Daseinsvorsorge im Wandel
Rechtsexperte Prof. Dr. Ludwig Gramlich von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU Chemnitz war an Delphi-Studie zum Thema „Zukunftsorientierte Daseinsvorsorge in der kommunalen Infrastrukturversorgung“ beteiligt
Welche Herausforderungen und Ansätze machen eine hinreichende Daseinsvorsorge in der Zukunft aus? Wo liegen Chancen und Risiken? Welche Bereiche sind daseinsvorsorgerelevant für eine optimale Infrastrukturversorgung der Bürgerinnen und Bürger? Diese Fragen analysiert eine aktuelle Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. (KOWID) an der Universität Leipzig. An der Studie beteiligt war auch Prof. Dr. Ludwig Gramlich, ehemaliger Inhaber der Professur für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht der Technischen Universität Chemnitz, der noch heute an seiner Universität forscht.
Für die Studie wurden Expertinnen und Experten sowie Entscheiderinnen und Entscheider aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung sowie öffentlichen und privaten Unternehmen und deren Verbände aus Deutschland und Österreich befragt. Das Ergebnis der zweistufigen Tiefenbefragung zeigt, dass zahlreiche Handlungsbereiche existieren: Erhalt des kommunalen Steuerungseinflusses in der Digitalisierung und Smart City, Verbreiterung der Daseinsvorsorge durch Digitalisierung sowohl in urbanen Zentren als auch im ländlichen Raum, Verschwimmen der sektoralen Betrachtung der Daseinsvorsorge durch stärke Sektorenkopplung, rechtliche Herausforderungen aus Wettbewerbs- und Kommunalrecht für die optimale Leistungserbringung. Im Rahmen der Studie werden zudem lösungsorientierte Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Durch Corona-Pandemie gewinnt digitale Infrastruktur an Bedeutung
Mit der Corona-Pandemie bekommen auch die Daseinsvorsorge und deren künftige Ausgestaltung neue Aufmerksamkeit. Die Diskussion über die optimale Ausgestaltung ist nicht neu, gewinnt jedoch seit Corona insbesondere mit Blick auf die digitale Infrastruktur deutlich an Intensität. In den vergangenen Jahren stand die Diskussion „privat oder Staat“ im Vordergrund, heute geht es insbesondere darum, welche (Infrastruktur-)Leistungen künftig daseinsvorsorgerelevant sind, d. h. welche Bereiche diese überhaupt beinhalten (sollten). Trotz ihrer langen Tradition unterliegt die Daseinsvorsorge im Zeitverlauf Veränderungen, die sich vor allem auch aus der Dynamik des gesellschaftlichen und technologischen Wandels ergeben. Daher können Diskussionen zu Umfang, zur inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung sowie zu spezifischen Standards der Leistungserbringung die Daseinsvorsorge durchaus bereichern. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen, gleichzeitig eröffnen sich auch Chancen für den ländlichen Raum („Smart Region“ oder „Smart Country“).
Diese Herausforderungen liegen einerseits im Verschwimmen der ursprünglich sehr sektoralen Ausrichtung der Daseinsvorsorge, welche durch die Digitalisierung und die darauf basierende Sektorenkopplung beschleunigt wird. Hierbei rückt damit die intelligente Nutzung der aus dem Betrieb der kommunalen Infrastruktur gewonnenen Daten und deren Vernetzung mit weiteren, insbesondere städtischen Bereichen in den Fokus. Diese Daten zu managen, zu nutzen und auch zu schützen, um den Wert der städtischen Infrastrukturen zu erhalten und auszubauen, wird in Zukunft zentral. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Aufbau von eigenen kommunalen Plattformen, die Produzenten, Lieferanten und Verbraucher auf der lokalen oder regionalen Ebene zusammenbringen, an Bedeutung. Derartige Bottom-up-Prozesse helfen, die digitale Transformation in der Daseinsvorsorge gezielt voranzutreiben und dabei gleichzeitig auch die kommunale Ebene zu stärken und Lösungen zur Verknüpfung verschiedener Aufgabenfelder sowie öffentlicher und privater Dienstleistungen zu entwickeln.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Daseinsvorsorge verbessern
Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Daseinsvorsorge sind vielfältig, komplex und nicht überall passgenau aufeinander abgestimmt, weil dabei Vorgaben aus unterschiedlichen Ebenen (EU, Bund, Länder) und verschiedenen Rechtsbereichen (öffentliches und privates Recht) maßgeblich sind und ein breites Spektrum von Akteuren auf Anbieter- und Nachfragerseite erfasst wird, so dass vor allem die kommunal- und steuerrechtlichen Herausforderungen groß sind. „In einigen Rechtsbereichen, etwa im Wettbewerbsrecht, Vergaberecht, Beihilferecht oder Kommunalrecht, wird aus Sicht der Befragten eine zeitgemäße und effiziente Leistungserbringung in der Daseinsvorsorge eher behindert als gefördert. Hier gilt es künftig, geeignete rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit eine nachhaltige Verbesserung des Angebots gelingen kann“, sagt Gramlich.
Die vorliegende Delphi-Studie des KOWID analysiert die Thematik Daseinsvorsorge und entwickelt auf Basis der Meinungen von Expertinnen und Experten ein Zukunftsbild, welche Herausforderungen bestehen und wie diesen begegnet werden kann. Die Studie wurde in Kooperation mit 8KU, Baker Tilly, DZ HYP, NRW.BANK, RheinEnergie, Stadtwerke Leipzig, Stadtwerke Düsseldorf, WSW Stadtwerke Wuppertal und VNG durchgeführt. Die Studie ist unter www.kowid.de kostenlos verfügbar.
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Ludwig Gramlich, E-Mail prof.gramlich@wirtschaft.tu-chemnitz.de
(Quelle: Pressemitteilung des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V.)
Mario Steinebach
02.11.2021