Pressemitteilung vom 24.05.2000
Neues Verfahren erleichtert die Messung der Wasserhärte
Neues Verfahren aus Chemnitz erleichtert die Messung der WasserhärteMagnesium- und Calcium-Verbindungen werden gleichzeitig gemessen
Wissenschaftler der Chemnitzer Uni haben gemeinsam mit der Firma Polysens aus dem sächsischen Mittweida ein neuartiges Meßsystem entwickelt, mit dem sich die Wasserhärte einfacher als bisher bestimmen lässt. Dazu wird einfach eine Elektrode in die zu messende Probe gehalten und die Härte auf einem Messgerät abgelesen. Das Messgerät selbst wird in der sogenannten Dickschichttechnik hergestellt. Dadurch lässt es sich einerseits besonders kostengünstig herstellen, andererseits ist es außerordentlich zuverlässig und robust. In einer weiter verkleinerten Form ließe es sich zum Beispiel in Wasch- und Spülmaschinen einbauen und könnte dort das Wasch- oder Spülmittel je nach Härte des Wassers automatisch dosieren. Die Chemnitzer Forscher stellen einen Prototyp des neuen Systems noch bis zum 27. Mai auf der Chemiemesse ACHEMA in Frankfurt am Main vor. Das Wasserhärte-Messgerät soll im nächsten Jahr auf den Markt kommen.
Unter der Wasserhärte versteht man den Gehalt an Calcium- und Magnesiumverbindungen im Wasser. Hartes Wasser führte früher beim Wäschewaschen zu Kalkrückständen und zum Grauwerden der Wäsche. Waschmittel enthalten deshalb Wasserenthärter. Auch der Kesselstein in technischen Anlagen, die Wasserdampf erzeugen und die Rückstände im heimischen Wasserkessel sind auf die Wasserhärte zurückzuführen. Natürliches Wasser enthält unterschiedlich viel Calcium und Magnesium. Quell- und Regenwasser ist im allgemeinen sehr weich, Wasser aus Gegenden mit viel Kalkstein dagegen hart. Teetrinker und Bierbrauer bevorzugen weiches Wasser, da beide Getränke so besser schmecken. Für die Abfüller von Mineralwässern ist die Wasserhärte ebenfalls wichtig, und sogar bei der Herstellung von Beton muss hartes Wasser vermieden werden.
Um die Härte des Wassers zu messen, gibt es mehrere Methoden. Recht genau, aber auch zeitaufwändig, ist die Titration. Dazu benötigt man eine Lösung mit einem Stoff, der mit den Calcium- und Magnesiumverbindungen reagiert und diese entweder ausfällt oder durch die Farbänderung eines beigefügten Stoffes zeigt, dass alles Calcium und Magnesium verbraucht ist. Eine anderes Härtemessverfahren benutzt teure Elektroden, die eine dünne und deshalb sehr empfindliche Membran aus Glas enthalten. Solche Elektroden können die für die Härte verantwortlichen Stoffe bisher nur getrennt messen. Daneben gibt es noch die Indikatorpapiere, die man in das Wasser eintaucht und die sich dabei verfärben. An der Farbe lässt sich dann mit Hilfe einer Vergleichskala die ungefähre Härte ablesen. Das ist zwar schnell und billig, aber auch ziemlich ungenau.
Die Chemnitzer Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe Elektrochemie um Prof. Rudolf Holze und Dr. Katrin Pflugbeil gingen dagegen einen neuen Weg: Sie entwickelten einen gekapselten und deshalb unempfindlichen Messfühler, der gelöstes Calcium und Magnesium gleichzeitig messen kann. Dies erreichten die Wissenschaftler, indem sie zwei unterschiedliche physikalisch-chemische Messprinzipien gleichzeitig nutzen.
