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Zwischen Anspruch und Ansporn

Prof. Astrid Schütz, Dekanin der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, spricht im Interview über die Profilierung der jüngsten Fakultät in Lehre und Forschung sowie über weitreichende Pläne

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Impressionen vom Akademischen Festakt: Rektor Prof. Dr. Klaus-Jürgen Matthes übergab der Dekanin Prof. Dr. Astrid Schütz die Gründungsurkunde der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften. Etwa 100 Gäste hörten und sahen den mit viel Humor gespickten Festvortrag von Prof. Dr. Wilfried Alt (Universität Stuttgart), der die Fakultätsgründung evolutionsbiologisch betrachtete. Barbara Ludwig, Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz, nahm die Mitarbeiter der neuen Fakultät in die Pflicht und erwartet von ihnen auch Antworten auf Fragen der künftigen Stadtentwicklung sowie tolle Projekte im Chemnitzer "Jahr der Wissenschaft 2011" Fotos: Christine Kornack

Die Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften an der Technischen Universität Chemnitz feierte am 20. Mai 2010 ihre Gründung. Mario Steinebach, Leiter der Pressestelle der TU, sprach am Rande des Akademischen Festaktes mit der Dekanin Prof. Dr. Astrid Schütz über die Profilierung der jüngsten Fakultät in Lehre und Forschung sowie über Pläne, die weit in die Zukunft reichen.

Im November 2009 gründete sich die Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften. Frau Prof. Schütz, wie kam es damals dazu?

Mit der Einstellung der Lehramtsausbildung an unserer Universität Ende der 1990er Jahre durchlief die Philosophi­sche Fakultät einen Strukturwan­del. Einige Fachgebiete wurden aufgelöst, andere neu eingerichtet. Schließlich gehörten neun Institute und Fachgebiete mit 48 Professuren zu dieser Fakultät, die mehr als 40 Prozent der Studierenden der TU ausbildete. In Zusammenhang mit der Einführung neuer Bachelor- und Masterstudiengänge und der Einrichtung neuer Forschungsschwerpunkte fanden zunehmend Akzentsetzungen statt, die Ende 2009 dazu führten, dass sich aus der Philosophischen Fakultät heraus die neue Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften konstituierte. Damit konnte - und das zeigen auch die vergangenen sechs Monate - die Arbeit effizienter gestaltet, das spezifische Forschungsprofil geschärft und so auch die Studienqualität erhöht werden. Die Fakultät besteht heute aus den drei Instituten für Soziologie, Sportwissenschaft und Psychologie - mit insgesamt 16 Professuren und derzeit etwa 1.500 Studierenden.

Stichwort Studierende. Welche Studiengänge bietet die Fakultät an?

Es sind die sehr stark nachgefragten Bachelor- und Masterstudiengänge in den Fächern Soziologie, Psychologie sowie Präventions-, Rehabilitations- und Fitnessport. Zusammen mit der Fakultät für Maschinenbau haben wir zudem den Studiengang Sports Engineering, und gemeinsam mit der Fakultät für Naturwissenschaften den Studiengang Sensorik und kognitive Psychologie eingerichtet. Es ist schließlich ein Markenzeichen der TU Chemnitz, diese Verbindung zwischen technischen Fächern einerseits und den Human- und Sozialwissenschaften in unserer Fakultät wie den Geistes- und Kulturwissenschaften in der Philosophischen Fakultät andererseits herzustellen, was sich sowohl im Studium, als auch in der Forschung zeigt - etwa in der Zusammenarbeit im Landesexzellenzcluster.

Die Human- und Sozialwissenschaften sind also ein Gewinn für unsere TU?

Auf jeden Fall, denn auch an einer Technischen Universität darf neben der Technik der Mensch nicht aus dem Blick geraten, denn es sind ja Menschen, die technische Innovationen konzipieren und diese umsetzen. Das wird auch aus der lateinischen Wurzel des Wortes Ingenieur- und wir bilden hier ja Ingenieure aus - deutlich, ein Ingenieur ist jemand, der scharfsinnig für Probleme kreative Lösungen sucht, die wiederum den Menschen bei der Bewältigung des Alltags helfen sollen. Und was nützt eine technische Neuerung, wenn Nutzer mit der Bedienung nicht zurechtkommen oder die Veränderung nicht akzeptieren? Die human- und sozialwissenschaftliche Forschung definiert sich zum einen durch ihr Untersuchungsobjekt - also den Menschen, zu dessen Erleben und Verhalten, um das menschliche Zusammenleben und die Organisation zwischenmenschlicher Prozesse. Zum anderen definiert diese Forschung sich über ihren empirischen Forschungsansatz mit systematischer Beobachtung, Befragung und mit Experimenten. In unseren Laboren können wir zum Beispiel Blickbewegungen messen, Fahrverhalten simulieren und Reaktionszeiten erfassen. Wir können computerunterstützte Interviews durchführen und Online-Befragungen durchführen aber auch Bewegungsabläufe und den Sauerstoffverbrauch bei körperlicher Aktivität messen oder demographische Daten auswerten.

Welche Themen werden untersucht?

