Erster Nachweis der lokal ausgelösten Kristallisation von ferromagnetischen Dünnschichten
Kristallisation von dünnen magnetischen Schichten mit Laser-Bestrahlung: Forschungsteam mit Beteiligung der TU Chemnitz, des Fraunhofer-Instituts für Elektronische Nanosysteme (ENAS) und des Laserinstituts der Hochschule Mittweida demonstriert in „Scientific Reports“ erstmals laserinduzierte Kristallisation von CoFeB-Dünnschichten
Magnetoresistive (MR) Bauelementen kommen heutzutage in einer Vielfalt von Anwendungen vor: von Festplatten über Mikrowellenquellen für Kommunikationsanwendungen bis hin zu Sensoren in Smartphones. Trotz dieser breiten Marktpräsenz wird an weiteren Materialien geforscht, die es ermöglichen sollen, den Magnetowiderstand-Effekt einerseits zu verstärken und anderseits in immer kleineren Bauelementen auszunutzen. Eines der vielversprechendsten Materialien für solche Zwecke ist das CoFeB.
Dünnste Schichten aus diesem Material mit Dicken im Nanometerbereich (zum Vergleich, der Durchmesser menschlicher Haaren liegt im Bereich von 50 µm, also 50.000 Nanometer) werden verwendet, um den sogenannten Tunnel-Magnetowiderstand-Effekt (TMR) zu erzeugen, indem der Strom, welcher durch einem Stapel aus magnetischer und nichtmagnetischer Schichten fließt, durch die magnetische Eigenschaften der CoFeB-Schichten und die Qualität der dazwischen liegende Oxidschicht (MgO) enorm beeinflusst werden kann. Bei den meisten potentiellen Anwendungen des TMR-Effektes in CoFeB-basierenden Bauelementen ist eine thermische Nachbehandlung nach der Abscheidung ein entscheidender Schritt für die Kristallisation des amorphen CoFeB zu einer bcc-CoFe-Phase, wodurch der TMR-Effekt um mehrere Größenordnungen gesteigert wird. In dieser Arbeit wurde erstmalig die Anwendbarkeit des Laser-Strahl-Tempern Konzepts für die Kristallisation von CoFeB-Schichten getestet. Diese Methode bietet die Möglichkeit einer lokalen und ultraschnellen Temperung an.
In enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Instituts für Elektronische Nanosysteme (ENAS) und dem Laserinstitut der Hochschule Mittweida (Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Horn) ist einem Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz unter Beteiligung der Honorarprofessur Nanoelektronik-Technologien des Zentrums für Mikrotechnologien der TU Chemnitz (Prof. Stefan E. Schulz) und der Arbeitsgruppe Magneto-Optische Spektroskopie der TU unter der Leitung von Prof. Georgeta Salvan, Hochschullehrerin an der Professur Halbleiterphysik (Leitung: Prof. Dr .Dietrich Zahn) sowie der Professur Magnetische Funktionsmaterialien (Leitung: Prof. Olav Hellwig) ein herausragender Erfolg gelungen. Sie konnten erstmals die lokal ausgelöste, schnelle Kristallisation von CoFeB-Dünnschichten durch kontinuierliche Laserbestrahlung (cw) mittels struktureller Untersuchungen mit Röntgenstrahlung am BESSY-II Synchrotron nachweisen.
Die Entwicklung solcher lokalen und schnellen Kristallisations-Methoden ist von größtem Interesse, um den Anwendungsbereich von TMR-Geräten zu erweitern und eine heterogene Integration von Elementen in Prozessen zu ermöglichen, in denen Temperaturbehandlungen begrenzt sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Integration auf biokompatibeln flexiblen Substraten, die der Einsatz solcher Sensoren in der medizinischen Diagnostik ermöglichen könnte.
Die Ergebnisse wurden in dem Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht
Spintronik und magnetoresistive Technologien
Die Entwicklung der Spintronik hat den Weg für neue Bauelement-Paradigmen geebnet, bei denen der Elektronenspin zusätzlich oder alternativ zu seiner Ladung als Informationsträger verwendet wird. Insbesondere magnetoresistive (MR) Technologien haben in den letzten drei Jahrzehnten eine fundamentale Rolle bei der Etablierung spintronischer Bauelemente gespielt, indem sie als Wandler arbeiten und eine Widerstandsänderung aufgrund eines angelegten Magnetfeldes bieten. Dieses Prinzip hatte eine erste Anwendung in Festplattenköpfen, um Daten gespeichert in Festplatten aus magnetischen Materialien auszulesen und wird heute von weit verbreitet Datenspeicherelementen bis hin zu Sensorelementen zur Messung von Strom, Magnetfeld, Position, u.v.m. angewandt. Die Bedeutung dieser Erfindung wurde bereits durch die Verleihung des Nobelpreises für Physik im Jahr 2007 an Albert Fert und Peter Grünberg für die Entdeckung des Riesenmagnetowiderstand (GMR) Effekts anerkannt.
Die Einführung von GMR-basierten Leseköpfen in der Datenspeichertechnologie hat in den neunziger Jahren zu einem großen Durchbruch geführt und eine erhebliche Steigerung der Speicherdichte von Festplattenlaufwerken ermöglicht. Im darauffolgenden Jahrzehnt führte die Beobachtung einer Widerstandsänderung von bis zu 600 Prozent in CoFeB/MgO-basierten Bauteilen zu einem Ersatz der GMR-basierten Elemente durch kleinere und weniger energieaufwendige TMR-Bauteile, wodurch die weitere Verringerung der Bit-Größe vorangetrieben wurde. Inzwischen sind TMR-Bauelemente auf der Basis von CoFeB/MgO in einer Reihe praktischer Anwendungen zu finden, darunter nichtflüchtige Speicherelemente oder eine breite Palette von Sensoranwendungen.
