Im Fokus: „Gewalt gegen Amts- und Mandatsträger:innen“
Multiperspektivischer Blick auf ein spannungsgeladenes Thema: Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e. V. veranstaltete einen Fachtag, auf dem Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Praxis zusammenkamen
Gewalt gegen politische Amtsträger ist zu einem ernsthaften Problem in Deutschland geworden, wie ein deutlicher Anstieg der registrierten Straftaten durch das Bundeskriminalamt zeigt. So wurden im Jahr 2023 mehr als 6.500 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger verzeichnet – ein drastischer Anstieg im Vergleich zu den 1.894 Fällen aus dem Jahr 2019. „Tragische Ereignisse wie die Ermordung des Kasseler Politikers Walter Lübcke oder der brutale Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden erscheinen daher nur als Spitze eines Eisberges. Solche Taten stellen einen gezielten Angriff auf unsere Demokratie dar, da sie Menschen trifft, die durch ihr politisches Engagement und ihre Arbeit direkt die tragenden Säulen unserer demokratischen Grundordnung verkörpern“, sagt Prof. Dr. Frank Asbrock, Direktor des Zentrums für kriminologische Forschung Sachsen e. V. (ZKFS), einem An-Institut der Technischen Universität Chemnitz. Um gemeinsam über die zunehmende Gewalt gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger und ihre Auswirkungen zu diskutieren lud das ZKFS am 29. Oktober 2024 Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik, Praxis und Wissenschaft zum Dialog ein.
Schutzschirm für Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger
An der Veranstaltung nahm u. a. die sächsische Justizministerin Katja Meier teil und unterstrich in ihren Grußworten die Bedeutung des Themas: „Gewalt und Bedrohungen gegen Amts- und Mandatsträger ist ein Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie, die nicht nur eine energische Antwort unseres Rechtsstaats verlangen, sondern auch durch die Kriminalwissenschaft weiter erforscht werden muss. Die gezielte Präventionsarbeit aber auch eine effektive Strafverfolgung ist auf die Ergebnisse der Forschung besonders in diesem Bereich angewiesen, um insbesondere für kommunale Amts- und Mandatsträger einen breiten Schutzschirm spannen zu können. Ich freue mich daher, dass das Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e. V. in Chemnitz zu diesem wichtigen Thema ein Symposium ausrichtet, dass eine gelungene Plattform für die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis darstellt.“
Beiträge aus Wissenschaft und Praxis
Den Auftakt des Symposiums machte ein Vortrag von Dr. Kristin Weber und Rowenia Bender, Projektleiterinnen des ZKFS-Projekts „Vorurteilskriminalität und die Erfassung politisch motivierter Kriminalität“. Sie präsentierten Ergebnisse aus dem „Panel zur Wahrnehmung von Kriminalität und Straftäter:innen“ und thematisierten, wie Gewalt gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger in der Gesellschaft wahrgenommen wird.
Weitere Impulse kamen von Sarah Bitschnau, die das Thema Hasskriminalität gegen Amtspersonen und Erkenntnisse des Kommunalen Monitorings des Bundeskriminalamts vorstellte. Prof. Dr. Eva Groß von der Akademie der Polizei Hamburg und Prof. Dr. Joachim Häfele von der Polizeiakademie Niedersachsen berichteten über ihr Kooperationsprojekt „HateTown“. Staatsanwältin Jana Weiße und Regierungsoberrätin Christiane Müller von den sächsischen Anlaufstellen ZORA und ZASTEX informierten über das Unterstützungsangebot für Betroffene von Hasskriminalität in Sachsen. Die Vorträge endeten mit einem Beitrag von Michael Hüllen, Vertreter des Verfassungsschutzes Brandenburg, der aktuelle Strategien zur Bekämpfung extremistischer Bedrohungen erläuterte.
Abschlussdiskussion und Perspektiven
Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion unter Einbeziehung des Fachpublikums, bei der zentrale Erkenntnisse aus den Vorträgen reflektiert und konkrete Handlungs- sowie Präventionsmaßnahmen diskutiert wurden. Im Podium vertreten waren Prof. Dr. Frank Asbrock, Direktor des ZKFS, Prof. Dr. Eva Groß, Prof. Dr. Joachim Häfele, Michael Hüllen sowie die ehemalige Bürgermeisterin von Arnsdorf Martina Angermann. Letztere war als Amtsträgerin bereits selbst von Anfeindungen im Amt betroffen und vertrat somit eine wichtige Perspektive in der Diskussion.
Das Podium betonte die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen, um die Empathie und die Unterstützung für Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger in der Bevölkerung zu stärken. Dazu gehören ein gezielter Ausbau der Forschung sowie eine intensivere Wissenschaftskommunikation, um komplexe Zusammenhänge leichter zugänglich zu machen. Frühzeitig ansetzende Bildungsangebote, die bereits in der Schulzeit beginnen, sollen ein grundlegendes Verständnis für demokratische Werte und die Bedeutung politischer Ämter fördern. Zudem soll die Perspektive der Betroffenen stärker einbezogen werden, um spezifische Bedürfnisse zu erkennen und gezielten Beistand zu ermöglichen. Diese Ansätze zielen darauf ab, ein Klima des Verständnisses und der Wertschätzung für politisches Engagement zu schaffen.
Hintergrund: Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e. V. (ZKFS)
Das ZKFS führt grundlagen- und praxisorientierte kriminologische Forschung mit einem sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt durch und trägt durch seine Forschung zu einer faktenbasierten Wahrnehmung von Kriminalität bei. In einem seiner Projekte widmet sich das ZKFS dem Thema Vorurteilskriminalität und dem Erfassungssystem von politisch motivierter Kriminalität. Seit Dezember 2021 ist es An-Institut der Technischen Universität Chemnitz und somit die erste sozialwissenschaftliche Einrichtung, die diesen Status erhalten hat.
Weitere Informationen erteilen Rowenia Bender, Telefon +49 371 335638-32, E-Mail rowenia.bender@zkfs.de, sowie der Direktor des ZKFS, Prof. Dr. Frank Asbrock, Telefon +49 371 531-31678, E-Mail frank.asbrock@zkfs.de.
(Autorin: Jennifer Führer)
Mario Steinebach
04.11.2024