Viele Gedanken hinter einem Gedenkstein
Nicht nur durch den "Chemnitzer Friedenstag" wird den Opfern des NS-Regimes gedacht - Auch ein Gedenkstein von Volker Beier an der TU Chemnitz erinnert an jüdische Opfer des Naziregimes
Am 5. März 2012 wird beim "Chemnitzer Friedenstag" den Opfern des Bombenanschlags auf Chemnitz im Zweiten Weltkrieg gedacht. Doch nicht nur durch Gedenktage wie diesen wird an jüdische und andere Opfer des NS-Regimes erinnert, sondern es entstanden seit dem Untergang des Dritten Reiches auch zahlreiche Denkmäler. Ein Name, der einem bei der Suche nach künstlerischen Werken zu diesem Kapitel der deutschen Geschichte immer wieder begegnet, ist der des Chemnitzer Bildhauers Volker Beier. Neben der Gedenkstele am Stephanplatz zur Erinnerung an die bei den Novemberpogromen 1938 zerstörte Alte Synagoge, errichtete er 1988 auch den Gedenkstein im Innenhof der Technischen Universität Chemnitz an der Straße der Nationen 62 und steuerte somit gleichzeitig einen Beitrag zur Kunst an der TU Chemnitz bei.
"Der Gedenkstein fand seinen Platz dort, von wo aus zu Nazizeiten auf Grund der unmittelbaren Nähe zum Bahnhof zahlreiche Chemnitzer Juden deportiert wurden", erklärt Beier. Der Vorsitzende des Verbandes der Jüdischen Gemeinde der DDR, Siegmund Rotstein, hatte ihn für das Projekt vorgeschlagen. Der Künstler fertigte daraufhin seinen Vorschlag für den Gedenkstein, der am 3. November 1988 aus Anlass des wenig später stattfindenden 50. Jahrestag der Pogromnacht enthüllt wurde. "Ich habe den Baumstumpf in Form des Judensterns als Motiv gewählt, weil ich den jüdischen Glauben metaphorisch als einen alten gestandenen Baum darstellen wollte, der durch den Nationalsozialismus zu einem Stumpf gefällt wurde", erklärt der Künstler die Bedeutung seines Gedenksteins. Der letzte Zweig, der mühsam aus dem Bronzedenkmal wächst, symbolisiere dabei die wenigen jüdischen Überlebenden. Sogar die Struktur des Bodens, auf dem der Gedenkstein steht, hat der Bildhauer in das Konzept des Kunstwerkes integriert: "Das Denkmal ist so konstruiert, dass es den Boden leicht anhebt und dadurch darstellt, wie viel Kraft der Glauben hat", verdeutlicht Beier.
Der Gedenkstein entstand damals in Zusammenarbeit mit dem Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt, der Jüdischen Gemeinde und der Technischen Universität Karl-Marx-Stadt. Auch heute steht das Denkmal noch an seinem Platz neben einer ausgewachsenen Kastanie, die im Kontrast zu dem von Volker Beier dargestellten Baumstumpf steht. "Ich wünsche mir, dass die Menschen, die daran vorbeilaufen, ihr Haupt senken und daran denken, wie die jüdischen Bürger die letzten Schritte in ihrer Heimat gegangen sind", so der Bildhauer.
Volker Beier hatte sich auch schon zuvor mit dem Thema der Juden und deren Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten beschäftigt und mit dem damaligen Stadtarchivar, Dr. Gert Richter, eine Ausstellung im Städtischen Museum mit dem Titel "Juden in Chemnitz" ins Leben gerufen. Und auch nach der Anfertigung des Denkmals gab es immer wieder Berührungspunkte mit diesem Thema in Volker Beiers Leben. So schuf er 2009 beispielsweise einen Gedenkstein auf dem Nikolaifriedhof zur Würdigung Marie Luise Pleißners. Die Oberschullehrerin half zur NS-Zeit Juden durch ihre Kontakte zu den Londoner Quäkern bei ihrer Emigration nach England. Außerdem fertigte der Bildhauer 2010 einen Gedenkstein für die St. Nikolaikirche zur Erinnerung an die Euthanasieopfer des NS-Regimes, zu denen 500 damalige Chemnitzer Bürger zählen, an.
Volker Beier betont auch die Notwendigkeit der Erinnerung an diese Ereignisse: "Ich werde in diesem Jahr auch am `Chemnitzer Friedenstag´ teilnehmen, weil es gerade in unserer heutigen Zeit wichtig ist, an dieses Thema zu erinnern und den Opfern zu gedenken." Der Bildhauer beschäftigt sich nicht nur mit diesem Thema, sondern macht sich auch Gedanken über die derzeitige Lage der Kunst: "Heutzutage werden oft kurzlebige Kunstwerke von den Auftraggebern gewählt. Ich habe da eine andere Ansicht: Man sollte der jeweiligen Kunst doch ansehen, in welcher Zeit sie entstanden ist", bemängelt er. Auch die geringen finanziellen Mittel des Staates für Kunstprojekte seien zu kritisieren. Nur in kleineren Kreisen, wie Gemeinden, könne man noch auf die Unterstützung beispielsweise durch den Bürgermeister hoffen. So konnte Volker Beier vor kurzem ein Treffen mit 17 Bildhauern auf seinem Grundstück durch die Unterstützung des Bürgermeisters von Jahnsdorf, Carsten Michaelis, arrangieren. In diesen Momenten sieht er seine Liebe zum Beruf des Bildhauers durch ein chinesisches Sprichwort, dass er auch an die Studenten der TU Chemnitz weitergeben möchte, wieder bestätigt: "Tu was du liebst und du musst nie wieder arbeiten!"
Zur Person: Volker Beier
Volker Beier wurde am 25. April 1943 in Chemnitz geboren. Nach seiner Lehre als Steinmetz und Bildhauer, studierte er ab 1960 an der Fachschule für Angewandte Kunst Leipzig. In seiner weiteren Künstlerlaufbahn war er Meisterschüler der Akademie der Künste in Moskau und später in Berlin. Nach der Wende arbeitete Beier gleichzeitig an der 1. Freien Schule Chemnitz als Lehrer und beim "Sächsischen Tagesblatt" als freier Mitarbeiter. Heute ist Beier als freischaffender Künstler tätig.
(Autorin: Mary De Luca, Praktikantin in der Pressestelle)
Katharina Thehos
02.03.2012