Die Themen der human- und sozialwissenschaftlichen Forschung sind vielfältig. Für sie alle ist typisch, dass wir einerseits international anerkannte Grundlagenforschung betreiben, andererseits anwendungsbezogen forschen, das heißt unsere Forschung unterstützt direkt die konkrete Entwicklungsarbeit von regionalen und internationalen Unternehmen, mit denen wir kooperieren. Im Bereich der Grundlagenforschung gehen Wissenschaftler etwa der Frage nach, was im Menschen vorgeht, wie er sich verhält und wie das Zusammenleben zwischen Menschen organisiert ist. Untersucht werden beispielsweise an mehreren Professuren grundlegende kognitive und emotionale Prozesse und Kompetenzen sowie Aspekte der Zeitwahrnehmung, der Selbstwahrnehmung und der Selbstregulation, aber auch Bewegungsabläufe und körperliche Beanspruchung. In Bezug auf das Zusammenleben von Menschen wird analysiert, wie sich Partnerschaften bilden und auflösen, wie sich Migranten in die deutsche Gesellschaft einfügen oder wie sich Städte und Regionen verändern.

Sie betrachten den Menschen doch auch in seiner Arbeitswelt?

Ja, einige Forschungsprojekte betreffen die Wirkung bauphysikalischer Merkmale auf die Arbeitsleistung, neue Arbeitsformen wie Telearbeit und damit verbunden die Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit aber auch Probleme, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden sind, wie soziale Ungleichheit und Überschuldung. Doch nicht nur in der Arbeitswelt, auch im Freizeitbereich untersuchen unsere Wissenschaftler die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik. Hier geht es zum Beispiel um die Mensch-Maschine-Interaktion im Fahrzeug, beispielsweise anhand von Untersuchungen mit dem Fahrsimulator, sowie Projekte zu umweltschonender Mobilität - wie die laufende Studie zur Alltagstauglichkeit von Elektroautos im Bereich Arbeitspsychologie. Fakultätsübergreifend läuft dabei sehr erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen Arbeitspsychologie, Arbeitswissenschaft und Nachrichtentechnik im Interdisziplinären Zentrum für Fahrerassistenzsysteme.

Gibt es noch weitere Beispiele für fakultätsübergreifende Kooperationen?

Der Bereich der Sportgerätetechnik ist hier beispielhaft und veranschaulicht die Zusammenarbeit zwischen Sportwissenschaft und Ingenieurwissenschaften. Diese Zusammenarbeit hat Tradition: Vom Institut für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik wurden zusammen mit dem Fachgebiet Sportwissenschaft bereits verschiedene Sportgeräte entwickelt - wie Fahrradrahmen oder Sicherheitsfelgen und Hilfsmittel wie Prothesen gestaltet. Im Studiengang Sports Engineering und in aktuellen Projekten wird diese Tradition fortgesetzt.

Erfolgreiche Kooperationen funktionieren im Idealfall wie harmonische Partnerschaften zwischen Menschen, die - wie ich weiß - von Wissenschaftlern Ihrer Fakultät auch genau unter die Lupe genommen werden.

Richtig, so werden an der Fakultät soziale Beziehungen auch künftig aus soziologischer und psychologischer Sicht betrachtet. Dabei verfolgen wir unter anderem die Erfassung und Verbesserung emotionaler und sozialer Kompetenzen im Kindes- und im Erwachsenenalter. In mehreren Projekten untersuchen wir die Institutionalisierung und Gestaltung partnerschaftlicher und familialer Beziehungen sowie Generationenbeziehungen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Beteiligung der Chemnitzer Soziologen am DFG-Langfristprogramm "Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics”. Es handelt sich um eines der zwei größten von der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft jemals geförderten Programme und inhaltlich um ein sozialwissenschaftliches Projekt von enormer Bedeutung.

Möchte die Fakultät künftig neue Akzente setzen?

Es ist geplant, die bisherige Profil­bildung durch eine Fokussierung auf das Themengebiet Gesundheit im weitesten Sinne zu ergänzen: Gesundheit angefangen von gesundem Leben in städtischem Umfeld, gesunden Arbeitsbedingungen, seelischem und körperlichem Gleichgewicht, bis hin zu funktionierenden sozialen Beziehungen. Es geht ganz im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation um physische, psychische und soziale Gesundheit: um körperliches und seelisches Wohlbefinden sowie die Gestaltung befriedigender sozialer Beziehungen. Die Strukturkommission der Fakultät und der Fakultätsrat haben sich verständigt, dieses Thema als einen weiteren Schwerpunkt unserer Arbeit zu setzen. In diesem großen und sehr aktuellen Bereich ist die Zusammenarbeit aus psychologischer, soziologischer und sportwissenschaftlicher Perspektive besonders bedeutsam und wir wollen hier neue Akzente setzen. Auch die Einrichtung eines Weiterbildungsstudiengangs in diesem Gebiet ist vorgesehen. Profitieren können wir dabei von vielen Erfahrungen aus bisherigen Projekten in allen drei Instituten, etwa zur Versorgungssituation in der Psychotherapie, zur Funktionalität von Sportgeräten oder zur regionalen Entwicklung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mario Steinebach
21.05.2010

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