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Liegt die TU Chemnitz im Erzgebirge?

Eine geologische Grenzsuche führt mit Unterstützung des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zu überraschenden Antworten

Chemnitz gilt seit langem als das „Tor zum Erzgebirge“, doch wo genau beginnt in der Stadt dieser Gebirgszug? Als am 26. Juni 2020 in der Chemnitzer Lokalausgabe der Freien Presse versucht wurde, diese Frage zu beantworten, und eine Grafik der geologischen Nordgrenze des Erzgebirges veröffentlicht wurde, konnte man vermuten, dass Teile des Geländes der Technischen Universität Chemnitz bereits im Erzgebirge liegen.

Exkurs in die Erdgeschichte

Genauere Informationen dazu kann das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) mit seinem Staatlichen Geologischen Dienst geben. Zu dessen wichtigsten Arbeitsgrundlagen gehören diverse Karten, in denen beispielsweise die Verbreitung von Gesteinen an der Erdoberfläche dargestellt wird. Aus geologischer Sicht ist als Nordwestrand-Grenze des Erzgebirges im Raum Chemnitz eine Trennlinie zwischen den größenordnungsmäßig mehr als 300 Millionen Jahre alten metamorphen und magmatischen Gesteinen des Erzgebirgs-Kristallins und den vergleichsweise jüngeren, nicht metamorphosierten Gesteinen des Karbons und des Perms festgelegt. Verwitterungsprozesse im Laufe der Erdgeschichte haben dazu geführt, dass diese geologische Grenze heute auch morphologisch in Erscheinung tritt: die jüngeren Gesteine, bei denen es sich überwiegend um nur leicht verfestigte Sedimente handelt, wie unter anderem Konglomerate sowie Sand-, Schluff- und Tonsteine, konnten leichter abgetragen werden und blieben nur in tektonischen Senken – wie zum Beispiel der Vorerzgebirgssenke – erhalten. Die älteren metamorphen Gesteine, wie Tonschiefer, Phyllite, Gneise und Metabasite waren gegenüber den Abtragungsprozessen resistenter, wodurch sie nach und nach am Südrand von Chemnitz eine Höhenstufe bildeten. Im Zusammenspiel mit großräumigen Hebungsprozessen im jüngeren Tertiär bildete sich schließlich in morphologischer Hinsicht das heutige Erzgebirge.

"Oberflächliche" Betrachtungen zwischen Erzgebirge und Vorerzgebirgssenke

„Unser Amt kann heute für eine Grenzsuche eine digitale Geologische Karte im Maßstab 1:50.000 nutzen, auf der man recht genau beim Zoomen erkennen kann, wo die Erzgebirgsgrenze verläuft – also auch auf dem Gelände der TU Chemnitz“, sagt Dr. Uwe Lehmann, Leiter des LfULG-Referats Rohstoffgeologie. So sei tatsächlich festzustellen, dass sich ein Gebäude der TU Chemnitz im Erzgebirge befindet, alle weiteren jedoch in einer anderen geologischen Region. Die Angaben werden auch durch eine Spezialkarte aus dem Jahr 1911 bestätigt. Demnach gehört – im wahrsten Sinne des Wortes rein „oberflächlich“ betrachtet – das Gebäude A des südlichsten Universitätsteils an der Erfenschlager Straße 73 gerade noch zum Erzgebirge, während die anderen Gebäude nördlich davon bereits in der Vorerzgebirgssenke liegen. Anders gesagt: Die Gebäude E01 und E02, in denen sich die Büros und einige Labors des Instituts für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik sowie die Aula befinden, stehen im Erzgebirge, das nur etwa 100 Meter entfernte METEOR-Gebäude steht im Erzgebirgsbecken.

Gedankenspiele tief unter der Stadt

Lehmann weist jedoch darauf hin, dass man sich bei solchen – reichlich theoretischen Überlegungen – unbedingt bewusst sein sollte, dass bei dieser Form der Grenzsuche ausschließlich geologische Gesteinsgrenzen an der Erdoberfläche betrachten werden. „Aller Voraussicht nach tauchen nämlich die für das Erzgebirge typischen Gesteine nach Norden unter die jüngeren, auflagernden Gesteine des Perms ab“, so der Geologe. Das bedeutet: „Das Erzgebirge setzt sich im geologischen Sinne nach Norden unter der Stadt Chemnitz fort, aber eben nur in zunehmend größeren Tiefen.“ Wenn man also die Grenzsuche nicht „oberflächlich“ durchführt, liegen vermutlich alle Chemnitzer Universitätsteile im Erzgebirge, einschließlich der neuen Universitätsbibliothek, dem nördlichsten Gebäude der TU. „Für die Abgrenzung eines echten Erzgebirglers von seinen Nachbarn im Tiefland sind derartige Gedankenspiele sicher nicht relevant“, sagt Lehmann lachend. Für die Chemnitzer Universität steht jedoch fest, dass sie tatsächlich das „Tor zum Erzgebirge“ aufstößt.

Mario Steinebach
08.07.2020

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