Rasend schnelle Datensammlung bei 1.200 °C
Im Dienst von Wissenschaft und Wirtschaft: Weltweit einzigartige Torsionsprüfmaschine analysiert die Verformung von Werkstoffen
Kerstin Schafranski, die an der TU Chemnitz Sportgerätetechnik studiert, führt gemeinsam mit Prof. Dr. Lothar W. Meyer von der Professur Werkstoffe des Maschinenbaus einen Versuch an der Torsionsprüfmaschine durch. Foto: TU Chemnitz |
Metallische Werkstoffe reagieren auf Verformung, je nach Temperatur des Materials sowie Geschwindigkeit und Richtung der Verformung, extrem unterschiedlich. Ein Umstand, der vor allem bei der Verarbeitung solcher Werkstoffe ausschlaggebend für die Qualität des Endproduktes und den benötigten Arbeitsaufwand ist. Deshalb ist es wichtig, die spezifischen Eigenschaften eines Materials zu kennen, um Herstellungsprozesse und deren Simulation zu optimieren. Bei der Ermittlung solcher Eigenschaften und der für die realitätsnahe Simulation nötigen Daten kommt die Torsionsprüfmaschine der Professur Werkstoffe des Maschinenbaus der TU Chemnitz ins Spiel. In diese Maschine im Labor für hochdynamische Werkstoffprüfung werden die zu untersuchenden Prüfkörper in Form eines "Zylinders mit Taille" eingespannt und anschließend extrem schnell verdreht. „Das ist die einzige Möglichkeit, den Werkstoff sehr weit zu verformen“, erklärt Dr. Thorsten Halle, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur. Würde man den Versuchskörper zusammenpressen, wäre der Verformungsweg zu kurz, und beim Auseinanderziehen würde er zu schnell reißen.
Das Verdrehen der Versuchskörper kann mit der Chemnitzer Torsionsprüfmaschine auf unterschiedliche Weise vorgenommen werden. Zum einen langsam in vielen kleinen Schritten in verschiedene Richtungen, wie in einem Walkprozess. Zum anderen aber auch extrem schnell: Dazu wird eine 45 Kilogramm schwere Schwungscheibe mittels eines leistungsstarken 65 kW-Elektromotors beschleunigt und dann mit maximal 3.000 Umdrehungen pro Minute in den Aufbau eingekoppelt. Der Versuch dauert nur wenige Millisekunden. So kann beinahe jede Belastungsgeschwindigkeit entsprechend der realen Umformungsprozesse simuliert werden. Die Werkstoffe können dazu zudem auf eine Temperatur von bis zu 1.200 °C erhitzt werden, um Warmumformungen simulieren zu können. Die Nutzungsmöglichkeiten der gewonnen Daten sind so vielseitig, wie die Maschine selbst. Denn Dank der Torsionsprüfmaschine können Warmumformungs- und Schmiedeprozesse genauso erforscht und optimiert werden, wie die Fähigkeit eines Werkstoffes kinetische Energie aufzunehmen. Bereiche, die beispielsweise in Sachen Fahrzeugbau und -sicherheit auch in Zukunft wichtig und interessant sein werden.
Entwickelt wurde das aus Sicht der Forscher weltweit einzigartige Torsionsprüfgerät von den Mitarbeitern der Professur Werkstoffe des Maschinenbaus der TU Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Lothar W. Meyer. „Alles in allem, inklusive der Messgeräte, hat die Anlage etwa 150.000 Euro gekostet - teilweise finanziert mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft“, erzählt Dr. Halle. Damit macht er verständlich, dass einzelne Unternehmen solche Einrichtungen meist nicht selbst betreiben werden. Die Sammlung von Ausgangsdaten für Simulationen von Umformvorgängen in der Wissenschaft und Wirtschaft stellt deshalb auch einen großen Teil der Aufgaben dieser Prüfmaschine dar. Zudem nutzt man die Möglichkeiten des Aufbaus auch für Projekte der Universität, Praktika der Studenten sowie für Beleg- und Studienarbeiten.
Weitere Informationen erteilen Prof. Dr. Lothar W. Meyer, Telefon (03 71) 5 31 - 61 60, E-Mail lothar.meyer@wsk.tu-chemnitz.de, und Dr. Thorsten Halle, (03 71) 5 31 - 54 32, E-Mail thal@hrz.tu-chemnitz.de, http://www.wsk.tu-chemnitz.de
Technische Daten der Hochleistungs-Torsionsprüfmaschine:
http://malachit.wsk.tu-chemnitz.de/typo3/index.php?id=143
(Autor: Michael Chlebusch)
Mario Steinebach
24.11.2005