober an der Chemnitzer Uni stattfindet. Tagungsort ist der Uniteil in der Erfenschlager Straße 73. Durchgeführt wird die Fachtagung von Prof. Dr. Bernhard Wielage von der Professur für Verbundwerkstoffe, mitorganisiert wird sie von allen wichtigen Fachgesellschaften mit dem Deutschen Verband für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) und seiner Fachgesellschaft "Löten" als Vorreiter. Über hundert Fachleute aus Industrie und Forschung werden zu der Tagung erwartet, und die kommen - dem Ansehen der Professur entsprechend - nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus der Schweiz, Österreich, Liechtenstein, Italien, Tschechien, Polen, Weißrußland, Nigeria und Spanien.
Auf der Tagung geht es vor allem um die neuesten Entwicklungen beim Löten nichtmetallischer Werkstoffe, um das Weichlöten und um das Löten von Wärmetauschern. Besonders faszinierend: das Löten von Keramiken - die nämlich werden wegen ihrer außerordentlichen Beständigkeit gegenüber Hitze, Verschleiß und Chemikalien immer wichtiger. Um sie überhaupt löten zu können, muss die Oberfläche erst einmal eine metallähnliche Struktur kriegen. Das geschieht durch sogenannte aktive Elemente, etwa Titan. Auf diese Weise erhält man hochfeste und luftdichte Verbindungen zwischen Metallen und Nichtmetallen. Das Problem dabei: Metalle schrumpfen beim Abkühlen stärker als Keramik, es kommt zu Spannungen. Und die können das Bauteil zerstören. An der Professur für Verbundwerkstoffe entwickelt man deshalb zur Zeit neuartige Lotmetalle, die diese Spannungen stark vermindern. Dadurch werden keramische Turbolader für Motoren, aber auch keramische Messer und keramische Gelenke in Hüft- oder Kniegelenkprothesen denkbar.
Ähnlich ist es beim härtesten Stoff der Welt, den Diamanten. Weil sie so extrem hart sind, setzt man sie zum Bohren und Schneiden ein, sei es nun beim Zahnarzt oder in der Ölindustrie. Doch dazu müssen die winzig kleinen Diamantsplitter mit einem metallischen Träger verbunden werden. Das gelingt bisher nur unvollkommen. Auch hier bringen die neuen Chemnitzer Lötverfahren entscheidende Vorteile.
Das Weichlöten dagegen wird vor allem in der Elektronikindustrie angewandt und wird seit Jahrzehnten gut beherrscht. Das dazu verwendete Lot enthält große Mengen an Blei. Doch Blei ist giftig und wird deshalb wohl in absehbarer Zeit in Loten verboten - die Industrie sucht deshalb Ersatzstoffe. Deren Schmelztemperatur muss aber so niedrig sein, dass sie die empfindlichen elektronischen Bauteile nicht zerstört. In Chemnitz forscht man deshalb an sogenannten Reaktionsloten auf der Basis von Zinn. In ihnen laufen während des Lötens chemische Reaktionen ab, die bewirken, dass die Löttemperatur niedrig, die Temperatur beim Wiederaufschmelzen vergleichsweise hoch ist. Das ist nötig, damit die Verbindung auch dann noch hält, wenn das Bauteil sich während des Betriebs erwärmt.
Große wirtschaftliche Bedeutung hat aber auch das Aluminiumlöten. "Schuld" daran ist das Massenprodukt Autokühler mit seinen zahlreichen schwer zugänglichen Lötstellen. Um solche Kühler herzustellen, benutzt man gegenwärtig Lote, die zum großen Teil aus Aluminium bestehen. Nachteil: Der Schmelzpunkt solcher Lote liegt nur wenige Grad unter dem Schmelzpunkt des Kühlers selbst, beim Löten droht Überhitzung, der Kühler wird undicht und landet noch bei der Herstellung auf dem Schrott. Hier entwickeln die Chemnitzer Forscher zur Zeit Zinklote weiter, deren Schmelztemperatur etwa 200 Grad unter denen von Alu-Loten liegt. Durch die niedrige Temperatur wird zudem noch Energie und auch Zeit gespart; schließlich dauern Aufheizen und Abkühlen nicht mehr so lange. Außerdem kann an der Luft gelötet werden - bisher ist für Alu-Lote eine spezielle und teure Schutzgasatmosphäre nötig.
(Autor: Hubert J. Gieß)
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Erfenschlager Straße 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Bernhard Wielage, Tel. (03 71)5 31-61 69, Fax (03 71)5 31-61 79, E-Mail: bernhard.wielage@wsk.tu-chemnitz.de