Effektivere Katalyse für nachhaltigere Produkte
Forschungsteam aus Chemnitz und Berlin stellt neues Konzept für reaktivere Katalysatoren auf Kupfer-Basis vor – Im Interview ordnet Prof. Dr. Johannes Teichert von der TU Chemnitz seine Ergebnisse ein und spricht auch über die Bedeutung des aktuellen Nobelpreises im Bereich der Organokatalyse
Katalysatoren kommen überall dort zum Einsatz, wo chemische Reaktionen ablaufen. Zum Beispiel in Organismen bei der Atmung, in der chemischen Industrie bei der Produktherstellung oder im Abgasstrom des Verbrennungsmotors. Unabhängig vom Wirkungsort gilt überall das gleiche Prinzip: Durch Katalysatoren laufen Reaktionen schneller ab oder werden überhaupt erst ermöglicht. Aus diesem Grund ist die Optimierung von Katalysatoren ein wichtiger Weg zu zum Beispiel mehr Ressourceneffizienz und zu einer „grüneren“ Wirtschaft.
Einem Forschungsteam des Exzellenzclusters „Unifying Systems in Catalysis“ (UniSysCat) der Technischen Universität Berlin sowie der Professur Organische Chemie der Technischen Universität Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Johannes Teichert ist es nun gelungen, ein neuartiges Konzept zur Entwicklung von Katalysatoren vorzustellen. „Während man bisher versucht hat, Katalysatoren mit einer reaktiven Position im Molekül immer reaktiver zu machen, haben wir einen vermeintlich unreaktiven Katalysator mit einer zweiten, chemisch komplett unterschiedlichen Katalysatoreinheit in direkter Nachbarschaft versehen“, beschreibt Johannes Teichert seinen neuartigen Ansatz. Das Ergebnis ist ein sogenannter „bifunktioneller Katalysator“. Mit diesem könne man nun die Reaktivität des vermeintlich schwachen Katalysators derart verändern, dass auch bisher unreaktive Verbindungen umgesetzt werden können.
Das betrifft zum Beispiel ganz konkret häufig genutzte und gut bekannte Kupferkatalysatoren, die unter anderem bei der Herstellung von Wirkstoffen zum Einsatz kommen. Mit diesen Katalysatoren war es bisher nicht möglich, Ester umzusetzen. Ester sind als Stoffgruppe essentielle Bausteine für nahezu alle chemischen Produkte – zum Beispiel für Duft- und Parfümstoffen und vor allem auch in Form von Polyestern als Plastik für PET-Getränkeflaschen. „Unser bifunktioneller Katalysator sorgt dafür, dass die Kupferkatalysatoren nun zum ersten Mal überhaupt mit Estern reagieren“, sagt Teichert.
Damit wird es möglich, auch vermeintlich unreaktive Katalysatoren bedeutend reaktionsfreudiger zu machen und so für chemische Reaktionen maßzuschneidern. Damit ist die Forschungsgruppe um Johannes Teichert einen Schritt weiter, chemische Reaktionen idealerweise komplett ohne Abfälle und mit Wasserstoff ablaufen zu lassen. Um die Bedeutung mit einem alltäglichen Beispiel zu erklären: Die Produktion chemischer Produkte wird durch die Erkenntnisse von Teichert und seinem Team besser und sauberer – so wie wenn nach dem Spülen sowohl sauberes Geschirr als auch sauberes Wasser zurückbleiben. Zudem ist der Ansatz besonders effizient, da alle Atome verwertet werden – Chemikerinnen und Chemiker sprechen von der sogenannten „Atomökonomie“. Oder – um im Bild zu bleiben: Nicht nur Geschirr und Spülwasser sind rein, sondern es wurde auch nur exakt die Menge Wasser benutzt, die zum Spülen notwendig war.
Die Ergebnisse von Teichert und seinem Team sind im renommierten Journal of the American Chemical Society (JACS) erschienen.
Publikation: A Bifunctional Copper Catalyst Enables Ester Reduction with H2: Expanding the Reactivity Space of Nucleophilic Copper Hydrides. Birte M. Zimmermann, Trung Tran Ngoc, Dimitrios-Ioannis Tzaras, Trinadh Kaicharla, and Johannes F. Teichert. Journal of the American Chemical Society 2021 143 (40), 16865-16873. DOI: 10.1021/jacs.1c09626
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Johannes Teichert, Tel. +49 (0)30/314-22791 (Büro), +49 (0)30/314-29340 (Labor), E-Mail johannes.teichert@chem.tu-berlin.de.
Herr Prof. Teichert, Sie und ihre Gruppe erforschen unter anderem Möglichkeiten, mit Katalysatoren abfallerzeugende Chemikalien durch Wasserstoff zu ersetzen. Das klingt nach einem bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz. Wie weit sind Sie hier?
