Konsumierende befinden sich im toten Winkel der Kreislaufwirtschaft
Professur BWL – Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit der TU Chemnitz zeigt Wege auf, wie der Elektroschrottberg etwas weniger schnell wächst – Sinnvolle staatliche Anreizsysteme gibt es bereits
„Wenn man jemanden fragt, wie viele elektronische Geräte heute schon benutzt wurden, dann kommen viele ins Grübeln“, sagt Prof. Dr. Marlen Arnold, Inhaberin der Professur BWL – Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität Chemnitz, und ergänzt: „Wenn bereits nach der Trockenrasur und dem Haarföhnen im Bad in der Küche der Toaster das Sandwich bräunt, das Teewasser vom Wasserkocher erhitzt wird, die Spiegeleier auf dem Herd braten, nebenbei der Fernseher läuft und Nachrichten am Smartphone gecheckt werden, dann hat man innerhalb weniger Minuten bereits mehrere elektrische Geräte verwendet. Und so geht es vielen Menschen rund um den Globus. Und je nach Gewohnheiten und den für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel variiert die Anzahl der täglich genutzten Geräte, aber am Ende landen viele auf dem Schrott.“ Aufgrund der Schnelllebigkeit und dem Gefühl, das neueste Gerät besitzen zu müssen, wächst der Berg des Elektroschrottes weltweit immer weiter an. Im Jahr 2019 erreichte er ein ungefähres Gesamtgewicht von 53,6 Millionen Tonnen, welches bis zum Jahr 2030 auf 74 Millionen Tonnen anwachsen könnte, so der „Global E-Waste Monitor 2020“. „Damit gehört der Elektroschrott zum schnellsten wachsenden Abfallstrom weltweit“, so Arnold.
Eine mögliche Lösung dieses Problems könnte die Kreislaufwirtschaft sein. Mit ihr könnten Geräte länger genutzt, repariert, verschenkt oder getauscht und am Ende ihrer Nutzungsdauer recycelt werden. Allerdings operieren aktuell nur 7,2 Prozent der globalen Wirtschaft nach kreislaufwirtschaftlichen Praktiken, 2018 lag dieser Anteil laut „Circularity Gap Report“ noch bei 9,1 Prozent. „Somit wird klar, dass ein dringender Handlungsbedarf sowohl zur Reduzierung des Elektroschrottes als auch zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft existiert“, so Tom Hunger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur BWL - Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit. In der aktuellen Untersuchung „Circular value chain blind spot – A scoping review of the 9R framework in consumption“ der Chemnitzer Professur, die im Februar 2024 im Journal of Cleaner Production erschien, wird jedoch deutlich, dass in wissenschaftlichen Studien vordergründig das Recyclingverhalten von Elektroschrott untersucht wird. Zudem stellten die Forschenden um Arnold fest, dass bisher nur wenig über das Kreislaufverhalten der Konsumierenden bekannt ist und es den Konsumierenden im Gegensatz zu Regierungen und Unternehmen an Handlungsempfehlungen mangelt. „Konsumierende befinden sich sozusagen noch im toten Winkel der Kreislaufwirtschaft“, so Hunger.
Doch was kann man tun, damit der Elektroschrottberg etwas weniger schnell anwächst? „Die Nutzerinnen und Nutzer elektrischer Geräte benötigen Aufklärung, Hilfe und Anreizsysteme“, sagt Arnold. In Sachsen startete im November 2023 der sogenannte Reparaturbonus – ein Förderprogramm das dazu ermutigen soll, defekte Elektrogeräte reparieren zu lassen. Die Förderung gibt es ab einer Mindestrechnung von 75 Euro, übernommen werden maximal 50 Prozent der Rechnungskosten, maximal 200 Euro. „Eine tolle Sache“, meint Arnold.
Darüber hinaus brauche es eine stete Förderung des Umweltbewusstseins – „daher ist Bildung für nachhaltige Entwicklung so wichtig“, argumentiert Arnold und fügt hinzu: „Konsumierende können bewusst konsumieren, Geräte lange nutzen, teilen, gebraucht kaufen oder Ersatzgeräte einfach ausleihen. Datensicherheitsdienste können für die Rücknahme von Altgeräten wahrgenommen werden, wenn Bedenken hinsichtlich sensibler Daten auf digitalen Endgeräten besteht. Ein regelmäßiges Erinnern der Verbrauchenden an Recycling-Optionen und leicht zugängliche Informationen, wie beispielsweise Online-Plattformen für das Recycling genutzt werden können, sind ebenso wichtig.“ Weiterhin bringe regionales Engagement, wie in der MATERIAL-INITIATIVE CHEMNITZ, die Kreislaufwirtschaft schrittweise voran.
Kontakt: Prof. Dr. Marlen Gabriele Arnold & Tom Hunger, Telefon 0371 531-37012 (Sekretariat), E-Mail nachhaltigkeit@wirtschaft.tu-chemnitz.de
Mario Steinebach
05.02.2024