Von der Masterarbeit in die Spitzenforschung: Studierende der TU Chemnitz untersuchen die Natur monoatomarer Bleischichten
Forschungsteam der TU Chemnitz untersucht Phasenübergänge in zweidimensionalen Schichten Blei und beschreibt erstmals detailliert deren Abschirmverhalten gegenüber dem pyroelektrischen Siliziumkarbid – Veröffentlichung in renommierter Fachzeitschrift „Small Structures“
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Professuren Experimentalphysik mit dem Schwerpunkt Technische Physik (Leitung: Prof. Dr. Thomas Seyller) sowie der Theoretischen Physik quantenmechanischer Prozesse und Systeme (Leitung: Sibylle Gemming) der Technischen Universität Chemnitz erforschen im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe FOR 5242 „Proximity-induzierte Korrelationseffekte in niedrigdimensionalen Strukturen“ (Sprecher: Prof. Dr. Christoph Tegenkamp) die Funktionalisierung niedrigdimensionaler Elektronengase.
In einer aktuellen Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift „Small Structures“ gibt das Forschungsteam um Dr. Philip Schädlich, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Experimentalphysik mit dem Schwerpunkt Technische Physik, erstmals Einblicke in die Dynamik der Blei-Interkalation – dem gezielten Einbringen von Bleiatomen an die Grenzfläche zwischen Graphen und Siliziumkarbid. Mit diesem Wissen kann die Synthese der beschriebenen Schichten und damit deren Qualität deutlich verbessert und die Reproduzierbarkeit erhöht werden. Die neuen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung können zum Verständnis korrelierter Elektronensysteme beitragen und bei der Entwicklung von Quantenmaterialien für das Quantencomputing relevant werden.
„Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass der Grundstein der veröffentlichten Ergebnisse in zwei studentischen Arbeiten an unserer Professur gelegt wurde“, sagt Philip Schädlich mit Verweis auf die Masterarbeiten von Franziska Schölzel (Erstautorin der Veröffentlichung) und Peter Richter. „Es ist schön zu sehen, dass wir mit der Arbeit bei uns in der Technischen Physik eine Brücke zwischen studentischen Arbeiten und Spitzenforschung schlagen können“, so Schädlich. Nicht zuletzt deshalb ist es auch gelungen, beide Forschende auch über das Studium hinaus als Doktoranden an der TU Chemnitz zu halten.
Abschirmung durch die Bleischicht: Graphen nahe der Ladungsneutralität
Bei dieser Studie setzen die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forscherinnen und Forscher auf eine Kombination aus experimentellen Daten und Ergebnissen der Dichtefunktionaltheorie (DFT). „Die komplementäre Zusammensetzung mit sowohl experimentellen als auch theoretischen Kompetenzen der Forschungsgruppe ist notwendig, um ein umfassendes Verständnis zu generieren. Nur wer diese beiden Welten zusammenbringt, kann die Komplexität eines solchen Systems zuverlässig beschreiben“, sagt Prof. Dr. Thomas Seyller.
Eine bislang ungeklärte Frage ergab sich auch bezüglich der Ladungsneutralität des Graphens, das in der Regel durch das Substrat dotiert wird. „Die Ladungsneutralität könnte auf den entsprechenden Transfer von Ladungen zwischen Graphen- und Bleischicht oder aber auf die Abschirmung des Graphens vom pyroelektrischen Substrat zurückzuführen sein“, erläutert Dr. Schädlich, der einen Großteil der Experimente koordiniert hat. Durch Verwendung verschiedener, sogenannter Polytypen des Substrats konnte in der Studie nun gezeigt werden, dass die zwei-dimensionale Bleischicht in der Tat die Ladungen aufnehmen kann und Neutralität im Graphen gewährleistet.
Von großer Bedeutung ist auch die Kontrolle über die Struktur der interkalierten Bleischicht. „Die Zahl an strukturell unterschiedlichen Phasen wächst vor allem mit der verwendeten Prozesstemperatur an, sodass wir nach dem unteren Limit für die zur Interkalation notwendigen Temperatur gesucht haben“, erklärt Schölzel. Die Suche ist erfolgreich, denn die Interkalationsschicht zeigt über große Flächen eine (1×1)-Periodizität zum Substrat, d. h. über jeder Einheitszelle des Substrats befindet sich genau ein Bleiatom.
Mit steigender Temperatur können Phasenübergänge beobachtet werden
Durch eine detaillierte Temperaturstudie konnte auch der Bogen zur früheren Arbeit geschlagen werden, in der die Bildung von Domänengrenzen in der Bleischicht beobachtet wurde. „Wenn dem System ausreichend Energie zugeführt wird, bilden sich diese Korngrenzen, die darüber hinaus das System stabilisieren. Hierbei geht die jedoch die strenge (1×1)-Periodizität verloren“, so Richter.
Die enge Zusammenarbeit zwischen experimenteller und theoretischer Physik trägt Früchte: „Mit Hilfe der detaillierten, strukturellen Daten lässt sich in DFT-Rechnungen die elektronische Bandstruktur vorhersagen, die in diesem Fall hervorragend mit den Ergebnissen der winkelaufgelösten Photoelektronen-Spektroskopie übereinstimmt“, erläutert Andres David Peña Unigarro, Doktorand in der AG Gemming.
Hintergrund: DFG-Forschungsgruppe FOR5242 „Proximity-induced correlation effects in low dimensional structures” unter Federführung der TU Chemnitz
Gerade Phänomene wie das aktuell beschriebene sind das Herzstück der DFG-Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. Tegenkamp. Die mit über vier Millionen Euro geförderte Forschungsgruppe hat sich die Untersuchung von Korrelationseffekten in 2D-Materialien auf die Fahne geschrieben und blickt nun hoffnungsvoll einer zweiten Förderperiode entgegen. Ziel ist es, 2D-Materialien gezielt zu manipulieren und so exotische Effekte wie Supraleitung, Ladungsdichtewellen, Mottzustände sowie den Quanten-Halleffekt und Klein-Tunneln zu erforschen.
Publikation: Franziska Schölzel, Philip Schädlich et al.: Large-Area Lead Monolayers under Cover: Intercalation, Doping, and Phase Transformation, Small Structures 6, 2400338 (2025).
DOI: https://doi.org/10.1002/sstr.202400338
Weitere Informationen erteilt Dr. Philip Schädlich, Telefon +49 (0)371 531-3170, E-Mail philip.schaedlich@physik.tu-chemnitz.de.
(Autor: Dr. Philip Schädlich)
Mario Steinebach
21.01.2025