Annaberg-Boomtown - eine Metropole um 1500
Öffentliche Ringvorlesung der Philosophischen Fakultät im "Jahr der Wissenschaft 2011" geht in die dritte Runde - am 28. April spricht Prof. Dr. Christoph Fasbender
Die Ringvorlesung der Philosophischen Fakultät der TU Chemnitz beschäftigt sich am 28. April 2011 mit dem Thema " Annaberg-Boomtown - Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit einer Metropole um 1500". Prof. Dr. Christoph Fasbender von der Professur für deutsche Literatur- und Sprachgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit hält einen Vortrag über die erzgebirgische Stadt Annaberg, die durch die Erschließung bedeutender Rohstoffvorkommen über Nacht zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum wurde.
Nicht das einzige, aber ein bis heute erhaltenes Zeichen für das damalige rasante Wachstum ist die auffallend große Sankt Annenkirche, die das inzwischen wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückgefallene Städtchen bis heute überragt. Fasbender nimmt in seinem Vortrag den Bergaltar als Ausgangspunkt, der um 1522 von Hans Hesse gemalt wurde und bis heute in der Annenkirche zu sehen ist. Als die Annaberger Bergknappschaft dem seit 1506 ansässigen Hesse den Auftrag gab, die Rückseite des Schnitzaltars mit Szenen aus dem Montanwesen ihrer Stadt zu gestalten, war Annaberg eben im Begriff, nach der Bergstadt Freiberg zur zweitgrößten Stadt Sachsens aufzusteigen. Dort, wo der Sage nach vor 30 Jahren ein Engel Daniel Knappe in unwirtlichen Höhen des Erzgebirges zu seiner folgenschweren Grabung ermutigt hatte, wohnten nun auf engstem Raume an die 12.000 Menschen. Sie lebten, abhängig durchweg von einer industriellen Monokultur, in einer buchstäblich Neuen Metropole: einer Stadt von weitgehender baulicher, logistischer und soziokultureller Gleichzeitigkeit.
"Annaberg wurde zwar nicht an einem Tag erbaut, aber doch quasi über Nacht aus dem Boden gestampft", sagt Fasbender und ergänzt: "Stolz zeigte sie Selbstbewusstsein her, und nicht wenige Reisende besuchten die Stadt in der Hoffnung, hier ihr Glück zu machen. Innerhalb kürzester Zeit entstanden zahlreiche Lobgedichte, die das Prestige Annabergs und auch das der Verfasser nicht nur in Sachsen zu befördern versuchten." In seinem Vortrag nimmt sich Fasbender zweier Lobgedichte etwas ausführlicher an. Er vergleicht das Hexameter-Gedicht eines österreichischen Besuchers von 1507, das tief in der Tradition des lateinischen Stadtlobs steht, mit dem nur drei Jahre jüngeren deutschen Spruch des kaiserlichen Spruchdichters Hans Schneider aus Nürnberg - immer mit Blick darauf, was denn nun das Lob der Neuen Stadt am Schreckenberg eigentlich ausmache.
"Der unter dem so genannten Berggeschrey explodierende `boomtown´ bot, was sich dem Betrachter sonst nicht oft eröffnet: das Bild einer Stadt weitgehender Gleichzeitigkeit, die sich in einer auf Traditionen gründenden Gesellschaftsordnung gleichwohl um legitimierende Geschichtlichkeit bemühen musste", sagt Fasbender. Mit Berggeschrey wurde die sich schnell verbreitende Nachricht von großen Erzfunden bezeichnet, durch die sich in kurzer Zeit bedeutende Bergbaureviere entwickelten. Am Schreckenberg im heutigen Annaberg-Buchholz löste die Kunde von Silbererzfunden ab 1491 ein solches Berggeschrey aus, wodurch viele Menschen hierhin übersiedelten.
Insgesamt stehen zwölf Veranstaltungen auf dem Programm der Ringvorlesung, die überwiegend von Professoren der TU Chemnitz gestaltet werden. Die Vorträge finden jeweils donnerstags um 19 Uhr im Oberlichtsaal des Museums Gunzenhauser am Falkeplatz statt. Der Eintritt ist frei.
Alle Veranstaltungen der Philosophischen Fakultät im Jubiläumsjahr der TU sind nachzulesen unter http://www.tu-chemnitz.de/tu/175jahre/programm.php. Hier sind auch die weiteren Termine der Ringvorlesung vermerkt.
Katharina Thehos
26.04.2013