Staat und Privatwirtschaft - eine starke Partnerschaft?
Politikwissenschaftler der TU Chemnitz vergleichen 14 Staaten, um Triebkräfte und Hemmnisse beim Einsatz von öffentlich-privaten Partnerschaften zu identifizieren
Lkw-Fahrer, die deutsche Autobahnen nutzen, müssen seit Anfang 2005 Gebühren bezahlen. Für die Erhebung dieser Maut hat das Bundesamt für Güterverkehr das private Unternehmen Toll Collect GmbH beauftragt. Dies ist ein Beispiel für eine so genannte öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP). Warum diese Form der Zusammenarbeit in manchen europäischen Ländern intensiver genutzt wird als in anderen, erforschen Politikwissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz. Prof. Dr. Gerd Strohmeier und Dr. Thomas Krumm von der Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich gehen dieser Frage im Projekt "Staatlichkeit im Wandel: Öffentlich-private Partnerschaften im internationalen Vergleich" nach. Gefördert wird das Forschungsthema seit dem 1. Juli 2011 für zwei Jahre von der Fritz Thyssen Stiftung.
"Mit öffentlich-privaten Partnerschaften macht sich die öffentliche Hand privatwirtschaftliches Know-how, Vorfinanzierung und Risikomanagement bei komplexen Aufgaben zunutze und verpflichtet sich im Gegenzug langfristig zu Zahlungen an den privaten Aufgabenträger oder bietet ihm eine Refinanzierungsmöglichkeit über Nutzungsentgelte", erklärt Strohmeier und schätzt ein: "Angesichts von Finanzierungs- und Steuerungskrisen bieten sich kooperative, partnerschaftliche Politikformen als neue und unter Umständen effizientere Formen der Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Politik an." Denn öffentlich-private Partnerschaften stünden für modernes Handeln und verfolgten das Ziel, öffentliche Infrastrukturprojekte effektiver als bisher zu realisieren. Anders als bei der Vollprivatisierung, behält die öffentliche Hand eine stärkere und direktere Kontrolle über die zu erbringenden Leistungen. Zudem kann sie das Objekt, bei dem kooperiert wurde, anschließend wieder selbst übernehmen.
"Andererseits erfordert ein stärkerer Rückgriff auf das Instrument der ÖPP eine Neujustierung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Politik", so Strohmeier. Deshalb seien die ÖPP im internationalen Vergleich unterschiedlich akzeptiert. Wissenschaftlich erklärt ist jedoch noch nicht, weshalb in Europa manche Staaten das Instrument stärker nutzen als andere. In Großbritannien kommen ÖPP beispielsweise häufig zum Einsatz, in Dänemark nur selten.
"Es bieten sich sozioökonomische, politische und systemstrukturelle Erklärungsvariablen an, die bisher noch nicht systematisch auf ihre Relevanz für die Ausbreitung der ÖPP untersucht wurden", beschreibt Strohmeier die Forschungslücke, die er schließen möchte. Die Chemnitzer Politikwissenschaftler wollen die Betrachtung nicht auf Länder- und Einzelfallstudien beschränken. Für 14 westeuropäische Staaten vergleichen sie systematisch zwölf Faktoren, die potenziell die Nutzung von ÖPP beeinflussen. "Forschungsleitend ist dabei die Frage, welche Triebkräfte und Hemmnisse sich für den Wandel von primär eigenhändiger zu kollaborativer öffentlicher Aufgabenerfüllung identifizieren lassen", so Strohmeier.
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Telefon 0371 531-37612, E-Mail gerd.strohmeier@phil.tu-chemnitz.de.
Katharina Thehos
01.07.2011