Prinzipiell ist schon lange bekannt, dass man Wasserstoff in Kombination mit Katalysatoren einsetzen kann. Meine Arbeitsgruppe untersucht gezielt solche Reaktionen, die bisher häufig ungewünschte Nebenprodukte erzeugen, mithilfe von Wasserstoff möglichst komplett ohne Abfall ablaufen zu lassen. Das bewegt sich im Moment sicherlich noch im Bereich der Grundlagenforschung, aber allzu weit weg von einer möglichen Anwendung, zum Beispiel bei der Wiedernutzbarmachung von Plastikabfällen, ist nicht unrealistisch. Wir nutzen übrigens eine Kombination aus Metall- und Organokatalysatoren, für deren Erforschung gerade der Chemienobelpreis verliehen wurde.
Die meisten Menschen werden mit Katalysatoren wohl im Chemieunterricht in Berührung gekommen sein. Auch beim Verbrennungsmotor spielen sie eine Rolle. Wie erklären Sie Ihren Studierenden, wie Katalysatoren funktionieren?
Katalysatoren beschleunigen chemische Reaktionen und gehen dabei selbst unverändert aus der Reaktion wieder hervor. Das bedeutet, dass man mit einer sehr kleinen Menge Katalysator eine deutlich größere Anzahl an Molekülen umsetzen kann. Wir Chemikerinnen und Chemiker sprechen dann von einer sogenannten Absenkung der Aktivierungsenergie. Das kann man sich – salopp gesagt – so vorstellen, als ob man mit dem Fahrrad von Deutschland über die Alpen nach Italien fahren will: Der klassische Weg über den Pass benötigt deutlich mehr Energie, während der Katalysator vergleichbar mit einem Tunnel unter den Alpen einen viel weniger anstrengenden Alternativweg ermöglicht.
Sie haben es bereits angesprochen: Der diesjährige Nobelpreis für Chemie ging an Prof. Dr. Benjamin List, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr, für seinen Beitrag zur Katalyse-Forschung, insbesondere zur sogenannten asymmetrische Organokatalyse.
Das ist richtig. Während der bereits erwähnte Fahrzeugkatalysator dafür sorgt, dass im Abgasstrom viele schädliche gasförmige Verbindungen in weniger schädliche umgesetzt werden, kümmern sich Chemikerinnen und Chemiker im Bereich der Organokatalyse darum, lösliche Moleküle möglichst effizient in andere Moleküle umzuwandeln. Dies wird zum Beispiel in der Herstellung von Wirkstoffen für die Medizin angewendet. Als ‚asymmetrisch‘ bezeichnet man diese jetzt ausgezeichnete Organokatalysatoren übrigens, weil sie Bild und Spiegelbild in der Molekülwelt unterscheiden können. Sie stellen also Moleküle gezielt her, die sich von der Symmetrie her verhalten wie die rechte oder die linke Hand. Dies ist wichtig für die Wirkstoffforschung, weil die Natur zwischen „rechtshändig“ und „linkshändig“ unterscheidet. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass das ‚falsche‘ Spiegelbild eine ungewünschte Wirkung im Körper hervorruft.
Der Nobelpreisträger List hat an Organokatalyse geforscht. Was ist das Besondere an seinen Ergebnissen?
Man hat in der Chemie lange Zeit gedacht, dass effiziente Katalysatoren nur aus Enzymen – also Proteinen - bestehen, so wie in der Natur. Oder aus metallhaltigen Verbindungen oder Materialien bestehen können. Benjamin List und der jetzt ebenfalls ausgezeichnete David MacMillan aus Princeton haben gezeigt, dass einfache organische Moleküle sich ebenfalls als Katalysatoren für die organische Chemie eignen können. Ihre Arbeiten haben Anfang der 2000er Jahre den Zeitgeist geändert und so zu einer sehr raschen Verbreitung der Organokatalyse gesorgt. Sie konnten zeigen, dass eben nicht ein ganzes Protein aus vielen Aminosäuren nötig ist, sondern zum Beispiel eine einzige Aminosäure für die Katalyse schon ausreicht. Inzwischen ist das Gebiet schon auf Lehrbuchniveau, also im Studium angekommen. Das ist eine beachtlich kurze Zeitspanne, wenn man von der ersten Entdeckung ausgeht und betont nochmal die Bedeutung dieser Erkenntnisse.
Sehen Sie noch weitere Aspekte der ausgezeichneten Forschungsergebnisse?
Ein weiterer entscheidender Punkt der Arbeiten von List und MacMillan ist, dass ihre Katalysatoren im Allgemeinen relativ günstig und leicht zu handhaben sind. Das unterscheidet sie sehr von den Enzymen, die nur in bestimmten Lösemitteln wie Wasser bei einem bestimmten pH-Wert und einer bestimmten Temperatur arbeiten können. Aber auch im Unterschied zu den Metallkatalysatoren, die leider sehr häufig keine Luft oder Wasser tolerieren, da sie so zerstört werden.
Wo könnten uns Resultate dieser Forschung künftig im Alltag begegnen?
Mithilfe der asymmetrischen Organokatalyse werden schon jetzt im industriellen Maßstab Wirkstoffe sowohl für die Anwendung an Menschen und Tieren als auch für Pflanzen hergestellt – der sogenannten Agrochemie. Auch Geruchsstoffe, die zum Beispiel das Shampoo angenehm riechen lassen, wären typische Produkte der asymmetrischen Organokatalyse.
Vielen Dank für das Gespräch.
Matthias Fejes
20.10.2021