Springe zum Hauptinhalt
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
TUCaktuell
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion 
TUCaktuell Forschung

Ordnung ist das halbe Leben - die andere Hälfte ist Unordnung

Mathematiker der TU Chemnitz und der Universität Jena beschäftigen sich in einem DFG-geförderten Projekt mit dem Einfluss von Unordnung in quantenmechanischen Modellen

*

Prof. Dr. Peter Stollmann beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Ordnung und Unordnung. Foto: Heiko Kießling

Unordnung erkennt wahrscheinlich jeder, wenn er ihr begegnet - vor allem die Unordnung anderer. Diesen Zustand klar zu definieren, ist dagegen schwieriger. Auf den ersten Blick scheint Unordnung zumindest nichts mit Ordnung gemein zu haben. Dass beide Formen dennoch eng zusammenhängen und durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen, weiß Prof. Dr. Peter Stollmann, Inhaber der Professur Analysis an der TU Chemnitz: "Betrachtet man als Beispiel für Unordnung das Flimmern eines Fernsehers, nimmt man jeden Bereich des Bildschirms als gleich unordentlich wahr. Ebenso sieht auch das sehr geordnete Karomuster auf einem Rechenpapier überall gleich aus."

Die Wechselwirkungen zwischen Ordnung und Unordnung spielen eine wichtige Rolle im Projekt "Zufällige und Periodische Quantengraphen", das seit Juli 2009 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für eine erste Förderungsperiode von drei Jahren mit knapp 600.000 Euro unterstützt wird. Neben Stollmann sind Prof. Dr. Ivan Veselić, Inhaber der Professur Stochastik der TU Chemnitz, sowie Prof. Dr. Daniel Lenz, ehemaliger Mitarbeiter der TU Chemnitz und Inhaber des Lehrstuhles Analysis an der Universität Jena in das Forschungsprojekt involviert. "Es geht um den Einfluss von Unordnung in quantenmechanischen Modellen und um die Frage, welche neuen Effekte entstehen, wenn man von etwas Regulären in etwas Ungeordnetes übergeht", erzählt Stollmann. Wenn man beispielsweise von einem idealen System aus elektrischen Leitungen ausgeht, das wie ein Rechenpapier überall gleiche Längen aufweist, wie ändern sich dann die physikalischen Eigenschaften, wenn man in der Praxis bei weniger exakter Leitersystemherstellung auf leicht unterschiedliche Längen kommt? Um diese Frage zu beantworten, kommen so genannte Quantengraphen zum Einsatz. "Quantengraphen sind Modelle, die zur Beschreibung von feinsten elektrischen Netzwerken verwendet werden. Ihre Bedeutung beruht auf dem enormen Fortschritt in Physik, Materialwissenschaften und Ingenieurwissenschaften, durch den es möglich ist, Leiterbahnen von extremer Feinheit herzustellen", erklärt Prof. Stollmann und ergänzt: "Bei so kleinen Abständen liefert die klassische Elektrizitätslehre keine gültigen Vorhersagen mehr und es ist nötig, Quanteneffekte in den Modellen mit zu berücksichtigen."

Quanten stehen dafür, dass Energie nicht unteilbar klein übertragen werden kann, sondern nur in Mindestpaketgrößen. Daher ist der umgangssprachlich für große oder ungewöhnliche Fortschritte verwendete Ausdruck "Quantensprung" eigentlich unpassend, denn er bezeichnet den kleinsten möglichen Sprung. Was die Quantentheorie so schwer vorstellbar macht, ist zum einen, dass physikalische Gesetze in einer mathematischen Sprache formuliert sind, die selbst von vielen Profi-Mathematikern nicht verstanden wird. Zum anderen verlieren klassische Begriffe wie Ort, Geschwindigkeit oder Teilchen ihre gewohnte Bedeutung. So ist nach dem so genannten Welle-Teilchen-Dualismus beispielsweise keine sinnvolle Unterscheidung zwischen Teilchen und Wellen möglich. "Licht und Schall sind gemeinhin als Wellen bekannt. Man assoziiert sie nicht mit etwas Massivem, aber in der Quantenmechanik wird dieser Unterschied gebrochen. Es gibt nicht entweder Welle oder Teilchen, sondern ein Teilchen ist auch immer gleichzeitig eine Welle und umgekehrt", so Stollmann.

Trotz aller Schwierigkeiten, die die Quantenmechanik mit sich bringt, ist sie aufgrund ihres breiten Gültigkeitsbereiches in Stollmanns Augen die möglicherweise erfolgreichste physikalische Theorie: "Sie beschreibt sowohl atomare Zusammenhänge als auch kosmologische. Im Zwischenbereich braucht man sie nicht - man würde eine normale Autofahrt nicht quantenmechanisch beschreiben - aber auch hier würde die Quantenmechanik zu den richtigen Ergebnissen führen. Es gibt sehr viele Bereiche in der Physik mit unterschiedlichen Energien, Geschwindigkeiten und Größen, wo sie immer sehr präzise Vorhersagen liefert."

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Peter Stollmann, Telefon 0371 531-38349, E-Mail peter.stollmann@mathematik.tu-chemnitz.de.

(Autorin: Anett Michael)

Katharina Thehos
06.05.2010

Mehr Artikel zu:

Alle „TUCaktuell“-Meldungen
Hinweis: Die TU Chemnitz ist in vielen Medien präsent. Einen Eindruck, wie diese über die Universität berichten, gibt der Medienspiegel.