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„Ich habe nie auf neue Herausforderungen gewartet, sondern mir diese selbst proaktiv gesucht.“

TU-Absolvent Prof. Dr. Tomas Smetana lebt heute in Herzogenaurach und ist bei der ebm-papst Group als Chief Technology Officer in Research and Development tätig

Herr Professor Smetana, können Sie sich kurz vorstellen?

Ich bin in Tetschen in der Tschechisch-Sächsischen Schweiz geboren und in Prag aufgewachsen. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Meine beiden Kids sind in Erlangen geboren, wir wohnen aber in Herzogenaurach, dem Hauptsitz der drei global erfolgreichen Traditionsunternehmen Adidas, Puma und Schaeffler. Ich bin ein Maschinenbauer und ein neugieriger Mensch, kein Allesbesserwisser, sondern ein Alleslerner.

Sie sind international unterwegs, haben in Prag studiert und in Chemnitz promoviert, sind später in Japan und China tätig gewesen. Bleiben wir aber vorerst in Chemnitz: Was hat Sie zu einer Promotion an der TU Chemnitz bewogen?

Man muss sich in die damalige Situation kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs versetzen: Das Studium an der Universität Prag war eher theoretisch ausgerichtet. Viele wollten die neu gewonnene Freiheit genießen und ins Ausland ausreisen. Es fehlte aber sowohl an Geld als auch an Sprachkenntnissen. Ich hatte aber ein mehrfaches Glück: Erstens, meinen Kopf, der mir ein Stipendium der Europäischen Union beschert hat, und zweitens eine Oma, die mir – mehr oder weniger erfolgreich – Deutsch beigebracht hat. Last but not least habe ich den großartigen, praktisch veranlagten Professor Erhard Leidich von der TU Chemnitz kennengelernt, der von Anfang an an mich geglaubt und mich gefördert hat. Der Promotion an der Professur Konstruktionslehre an der TU Chemnitz stand nichts mehr im Weg.

Was ist Ihre schönste Erinnerung, wenn Sie an Ihre Zeit in Chemnitz zurückdenken?

Ich denke an viele schöne Erinnerungen während meiner Chemnitzer Zeit zurück, insbesondere an das unbekümmerte studentische Leben am Uni-Campus. Die schönste Erinnerung ist für mich aber die Weihnachtszeit im Erzgebirge: Beisammensein mit Freunden im verschneiten Chemnitz, Tisch mit erzgebirgischem Stollen und Weihnachtspyramiden aus Seiffen und natürlich wahlweise Lauterbacher Tropfen oder Karlsbader Becherbitter.

Und was verbinden Sie mit der TU Chemnitz?

Die TU Chemnitz hat mich auf das Berufsleben hervorragend vorbereitet. Ich habe sowohl theoretische Fachkenntnisse und praktische Expertise erworben als auch Netzwerke zur Industrie und zur internationalen Forschung aufgebaut. Die Promotion förderte zudem meine Leadership-Fähigkeiten, auf die ich bis heute zurückgreife. Bodenständigkeit, Geradlinigkeit, gesunder Pragmatismus, aber auch Improvisationstalent verdanke ich meinem Aufenthalt in Chemnitz, der meinen Charakter nachträglich geprägt hat.

Bestehen noch heute Verbindungen nach Chemnitz oder an die TU?

Ich halte nach wie vor Kontakt zu Herrn Professor Leidich, der mir immer wieder mit Rat und Tat zu Seite steht. Weiterhin hatte ich bereits Gelegenheit, seinen Nachfolger, Herrn Professor Alexander Hasse, im Rahmen einer Veranstaltung der Forschungsvereinigung Antriebstechnik kennenlernen zu dürfen. Einige meiner Studenten aus Chemnitz konnte ich nach der Promotion für Schaeffler gewinnen. Und wir sind insbesondere auf dem Forschungsgebiet der Welle-Nabe-Verbindungen und Umformtechnik mit der TU Chemnitz aktiv in Kontakt geblieben. Ich habe Chemnitz Anfang 2023 nach fast sieben Jahren in Asien wieder besucht und war positiv überrascht, wie sich die Universität und die Stadt weiterentwickelt haben. Und zuletzt werde ich jeden Monat an Chemnitz formal erinnert – mein Bankkonto liegt seit mehr als 25 Jahren in Chemnitz.

