"Eine Quote wird in der Führungspraxis kaum etwas verändern"
Die Projektgruppe "Female Leadership" aus dem Masterstudiengang Management & Organisation Studies hat starke Zweifel, ob die Frauenquote wirklich die Zahl der Frauen in Führungspositionen erhöht
Ist eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in Chefetagen nötig? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit in Deutschland nicht nur die Bundesregierung - auch die Gesellschaft diskutiert mit. Im Rahmen eines einjährigen Forschungsprojektes hat sich die Projektgruppe "Female Leadership" an der TU Chemnitz mit Studien zu Besonderheiten weiblicher Führungskräfte, ihren Rahmenbedingungen, ihrem Führungsverhalten und den Wirkungen auf Mitarbeiter beschäftigt. Dazu haben drei Studentinnen des Master-Studiengangs Management & Organisation Studies unter Leitung von Prof. Dr. Rainhart Lang vorliegende Studien aus Deutschland, aber auch aus dem Ausland ausgewertet. Außerdem haben sie Interviews mit Geschäftsführerinnen sowie schriftliche Befragungen der nachgeordneten Mitarbeiter geführt. Das Forschungsprojekt ist Teil eines interkulturellen Vergleichsprojektes zu weiblicher Führung, das im Rahmen des großen interkulturellen Forschungsprojektes GLOBE durchgeführt und von Peter Dorfman (New Mexico State University/USA) koordiniert wird.
"Wir wollen in den Schlussfolgerungen aus diesem Projekt auch zu möglichen Maßnahmen einer verstärkten Akzeptanz weiblicher Führungskräfte und weiblicher Führung Stellung nehmen und dabei das Thema der Quote mit seinen Vor- und Nachteilen diskutieren", sagt Lang und ergänzt: "Dabei können auch die im Rahmen des Auslandsstudiums gesammelten Erfahrungen unserer Studierenden einfließen."
Sarah Dorst berichtet aus den USA, wo sie ein Semester in El Paso/Texas studiert hat: "In den USA steht das Thema Frauen in Führungspositionen seit Jahren auf der Agenda. Dort gibt es sowohl in den Aufsichtsgremien als auch in den Vorständen mehr Frauen. Im Elf-Länder-Vergleich hat die USA zusammen mit Schweden die höchste Frauenquote. An der University of Texas at El Paso, an der ich im letzten Jahr studiert habe, gibt es nicht nur eine Präsidentin, sondern auch sehr viele Frauen unter den Professoren und Dekanen. An der TU Chemnitz sind diese Positionen fast ausschließlich von Männern besetzt. Obwohl es in den USA keine gesetzliche Frauenquote gibt, hat das Umdenken längst begonnen."
Liane Zimmermann hat während ihres Praktikums bei Siemens in New York ähnliche Erfahrungen gemacht: "Das Problem liegt in den Köpfen der Menschen. In den USA werden weibliche Führungskräfte viel stärker akzeptiert. Ich bin der Meinung, dass in Deutschland grundsätzlich ein Umdenken bezüglich der Rollenverteilung von Männern und Frauen stärker als in der Vergangenheit stattfinden muss. Leider wird Frauen im Berufsleben oft weniger zugetraut als ihren männlichen Kollegen. Ob dieses Umdenken jedoch durch die Einführung einer Frauenquote gefördert wird, bezweifle ich stark."
Anne Wießner weiß ähnliches aus Südafrika zu berichten, wo sie für ein Semester an der University of KwaZulu-Natal in Durban studiert hat: "Die Südafrikaner sind uns weit voraus. Fast jeder zweite Parlamentssitz in Südafrika ist von einer Frau besetzt, mit 43 Prozent liegt das Land an der Spitze in der Weltrangliste. Auch an der südafrikanischen Universität kann ich dies bestätigen. Im Vergleich zu den Professuren in Chemnitz sind diese häufiger mit Frauen besetzt. Südafrika hat anscheinend eine Lösung gefunden. Vor einem weitaus größeren Problem stehen die Südafrikaner jedoch immer noch: den Folgen der Apartheid."
Prof. Lang ergänzt, dass bei der Diskussion in Deutschland die kulturelle Komponente stark vernachlässigt werde: "So lange Organisationen, gerade auch in Deutschland, patriarchalisch verfasst sind, eine gute Führungskraft in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem Erwartungen nach Leistungsorientierung, Durchsetzung, Stärke und administrativer Kompetenz genügen muss, und Empathie keine Rolle spielt, verwundert es nicht, dass sich das Bild kaum ändert. Leider tragen auch die Medien einen erheblichen Teil dazu bei, indem Durchsetzungsstärke als gute Führung und die Fähigkeit, moderieren zu können, als der Führung abträglich bezeichnet werden. Eine Quote kann zwar einen Anstoß geben, aber ohne Änderung dieser Rollenbilder wird sich kaum etwas in der Führungspraxis verändern."
Aus anderen Bundesländern zum Masterstudium nach Chemnitz
Der nach dem Prinzip des forschenden Lernens konzipierte Masterstudiengang Management & Organisation Studies wird an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften seit dem Wintersemester 2009/2010 angeboten und richtet sich an Studierende mit Bachelor-Abschlüssen in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Studierenden kommen aus fast allen Bundesländern, mehr als 50 Prozent haben ihren Bachelor-Abschluss nicht in Sachsen gemacht. Ein betreutes einjähriges Forschung-, Beratungs- oder Trainingsprojekt gehört neben teilweise englischsprachigen Vorlesungen und Seminaren sowie Planspiel zum reflexiven Management zum Studienprogramm.
Mehr Informationen zum Studiengang: http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/studium/master/mos
Kontakt: Prof. Dr. Rainhart Lang, Telefon 0371 531- 34152, E.Mail r.lang@wirtschaft.tu-chemnitz.de
Katharina Thehos
16.02.2011