Die Calcium- und Magnesiumverbindungen liegen im Wasser gelöst als elektrisch positiv oder negativ geladene Teilchen vor (Fachwort: Kationen beziehungsweise Anionen, Sammelname Ionen). Nur die Kationen Calcium und Magnesium wandern durch eine Membran zur Messelektrode. Dazu lagern sie sich an so genannte Ionophore an, die entweder nur Calcium oder nur Magnesium binden, also zwischen beiden unterschieden können. Da die Anionen getrennt von den Kationen im Wasser bleiben, bildet sich zwischen beiden eine elektrische Spannung aus, die um so höher ist, je mehr Calcium- und Magnesiumverbindungen sich in der Lösung befinden. Gleichzeitig ändert sich aber auch die elektrische Leitfähigkeit des Wassers. Spannung und elektrische Leitfähigkeit werden gegen eine Vergleichselektrode gemessen. Das erste Verfahren bezeichnet man als Potenziometrie, das zweite als Impedimetrie. Im Unterschied zu den bisher bekannten Verfahren lassen sich deshalb nach der Chemnitzer Methode beide Ionen nebeneinander bestimmen und getrennt oder auch gemeinsam anzeigen.
Aber nicht nur das Messverfahren der Chemnitzer Wissenschaftler ist neu, auch das Messgerät selbst unterscheidet sich von herkömmlichen Geräten: Es ist in Dickschichttechnik hergestellt. Dadurch vereinfacht sich die Messung der Wasserhärte noch einmal ganz wesentlich. Die Dickschichttechnik wurde ursprünglich für die Mikroelektronik entwickelt; in der chemischen Messtechnik ist sie noch neu. Dabei werden Schicht für Schicht elektrisch leitende oder isolierende Strukturen auf einen keramischen Träger aufgebracht und dort eingebrannt. Das Verfahren ähnelt der Herstellung von Computerchips und integrierten Schaltkreisen, nur dass beim Dickschichtverfahren die einzelnen Schichten bis zu einem Zehntel Millimeter messen, also mehr als hundertmal so dick.
Das gesamte Messsystem - die elektrischen Ableitungen, die chemisch empfindlichen Schichten, die Vergleichselektrode, die Verkapselung - alles lässt sich auf sehr kleinem Raum unterbringen. Außerdem lassen sich auf diese Weise zahlreiche Sensoren mit nur wenigen Arbeitsschritten in gleichbleibend hoher Qualität herstellen. Wegen der geringen Größe wird auch nur wenig von den teilweise recht teuren Chemikalien verbraucht. Das neuartige System lässt sich mithin sehr preiswert herstellen. Und da Polysens bisher das einzige Unternehmen ist, das Wasserhärte-Messgeräte auf diese Weise fertigen kann, wird das Know-how eifersüchtig gehütet.
Ein weiterer Vorteil: Das Messsystem lässt sich leicht mit anderen Bauteilen aus der Mikrosystemtechnik koppeln, die die eingehenden Messsignale direkt verarbeiten. Auf diese Weise wäre es zum Beispiel möglich, den Sensor direkt in Wasch- oder Spülmaschinen einzubauen, wo er entsprechend der Wasserhärte automatisch und genau dosiert mehr oder weniger Waschmittel zugeben könnte. Und das nützt nicht nur der Umwelt - auch der Verbraucher selbst spart dabei, weil er weniger Wasch- und Spülmittel sowie weniger Regeneriersalz benötigt. Die nämlich enthalten Tenside und Phosphate. Vor allem die Phosphate sind ökologisch bedenklich, weil sie unsere Bäche, Flüsse und Teiche überdüngen und deshalb in Kläranlagen aufwändig entfernt werden müssen. Zudem halten die Geräte auch länger als bisher. Weitere Anwendungen sind denkbar, für die herkömmliche Sensoren wegen ihres hohen Preises bisher nicht in Frage kamen.
(Autor: Hubert J. Gieß)
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Naturwissenschaften, Prof. Dr. Rudolf Holze, 09107 Chemnitz, Telefon: (0371) 531-1509, Fax: (0371) 531-1832, E-Mail: rudolf.holze@chemie.tu-chemnitz.de oder vom 22. bis 27. Mai 2000 auf der Achema in Frankfurt am Main, Halle 1.2, B 13-B18 (Gemeinschaftsstand "Forschungsland Sachsen").