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Wie Konflikte um Expertise in politischen und öffentlichen Debatten entstehen

Jun.-Prof. Dr. Thomas Laux von der TU Chemnitz stellte im Rahmen von Podiumsdiskussion des Wissenschaftszentrums Berlin neuen Sonderband und Forschungsergebnisse über politische und gesellschaftliche Konflikte um Expertise vor

Die Corona-Pandemie zeigt in bisher ungekanntem Maße, mit welcher Vehemenz das Wissen und die Erfahrung von Expertinnen und Experten – die Expertise – öffentlich diskutiert werden. Dabei kommt es auch zur starken Polarisierung – die Expertise beziehungsweise die Person der Expertin oder des Experten selbst wird abgelehnt oder akzeptiert und zur Referenz erhoben.

Welchen Einfluss die Expertise auf Politik, Gesellschaft und auf die Öffentlichkeit nimmt und welche Rahmenbedingungen dafür erfüllt sein müssen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des Leviathan-Sonderbandes „Umstrittene Expertise. Zur Wissensproblematik der Politik“ untersucht. Herausgeber des Bandes sind PD Dr. Sebastian Büttner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Jun.-Prof. Dr. Thomas Laux vom Institut für Europäische Studien und Geschichtswissenschaft und Inhaber der Juniorprofessur für Europäische Kultur und Bürgergesellschaft der Technischen Universität Chemnitz. Thomas Laux hat in dem Sonderband eine Studie unter dem Titel „Vom Protest zur Produktion von Expertise. Die Umweltbewegung und die Herausbildung eines Feldes der Expertise zur Umwelt- und Energiepolitik in Deutschland“ veröffentlicht. Der Band wurde am 29. November 2021 im Rahmen einer Online-Podiumsdiskussion des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) vorgestellt.

„Ausgangspunkt meiner Untersuchung ist die Feststellung, dass soziale Bewegungen, vor allem die Umwelt-, Anti-Atomkraft- und Klimaschutzbewegungen, seit den 1980er-Jahren selbst zu Produzierenden von wissenschaftlich-fundierter Expertise wurden und werden“, sagt Thomas Laux. Das heißt, dass diese Akteurinnen und Akteure selbst forschen oder wissenschaftliche Institute aus den Bewegungen heraus gründen und damit Expertise gezielt aufbauen. Prominentestes Beispiel in Deutschland sei das Öko-Institut e. V. „Die Produktion von Expertise kann dabei als Erweiterung des Aktionsrepertoires sozialer Bewegungen verstanden werden“, fasst Laux zusammen. In seiner Untersuchung hat Thomas Laux erforscht, wie sich diese neue Entwicklung der Einflussnahme auf Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit erklären lässt.

Dafür hat sich der Forscher die Produktion und Kommunikation von Expertise seit den 1980er Jahren angeschaut. Dabei nahmen er vor allem die Umwelt- und Energiepolitik in den Blick. Drei Veränderungen konnte er festmachen, die den Einfluss von Expertise auf Politik und Gesellschaft intensivierten: Zum einen ist das die Öffnung der Politik gegenüber der Zivilgesellschaft beziehungsweise gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern insgesamt. Dies wird zum Beispiel unter dem Begriff "Open Government" zusammengefasst. Als weiterer Grund sei die Verwissenschaftlichung der Politik zu nennen, die sich in der verstärkten Nachfrage nach Expertisen zeige. Das trifft vor allem bei großen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu. Als dritten Grund identifizierte Laux den Aufstieg des Umwelt- und Klimaschutzes im gesellschaftlichen und politischen Bewusstsein.

Diese drei Aspekte haben zu einer Beschleunigung und einem Anstieg des Einflusses externer wissenschaftlicher Expertise auf Politik und Gesellschaft geführt. „Eine Expertise als Mittel der Einflussnahme auf Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit hat sich nicht nur etabliert, sondern Expertisen sprechen heute auch verstärkt die Öffentlichkeit und Gesellschaft an. Gerade dies wurde auch von den Produzierenden von Expertise zu umwelt- und energiepolitischen Fragen angestoßen“, fasst Laux zusammen.

Gegenwärtig beobachtet der Wissenschaftler eine stark zunehmende Politisierung von Expertise zu umwelt- und energiepolitischen Fragen. Das heißt, dass Expertinnen und Experten immer stärker zum Gegenstand politischer Konflikte und öffentlicher Debatten werden. Diese Entwicklung ist zum Teil auf die Produzierenden von Expertisen aus der Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung zurückzuführen, auch wenn diese Polarisierung nicht intendiert gewesen sei. Trotzdem bedingen diese Aspekte in ihrem Zusammenwirken die Politisierung von Expertisen, wie wir sie heute unter anderem bei Fragen zu den Themen Umwelt- und Klimaschutz beobachten

Publikation: Laux, Thomas, 2021: Vom Protest zur Produktion von Expertise. Die Umweltbewegung und die Herausbildung eines Feldes der Expertise zur Umwelt- und Energiepolitik in Deutschland. S. 269-293 in: Büttner, Sebastian M., und Thomas Laux (Hg.), Umstrittene Expertise. Zur Wissensproblematik der Politik. Leviathan Sonderheft 38. Baden-Baden: Nomos.

Weitere Informationen erteilt Jun.-Prof. Dr. Thomas Laux, E-Mail thomas.laux@phil.tu-chemnitz.de, Telefon +49 (0)371/531-34432.

Matthias Fejes
30.11.2021

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