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Auswirkungen eines bedingungsloses Grundeinkommens in Deutschland

Experten-Statement von Prof. Dr. Markus Hertwig (Professur Soziologie mit Schwerpunkt Arbeit und Organisation an der TU Chemnitz) zur aktuellen Berichterstattung über die sogenannte „Grundeinkommen-Studie“

Aktuell befindet sich ein Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu den gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens in der Vorbereitung. Mehrere Medien berichteten bereits darüber. Prof. Dr. Markus Hertwig , Inhaber der Professur Soziologie mit Schwerpunkt Arbeit und Organisation an der Technischen Universität Chemnitz, ordnet auf Basis der aktuell verfügbaren Informationen die "Einkommens-Studie" ein:   

Ich halte es prinzipiell für richtig, das Grundeinkommen empirisch zu untersuchen. Die hier vorgestellte Methode sehe ich aber kritisch. Konkret ist fraglich, wie mit der viel zu kleinen Untersuchungs-Gruppe aus 120 Proband*innen auch nur einigermaßen verlässliche Aussagen über verschiedene gesellschaftliche Schichten, Milieus usw. getroffen werden sollen. 

Aus meiner Sicht ist ein Grundeinkommen auch keine Lösung für Versäumnisse der Politik, die digitale Arbeitswelt wie Plattformarbeit oder prekäre Jobs wie in den Amazon-Logistikzentren nachhaltig zu regulieren. Ein Argument in der Debatte ist ja, dass in der Plattformökonomie viele prekäre Jobs entstehen. Warum sollte man diese durch ein Grundeinkommen noch zusätzlich subventionieren? Aus meiner Sicht bedarf es vernünftiger gesetzlicher Regulierungen, vor allem Modelle zur sozialen Absicherung. Hier ist eine Möglichkeit die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit vorgelegte Digitale Soziale Sicherung.

Ein weiteres Argument für das bedingungslose Grundeinkommen ist mehr individuelle Freiheit und infolge dessen mehr Innovationen. Diese sollen – etwas zugespitzt – zum Beispiel dazu führen, dass Deutschland eigene Steve Jobs oder Jeff Bezos hervorbringt. Allerdings ist auch hier zweifelhaft, ob diese vage Aussicht ein derartiges Projekt rechtfertigt.

Zudem ist schon heute absehbar, dass die Digitalisierung zahlreiche neue Jobs schafft, z. B. in der Industrie 4.0 oder auch in der App-Programmierung. Wir erleben einen graduellen Strukturwandel, der sich unter anderem auch in gewandelten Konsummustern (auch hier z. B.: App-Käufe) niederschlägt – ein Ende der Erwerbsarbeit ist aber nicht in Sicht. Das Problem, das ein Grundeinkommen adressieren soll, wird es in dieser Weise mit hoher Wahrscheinlichkeit also gar nicht geben. Ziel muss es sein, neue Arbeitsformen unter die bestehenden Regulierungsformen zu bekommen, z. B. Tarifverträge.

Generell stellen sich auch Gerechtigkeitsfragen: So ist der Bevölkerung kaum zu vermitteln, aus welchem Grund Gutverdienende noch ein Extra-Einkommen erhalten sollen.

Kontakt: Prof. Dr. Markus Hertwig, Professur Soziologie mit Schwerpunkt Arbeit und Organisation an der TU Chemnitz, Tel. +49 371/531-31898, E-Mail markus.hertwig@soziologie.tu-chemnitz.de

Matthias Fejes
31.08.2020

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