Was ist eigentlich ein „Palimpsest“?
Diese Frage beantworten Cecile Sandten, Professorin für Anglistische Literaturwissenschaft, und Marian Nebelin, Professor für die Geschichte der Antike und der Antikerezeption in der Moderne, in einer neuen Folge des Podcasts „Geschichte Europas“, die speziell für die TU Chemnitz produziert wurde
Der Begriff „Palimpsest“ geht zurück auf eine antike Praxis zur Gewinnung von Schreibmaterial, bei der bereits beschriebene Materialien aus Gründen der Sparsamkeit beispielsweise durch Abschaben für eine erneute Nutzung vorbereitet wurden. Doch heute wird der Begriff noch viel weiter gefasst. Prof. Dr. Cecile Sandten, Inhaberin der Professur Anglistische Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz, und Prof. Dr. Marian Nebelin, Inhaber der Professur Geschichte der Antike und der Antikerezeption in der Moderne an der TUC, steigen in einer neuen Folge des Podcasts „Geschichte Europas“ tiefer in die Materie ein. Im Gespräch mit dem Wissenschaftsjournalisten Tobias Jakobi behandeln sie Themen der an der Philosophischen Fakultät der TUC angesiedelten Forschungsverbundinitiative „Palimpsesträume“. In ihr arbeiten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen seit Ende 2019 daran, die Potentiale des Palimpsest-Begriffs in einem inter- und transdisziplinär angelegten Forschungsverbund zu erschließen. Dazu entwickeln die Mitglieder das in den letzten Jahren in den Literaturwissenschaften aufgekommene Konzept der „Palimpsesträume“ weiter.
Ziel des Podcasts ist es Sandten zufolge, „das Konzept des Palimpsests als kultur- und geschichtswissenschaftliches Analysekonzept zu erläutern und seine Vielfältigkeit und Bedeutung für interdisziplinäre Forschungsansätze, wie wir diese in unserer Forschungsgruppe gemeinsam praktizieren, fruchtbar zu machen“. Nebelin pflichtet ihr bei und betont ferner, dass mit dem reichweitenstarken Podcast „historische und geschichtswissenschaftliche Inhalte in eine breite, interessierte Öffentlichkeit getragen werden sollen“.
Beide betonen, dass der Begriff des Palimpsests mittlerweile in unterschiedlichen kulturwissenschaftlichen Disziplinen auf großes Interesse stoße, weil er es ermögliche, nicht nur verschiedenartige Formen von Schichtungen, sondern auch Phänomene von Überschreibungen, Auslöschungen und Verlust zu erfassen. „Palimpsest ist eigentlich ein abgeschabtes und nun neu genutztes Stück Papier, Pergament oder Papyrus, das der Wiederverwendung zugeführt wird“, erläutert Nebelin. „Darauf basierend ist es aber auch eine kultur- und literaturwissenschaftliche Metapher mit ungemein vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten“, ergänzt Sandten. So seien beispielsweise auch Städte mit dem Schichtungsprinzip des Palimpsest vergleichbare Räume, in denen sich räumliche, zeitliche und kulturelle Schichten überlagern.
Mit dem Podcast möchten Nebelin und Sandten auch auf die grundlegende Projektidee und das Erkenntnisinteresse der Forschungsverbundinitiative der Philosophischen Fakultät der TUC, aber auch auf die wissenschaftsorganisatorischen Herausforderungen bei der Weiterentwicklung und Umsetzung des Konzepts aufmerksam machen. „Wer jetzt neugierig geworden ist, ist herzlich eingeladen, sich die neue Folge des Podcasts anzuhören“, so Sandten abschließend.
Die als 333. Folge des für die TU Chemnitz produzierten Interviews ist am 16. Juni 2024 erschienen: https://geschichteeuropas.podigee.io/333-333
Kontakt: Prof. Dr. Cecile Sandten, Professur Anglistische Literaturwissenschaft, E-Mail cecile.sandten@phil.tu-chemnitz.de, und Prof. Dr. Marian Nebelin, Professur Geschichte der Antike und der Antikerezeption in der Moderne, E-Mail marian.nebelin@phil.tu-chemnitz.de
Mario Steinebach
17.06.2024