Wie verlief Ihr Karriereweg? Welche Entscheidungen haben Sie vorangebracht und gab es auch Rückschläge? Woher nehmen Sie Ihre Motivation bzw. Intension, neue Wege zu gehen?

Mein Karriereweg verlief erstaunlicherweise reibungslos und geradlinig. Einer meiner Promotionsgutachter hatte Schaeffler-Wurzeln und hat mich in Herzogenaurach empfohlen. Rückblickend muss ich sagen, dass ich mich damals eher vorgestellt als beworben habe. Und ich habe nie auf neue Herausforderungen gewartet, sondern mir diese selbst proaktiv gesucht. Mein erster Chef gab mir die Aufgabe, neue Lager für Automatikgetriebe zu entwickeln. Und ich kam zurück mit einem Planetensatz in Umformtechnik. Die Technologie war ihrer Zeit voraus und die Marktresponse war nicht besonders gut. Ich habe zusammen mit meinem Entwicklungsteam Planetensätze mit Stirnraddifferenzial und mit einem Hochleistungselektromotor kombiniert und so entstand die erste elektrische Achse, heutiges Rückgrat der Elektromobilität. Später kam noch Chassis Mechatronik dazu. Als ich dann als frisch nominierter CTO der Region Asien-Pazifik nach Japan kam, habe ich festgestellt, dass man für eine erfolgreiche Einführung der innovativen Mechatronik bei den japanischen Automotive OEMs einen deutlich längeren Atem braucht als ursprünglich angenommen. Und deswegen habe ich mich entschieden, diese Produkte in einer abgewandelten Form zuerst bei asiatischen Robotik-Herstellern einzuführen. Wir können den Wind nicht ändern, nur die Segel anders setzen. Normalerweise sagt man 'der Weg ist das Ziel', ich habe mich aber immer nach Zielen ausgerichtet und daraus einen Weg hergeleitet.

Reichlich 22 Jahre waren Sie bei der Schaeffler AG tätig. Vor kurzem haben Sie Ihre Position gewechselt. Sie sind nun bei der ebm-papst Group als Chief Technology Officer in Research and Development tätig. Was genau beinhaltet Ihre neue Aufgabe und was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Als kleines Kind wollte ich ein Luftfahrtingenieur werden. Das war meine Hauptmotivation für ein technisches Studium. Deswegen habe ich mich an der Universität in Prag für die Fachrichtung Angewandte Mechanik und speziell Aerodynamik und Thermodynamik entschieden, dieses Fachgebiet dann allerdings nach dem Uni-Abschluss nicht wirklich weiterverfolgt. Mit dem Wechsel zu ebm-papst, dem federführenden Unternehmen in der Luft- und Heizungstechnik, erfüllt sich somit mein Kindertraum. Denn die hocheffizienten und geräuscharmen Ventilatoren basieren auf tiefen Kenntnissen der Aerodynamik und Aeroakustik. Weiterhin reizte mich der Transformationsprozess des Traditionsunternehmens von Hardware-Produkten zu digitalen Lösungen, von Komponenten zu innovativen Systemen sowie die Möglichkeit, mit energiesparsamen und nachhaltigen Technologien einen großen Beitrag zur Energiewende leisten zu können. Meine neue Rolle bei ebm-papst bietet mir somit nicht nur eine globale Verantwortung mit großzügigen Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen, sondern auch eine sehr gute Chance, mich wieder neu zu erfinden.

Sie sind Familienvater. Was raten Sie karriereorientierten Vätern bei der Familienplanung? Wie haben Sie Karriere und Familie unter einen Hut bekommen?

Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist nicht einfach, aber möglich. Ich habe zwei Kids und meine Frau ist Chemieingenieurin, die ihren Beruf immer ausgeübt hat. Alles ist über Vertrauen, Offenheit und Kommunikation gegangen. Ich habe meine Familie in die Karriereentscheidungen immer rechtzeitig eingebunden. Ich habe aber auch eine Frau gefunden, die ich sehr liebe und die mich das ganze Leben lang unterstützt. Als ich eines Tages nach Hause kam und gefragt habe, ob wir nicht gemeinsam für ein paar Jahre nach Japan gehen wollen, hat sie am gleichen Abend zugesagt und wir haben es dann gemeinsam mit zwei kleinen Kindern durchgezogen. Und nach Japan kam noch China. Die fast sieben Jahre in Asien haben uns als Familie zusammengeschweißt, weil wir stark aufeinander angewiesen waren. Ich nehme auch wahr, dass sich die Arbeitswelt in den letzten Jahren deutlich geändert hat: Home Office ist in der Post-Covid-Ära keine Ausnahme mehr, sondern ein Regelfall. Die Anzahl der Frauen in den Führungsetagen hat deutlich zugenommen. Und man muss als Vorstandsmitglied keine Angst mehr haben, offen und ohne Ausreden zuzugeben, dass man früher nach Hause geht, weil man sich um die Familie kümmern will.

Wofür begeistern Sie sich im Privaten am meisten? Was war Ihr letztes großes Vorhaben?

Während der letzten Jahre in Asien habe ich meine alte Liebe zur Kunst, insbesondere zum Zeichnen und zum Malen wiederentdeckt. Und ich praktiziere seitdem auch chinesische Kalligrafie. Kalligrafie ist für mich die beste Meditation, weil man sich geistig und körperlich vollkommen konzentrieren muss. Und mein letztes großes Vorhaben: Ich schreibe gerade ein Buch über Innovationsmanagement in Traditionsunternehmen, wobei ich auf meine Erfahrungen aus den Divisionen Automotive und Industrie aus drei unterschiedlichen Regionen zugreife. Das Buch sollte pragmatische Vorgehensweise mit vielen praktischen Tipps beinhalten.

Ihrem Familiennamen nach haben Sie tschechische Wurzeln, besteht vielleicht sogar eine Verbindung zum berühmten Komponisten Bedřich Smetana?

Soviel ich weiß, teile ich mit Bedřich Smetana nur die gleiche Heimat und die Liebe zu klassischer Musik. Wobei ich beim letzteren zugeben muss, dass ich trotz eines gewissen Kultstatus der weltberühmten Moldau eher Instrumentalstücke von Antonín Dvořák bevorzuge, vor allem die Slawischen Tänze. Hoffentlich nimmt es mir die Fangemeinde von Smetana nicht übel.

Zurück zur Universität, welche Tipps haben Sie für frische Absolventinnen und Absolventen für den Berufseinstieg?

Im Berufsleben lohnt es sich, folgende vier essenzielle Fragen hin und wieder zu beantworten: Kann ich die Aufgaben ausüben, die mir gestellt wurden? Sind diese Aufgaben sinnvoll? Macht mir die Arbeit Spaß? Wird meine Arbeit wertgeschätzt? Man neigt beim Berufseinstieg manchmal dazu, Antworten nur auf die erste Frage zu suchen. Falls aber eine der anderen drei Fragen mit ‚nein‘ beantwortet wird, empfehle ich, den Chef anzusprechen, die Aufgabe oder sogar den Job zu wechseln. Und ich schließe mit einem berühmten Zitat vom chinesischen Philosophen Laotse und dem Begründer des Taoismus, ab: ‚Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück‘. Nach dem Berufseinstieg beginnt das Lernen erst richtig!

(Die Fragen stellte Stephanie Höber, Alumni-Koordinatorin der TU Chemnitz.)

Mario Steinebach
28.11.2023

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