Vorteil von Laser als alternative thermische Behandlungsmethode
Die große Änderung des Widerstands, die in CoFeB/MgO-TMR-Bauelementen beobachtet wird, steht in engem Zusammenhang mit den kristallinen Eigenschaften dieser dünnen Schichten. Bei der Abscheidung ist CoFeB in der Regel amorph und benötigt eine thermische Behandlung nach der Abscheidung, um die erforderliche bcc-Kristallphase zu erzeugen.
Während eine solche thermische Behandlung in der Regel durch Tempern unter Vakuum-Bedingungen erfolgt, bietet ein laserbasierter Ansatz mehrere Vorteile: Durch die individuelle Behandlung der Sensoren und aufgrund der magnetischen Eigenschaften der GMR- und TMR-Schichtstapel kann eine mehrdimensionale Empfindlichkeit leicht erreicht werden, ohne dass weitere Integrationsverfahren erforderlich sind.
Die kontinuierlichen Fortschritte der letzten Jahre ebneten nun den Weg für die Untersuchung der Kristallisation von CoFeB in TMR-Schichtstapeln mittels Laserbestrahlung, als Teil eines an der TU Chemnitz sowie Hochschule Mittweida laufenden und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts „Kristallisationsmechanismen von CoFeB-basierten TMR-Schichtstapeln bei Laser-Annealing“.
Erfolgreiche Kristallisation von CoFeB Dünnschichten mittels Laser-Bestrahlung
Eine der größten Herausforderungen bei der Untersuchung der Kristallisation von CoFeB ist die Dicke der beteiligten Schichten. Bei den für TMR-Anwendungen typischen Dicken von CoFeB von nur wenigen Nanometern kann die Untersuchung der Kristallisation mit Standard-Röntgenbeugungstechniken herausfordernd werden. Daher wurden im Rahmen dieser Arbeit Experimente mit extrem heller Synchrotronstrahlung an der Beamline KMC-II des Elektronenspeicherrings BESSY II am Helmoltz-Zentrum Berlin durchgeführt. Diese Methode ermöglicht, äußerst kleine Kristallite zu untersuchen, und ist daher ideal für die Charakterisierung solcher dünnen Schichten.
Die Laser-Behandlung der Proben wurde in der Gruppe von Prof. Alexander Horn am Laserinstitut der Hochschule Mittweida durchgeführt. Neben Prof. Schulz und Prof. Salvan war auch das Forschungszentrum MAIN der TU Chemnitz beteiligt.
Die Experimente ermöglichten einen ersten Nachweis der laserausgelösten Kristallisation von CoFeB-Dünnschichten und legten ein Fenster von Parametern fest, für die ähnliche Kristallisationsgrade mit Laser- und Ofen-Tempern erzielt werden konnten. Es konnte gezeigt werden, dass der Laser die Kristallisation dieser dünnen Schichten in viel kürzeren Zeiträumen ermöglicht als alle bisherigen thermischen Verfahren.
Während bisher für das Ofen-Tempern eine minimale Inkubationszeit von 6,2 Sekunden nachgewiesen wurde, konnte die Kristallisation mit dem Laser bei entsprechenden Verweilzeiten von sogar bis zu 4 µs beobachtet werden. In jedem Fall ist die kristalline Orientierung der benachbarten Schichten entscheidend für die kristalline Textur von CoFeB, wobei bei laserbestrahlten Proben aufgrund der großen Temperaturgradienten, die typisch für die dynamische Natur des Verfahrens sind, etwas größere Gitterverzerrungen festgestellt wurden. Darüber hinaus beeinflusst die Wärmeleitfähigkeit der verschiedenen Materialien im Schichtstapel das Fenster der Parameter, bei denen die Kristallisation von CoFeB beobachtet wird. Dies ist besonders wichtig für die Anwendung in realen Bauelementen, wo die Bauelementarchitektur, einschließlich Geometrie, dielektrische Schichten usw., für die Definition eines Fensters von Laserparametern zur Erzielung der Kristallisation von CoFeB äußerst relevant sein wird.
Nachdem die Eignung der Laser-Behandlung für die Kristallisation einzelner CoFeB Schichten nachgewiesen wurde, wird diese Methoden an Bauelementen angewendet, die CoFeB-Schichten enthalten. Der nächste Schritt umfasst die Laserbestrahlung von strukturierten TMR-Sensoren und eine anschließende magnetoresistive Charakterisierung. Die Herstellung der Sensoren mit einem speziellen Layout, das eine direkte Bestrahlung einzelner Sensoren ermöglicht, findet derzeit am Zentrum für Mikrotechnologien (ZfM) der TU Chemnitz statt.
Die Aussichten, dass diese laserbasierte Methode bald in realen spintronischen Bauelementen demonstriert werden kann, sind vielversprechend.
Veröffentlichung: Almeida, M., Sharma, A., Matthes, P. et al. Laser induced crystallization of Co–Fe–B films. Sci Rep 11, 14104 (2021). DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-021-93009-x
(Autorin: apl. Prof. Dr. Georgeta Salvan / Maria Almeida Hoffmann)
Matthias Fejes
20.12.2021